Covid-19 Sachsen im "Wellenbrecher": Droht die Triage?
Dresden (dpa) - Die Corona-Inzidenz nähert sich in Sachsen in großen Schritten der Marke von 1000, gut jede zehnte Schule ist wegen der hohen Infektionen inzwischen ganz oder zumindest teilweise geschlossen.
Um die dramatisch steigenden Fallzahlen in den Griff zu bekommen, befindet sich der Freistaat seit Montag im sogenannten "Wellenbrecher". Das öffentliche Leben ist besonders für Ungeimpfte eingeschränkt. Um Schlimmeres abzuwenden, könnte es aber schon zu spät sein, meint zumindest der Präsident der Landesärztekammer, Erik Bodendieck. Der Freistaat müsse sich auf eine Triage vorbereiten.
Dem Sender NDR Info sagte Bodendieck am Montag, es stünden im Freistaat nur noch wenige Betten auf den Intensivstationen zur Verfügung. Wenn sich daran nichts ändere, müsse über eine Auswahl nachgedacht werden, wer behandelt werde und wer nicht. "Wir müssen triagieren, und das werde ich diese Woche mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken nochmal besprechen." Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen.
Eine präventive Triage, also das Freihalten von Betten, sei rechtlich nicht möglich. "Für ungeimpfte Patientinnen und Patienten in einer Covid-Situation ist das in aller Regel nicht der Fall, dass sie eine Covid-Situation überstehen können", sagte Bodendieck. Sachsen sei in jedem Fall auf die Hilfe anderer Bundesländer angewiesen.
Die Krankenhausgesellschaft Sachsen (KHG) sieht indessen noch Spielraum bis zu einer möglichen Anwendung coronabedingter Triage in den Krankenhäusern des Freistaates. Unmittelbar stelle sich diese Frage noch nicht, sagte Friedrich R. München, stellvertretender Geschäftsführer der KHG, auf Anfrage.
Nach Darstellung von München befinde man sich derzeit noch in der Phase, Patienten zwischen den einzelnen Krankenhaus-Clustern sowie innerhalb des Kleeblattes mit den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu verlegen. Danach sei eine Verlegung etwa nach Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein eine Option: "Wenn das nicht mehr geht, haben wir ein Problem."
Die Zahl der Corona-Infektionen ist im Freistaat noch einmal dramatisch in die Höhe geschnellt. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Montag einen Wert von 960,7, am Sonntag lag die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche noch bei 862,1. Das geht auch an den Schulen nicht vorbei. Gut elf Prozent der öffentlichen Schulen in Sachsen sind derzeit wegen hoher Corona-Fallzahlen vollständig oder teilweise geschlossen, wie aus einer Auflistung des Kultusministeriums hervorgeht.
Eine Wende soll der sogenannte "Wellenbrecher" bringen. Seit Montag sind alle Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Bars, Clubs und Diskotheken dicht. Abgesagt sind außerdem die Weihnachtsmärkte, Großveranstaltungen und andere Feste. Touristen dürfen nicht mehr übernachten und die Gastronomie darf nur noch zwischen 6.00 und 20.00 Uhr mit der 2G-Regel öffnen - Zutritt nur für Geimpfte und Genesene.
Darüber hinaus gelten in Corona-Hotspots zusätzliche Ausgangsbeschränkungen für ungeimpfte Menschen. Zurzeit überschreiten sieben sächsische Landkreise den Schwellenwert von 1000 - der Erzgebirgskreis gehört dazu. Laut Landratsamt treten dort am Dienstag Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte in Kraft.
Derweil melden die ersten Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern ausgelastete Intensivstationen. Am Montagmorgen traf dies laut Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) auf vier Kliniken zu: das Kreiskrankenhaus Demmin, die KMG Klinik Boizenburg, das Krankenhaus Ludwigslust und das DRK-Krankenhaus Grevesmühlen. Weitere 14 Krankenhäuser meldeten nur noch begrenzte Kapazitäten.
An das Divi-Register melden aus dem Bundesland 32 Krankenhäuser ihre Intensivkapazitäten. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lagus) vom Sonntag liegen derzeit in Mecklenburg-Vorpommern 271 Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung in Kliniken. Davon müssen 61 intensivmedizinisch behandelt werden.