Bedrohung für Ökosysteme und Bevölkerung RWTH: Diese Gifte schlummern im Permafrost
Hochgiftige Substanzen sind im Permafrostboden eingefroren. Taut dieser, könnten sie freigesetzt werden. In welcher Menge, das wollen RWTH-Forscher rausfinden.
In den arktischen Permafrostböden schlummern an tausenden Standorten zum Teil hochgiftige Industrieabfälle. Welche, wo genau und in welcher Menge, das wollen Forschende der RWTH Aachen jetzt herausfinden. Diese Industrieabfälle drohen, Ökosysteme und die lokale Bevölkerung zu gefährden, wenn der Dauerfrostboden durch die zunehmende Erderwärmung tiefer auftaut und instabil wird.
Derzeit untersuchen Expertinnen und Experten des Instituts für Geomechanik und Untergrundtechnik (GUT) der RWTH daher Schlammgruben im Mackenzie-Delta im kanadischen Northern Territory, in denen Rückstände aus Öl- und Gasexplorationen lagern.
Die Expedition ist Teil des Verbundprojektes "ThinIce", das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,9 Millionen Euro gefördert wird. Ziel des Projekts ist es, das Ausbreitungsrisiko der Altlasten und mögliche Umweltfolgen zu erfassen sowie Strategien für eine Risikominimierung zu entwickeln.
"In den arktischen Permafrostgebieten gibt es circa 4.500 Industriestandorte und bis zu 20.000 kontaminierte Flächen", sagt Projektleiter Moritz Langer. Diese Zahlen beruhen auf einer Studie, die er 2023 gemeinsam mit anderen Forschenden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht hat.
Der Großteil der Industriestandorte entfällt dabei auf Alaska, Kanada und Russland. Zu den häufigsten Umweltgiften, die hier im Permafrost lagern, gehören Kraftstoffe wie Diesel und Benzin sowie Schwermetalle, darunter Blei und Quecksilber. Und mit fortschreitender Erwärmung der Böden und dem Verlust von Bodeneis steigt die Gefahr, dass die Umweltgifte freigesetzt werden.
Bis zu 20.000 vergiftete Permafrostfächen
So auch im Mackenzie-Delta: Dort wurden in den 1970er bis 1990er Jahren etwa 230 Gruben ausgehoben, um Schlamm zu entsorgen, der bei Bohrungen nach Öl und Gas anfiel. Anschließend wurden die 100 bis 200 Meter großen Schlammteiche mit Sediment aufgeschüttet, sodass heute etliche kleine Hügel die Tundra zieren.
Doch unter den Hügeln lagert ein toxisches Gemisch: "Der Schlamm enthält neben Sediment und Gestein auch salzreiche oder kerosinhaltige Fluide, die Firmen bei den Bohrungen als Gefrierschutzmittel eingesetzt haben. Vor allem letztere sind umweltkritisch, weil sie im Boden von Mikroorganismen nur schlecht abgebaut werden", sagt Langer.
Ähnlich wie im Mackenzie-Delta gibt es für viele industrielle Standorte und Aktivitäten in der Arktis nur unvollständige oder kaum öffentlich zugängliche Daten, was die Risikobewertung erschwert. "Umso dringender ist es, dass wir einen Überblick über Art und Ausmaß der Altlasten bekommen und Konzepte zur Sicherung und Sanierung entwickeln", so Langer. Auch, da die Renaturierung kontaminierter Flächen immer teurer wird, je tiefer der Permafrost taut, oder gar unmöglich, wenn schwere Maschinen auf den instabilen Böden nicht mehr eingesetzt werden können.
- Pressemitteilung der RWTH Aachen (per E-Mail)