Konferenz in Sevilla Esa-Chef warnt vor Dino-Schicksal und fordert mehr Geld
Sevilla (dpa) - Mit eindrucksvollen Argumenten hat Europas Raumfahrt-Chef Jan Wörner von den Ländern des Kontinents mehr Geld für gemeinsame Weltraumprojekte gefordert.
"Wir (Menschen) wollen nicht wegen eines Meteoriten aussterben", sagte der Vorsitzende der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) in Sevilla zum Auftakt einer als wegweisend geltenden zweitägigen Ministerratskonferenz unter Hinweis auf das wahrscheinliche Schicksal der Dinosaurier.
Der Aspekt "Überwachen und Schützen", eine von vier Säulen der künftigen Projektgestaltung der Esa (neben "Erkunden und Entdecken", "Dienste und Anwendungen" und "Entwerfen und Betreiben"), liegt dem Deutschen besonders am Herzen. Bei den Debatten über die Finanzierung der Programme gehe es darum, "Verantwortung zu übernehmen", sagte Wörner in seiner engagierten Rede vor den Ministern und anderen Vertretern der 22 Mitgliedsländer, der assoziierten Staaten Slowenien und Kanada, der EU und anderer Organisationen und Partner.
Man wolle unter anderem ein System zur rechtzeitigen Entdeckung und zur Abwehr von gefährlichen Himmelskörpern entwickeln und in der Lage sein, auch anderen potenziellen Gefahren wie Sonnenstürmen, die das Leben auf der Erde stark in Mitleidenschaft ziehen können, Paroli zu bieten. Zu den Risiken gehöre auch der Weltraummüll. Rund 3000 von insgesamt 4500 Satelliten im Weltraum seien etwa nicht mehr aktiv und stellten eine "sehr große Gefahr" dar.
"Ich habe in einer Zeitung gelesen, man solle sich wichtigeren Dingen des täglichen Lebens widmen", sagte Wörner. Entgegen der Meinung vieler sei Raumfahrt für das tägliche Leben auf der Erde aber von großer Bedeutung. Es gehe um Inspiration, um Wettbewerbsfähigkeit (Europas) und um Verantwortung. Man stünde vor Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Energie, Ressourcen und Konflikte. "All diese Herausforderungen sind Teil von dem, was wir machen." Die 30-minütige Rede machte Eindruck.
"Inspirierend und spektakulär", nannte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó die Ausführungen. "Nun wissen wir, worum es geht."
Doch wie viel Geld ist nötig, um diese Herausforderungen zu meistern? Die Esa hatte 2019 einen Gesamtetat von 5,72 Milliarden Euro, der zu 73 Prozent von den Mitgliedsländern finanziert wurde. Deutschland ist mit 927 Millionen Euro nach Frankreich (1,2 Milliarden Euro) der zweitgrößte Beitragszahler. Hinzu kommen Beiträge institutioneller Partner wie der EU.
Nun wird für die nächsten drei Jahre ein Anstieg von rund zehn Prozent angestrebt. Wörner betonte vor der Konferenz aber, dass man die nun geforderten Summen aufgrund der unterschiedlichen Laufzeiten der unterschiedlichen Programme nicht mit denen vergleichen könne, die bei der letzten Ministertagung 2016 in der Schweiz beschlossen wurden. In der Tat laufen manche Programme, die zur Finanzierung anstehen, über zwei Jahre, andere über fünf. Manche Programme sind freiwillig, andere verpflichtend.
Wörner betonte, man verlange von den Mitgliedsländern einen Beitrag von lediglich acht Euro pro Jahr und Bürger. In einer Umfrage unter 5000 Europäern habe die Esa ermittelt, dass die Menschen bereit seien, im Schnitt 287 Euro pro Kopf und Jahr auszugeben. Wörner: "Die Botschaft lautet: Die Menschen wollen Raumfahrt."
Entscheidend dürfte für die Minister und Experten der Länder derweil die Frage sein, ob man weiterhin in fast allen Raumfahrt-Sektoren mit jeweils geringeren Beträgen mitspielen oder aber klare Prioritäten setzen will. Die Konkurrenz schläft nicht. Das US-Unternehmen SpaceX von Elon Musk baut billigere Trägerraketen, die zudem - im Gegensatz zu Ariane - wiederverwendbar sind.
Stichwort Prioritätensetzung. Der deutsche Chefverhandler Thomas Jarzombek betonte in Sevilla, für Berlin stehe die Förderung von mittelständischen Firmen in Deutschland im Fokus. "Raumfahrt-Mittelstand ist unser erstes Thema", sagte der CDU-Mann auf Twitter. Der sei bisher zwischen den großen Themen wie der ISS-Raumfahrtstation und Ariane "ein bisschen zu kurz gekommen". Das zweite Thema seien für Deutschland die Erdbeobachtungs-Satelliten, die auch zur Klimaforschung wichtig sind.
Der einzige natürliche Satellit der Erde begeistert 50 Jahre nach der ersten Mondlandung auch Wörner sichtlich. Die Esa beteiligt sich am Mondprogramm "Artemis" der US-Raumfahrtagentur Nasa. 2024 sollen nach den Plänen von Präsident Donald Trump wieder US-Astronauten auf dem Mond landen. Die Esa soll vorerst nur ein Servicemodul beisteuern, das die Raumkapsel Orion antreiben soll. Damit gibt sich aber Wörner nicht zufrieden. "Wir werden auch Europäer auf den Mond bringen", versicherte er.