Koalitionspoker in Berlin "Wahl-Klau"? Diese Wahlverlierer kamen an die Macht
Nach ihrem deutlichen Sieg beansprucht die CDU die Macht in Berlin für sich. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass ein deutlicher Wahlsieger leer ausgeht.
"Der Regierungsauftrag liegt klar bei uns." Berlins CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wird seit seinem klaren Wahlsieg nicht müde, das zu betonen. Mit fast zehn Prozentpunkten Vorsprung hat seine CDU die SPD und die Grünen hinter sich gelassen.
Dass Wegner Regierender Bürgermeister wird, ist trotzdem immer noch alles andere als sicher. Von SPD und Grünen war am Wahlabend immer wieder das Mantra zu hören: Wer regieren will, braucht Mehrheiten. Und die haben auch SPD, Grüne und Linke immer noch, trotz Verlusten.
Aber können sie diese Mehrheit wirklich nutzen und den klaren CDU-Sieg ignorieren? Oder wäre das schon ein "Wahl-Klau", wie Berlins CDU-Generalsekretär noch vor der Wahl auf Twitter andeutete? Ein Blick in die Historie der Bundesrepublik zeigt: Kai Wegner wäre nicht der erste deutliche Wahlsieger, der am Ende nicht die Regierung anführt.
Hamburg 2011: Ole von Beust und "Richter Gnadenlos"
Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg 2001 holte die SPD mit 36,5 Prozent mit Bürgermeister Ortwin Runde deutlich die meisten Stimmen. Mehr als zehn Prozentpunkte dahinter (26,2 Prozent) landete die CDU. Trotzdem wurde deren Spitzenkandidat Ole von Beust am Ende Bürgermeister. Denn die rechtspopulistische Partei des als "Richter Gnadenlos" bekannten Ronald Schill erreichte auf Anhieb 19,4 Prozent und brachte von Beust gemeinsam mit der FDP an die Macht.
Die Grünen, die gemeinsam mit der SPD regiert hatten, hatten bei der Wahl deutliche Verluste erlitten. Damit reichte es nicht mehr für Rot-Grün, die CDU übernahm. 2003 zerbrach die Koalition schon wieder, Schill wurde entlassen.
Baden-Württemberg 2011: Der erste Grüne war kein Sieger
Auch der erste grüne Ministerpräsident war eigentlich gar nicht der Wahlsieger. Mit Winfried Kretschmann erreichten die Grünen wenige Wochen nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima ein Rekordergebnis von 24,2 Prozent. Trotzdem noch deutlich davor landete die CDU von Stefan Mappus, die 39 Prozent erreichte. Für die Baden-Württemberg-CDU bedeutete das aber damals einen deutlichen Verlust von mehr als 5 Prozentpunkten.
Kretschmanns Grüne ergriffen die Chance und übernahmen gemeinsam mit der SPD die Macht. Die Sozialdemokraten waren mit 23,1 Prozent knapp hinter den Grünen gelandet.
Thüringen 2014: Der erste Linke auch nicht
2014 wurde die CDU in Thüringen mit 33,5 Prozent stärkste Kraft und konnte im Vergleich zum Vorergebnis sogar leicht dazugewinnen. Ihren Posten als Ministerpräsidentin verlor Christine Lieberknecht aber trotzdem.
Die SPD, mit der die CDU vorher koaliert hatte, war um mehr als sechs Prozentpunkte auf 12,4 Prozent abgestürzt. Sie setzten die Koalition daher nicht fort, sondern machten Bodo Ramelow zum ersten Ministerpräsidenten der Linken. Die Linke war mit 28,2 Prozent der Stimmen auf Platz zwei gelandet.
Auch Kanzler wird nicht immer der Gewinner
Auf Bundesebene gibt es ebenfalls mehrere Beispiele dafür, dass die meisten Stimmen nicht den Regierungsposten garantieren. Bei der Bundestagswahl 1976 etwa holte die Union 48,6 Prozent der Stimmen, die SPD nur 42,6 Prozent. Trotzdem blieb SPD-Mann Helmut Schmidt Bundeskanzler. Die SPD setzte ihre Koalition mit der FDP fort.
1980 passierte das Gleiche nochmal. Wieder landete die Union (44,5 Prozent) vor der SPD (42,9 Prozent), wieder blieb Helmut Schmidt mit der sozialliberalen Mehrheit Kanzler. Bereits 1969 hatte die Union trotz des stärksten Ergebnisses das Nachsehen gegenüber SPD und FDP. Willy Brandt wurde der erste SPD-Bundeskanzler.
- spiegel.de: "'Richter Gnadenlos' triumphiert"
- tagesschau.de: Bürgerschaftswahl Hamburg 2001
- tagesschau.de: Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011
- tagesschau.de: Landtagswahl in Thüringen 2014
- tagesschau.de: Bundestagswahl 1976
- tagesschau.de: Bundestagswahl 1980
- tagesschau.de: Bundestagswahl 1969