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Alexander der Große: Seine Leiche ging durch Schlamperei verloren


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Legendärer Eroberer
Die Leiche Alexander des Großen ging durch Schlamperei verloren

Von Angelika Franz

06.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Alexander der Grosse: Der Makedone errichtete ein Weltreich.Vergrößern des Bildes
Alexander der Grosse: Der Makedone errichtete ein Weltreich. (Quelle: Archiv Gerstenberg/ullstein-bild)
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Alexander der Große unterwarf das Riesenreich der Perser, verstarb dann in jungen Jahren. Wo aber liegt das Grab des Herrschers? Dem Finder winkt unsterblicher Ruhm.

Alexander der Große hatte einen letzten Wunsch. Man möge nach seinem Tod doch bitte seinen Körper in den Euphrat werfen, damit der Fluß seine sterblichen Überreste verschwinden lasse. Denn ohne Körper, so stellte es sich der Eroberer aus Makedonien vor, sähe es so aus, als sei er in das Reich der Götter verschwunden, wo er auf ewig mit seinem vorgeblichen Vater, dem Gott Zeus-Ammon, vereint sein würde.

So könnte er, wenn auch in Wahrheit tot, zumindest in den Köpfen der Menschen unsterblich werden. Doch Alexanders Plan ging nicht auf. Kaum hatte der Herrscher am 10. Juni 323 vor Christus seinen letzten Atemzug getan, wurde sein Körper zum Machtinstrument – um den sich seine Nachfolger stritten wie Hunde um einen Knochen.

Ein entführter Leichnam

Denn, so hatte es Alexanders Haus- und Hof-Weissager Aristander prophezeit, das Land, welches den Leichnam des Bezwingers des Perserreiches bestatte, würde zum reichsten der Welt werden. Alexander starb in Babylon, weit entfernt von der makedonischen Heimat, wo seine Ahnen begraben lagen.

Nach seinem Tod war die Lage unübersichtlich. Zwei Jahre lang sollte es dauern, bis die Rückführung von Alexanders sterblicher Hülle in die Heimat überhaupt erst in Angriff genommen wurde. 321 vor Christus brach der Leichenzug in Babylon auf, mit seinem Körper in einem maßgeschneiderten Sarkophag aus gehämmertem Gold. Doch weit sollte er nicht kommen: Ptolemaios, ein Kindheitsfreund und General Alexanders, der mittlerweile die ägyptischen Eroberungen des Makedonenherrschers verwaltete, überfiel den Konvoi, riss sich die Leiche unter den Nagel und schaffte sie nach Memphis.

Memphis war der traditionelle Bestattungsort ägyptischer Pharaonendynastien. Ptolemaios und seine Nachfolger aber blieben, obwohl sie versuchten, sich in die Linie der Pharaonen einzureihen, fremde Herrscher in Ägypten. Ein neuer Plan musste her, um die Ägypter von ihrer Legitimation zu überzeugen – und da kam ihnen der Leichnam Alexanders gerade recht.

Dafür allerdings musste der tote Herrscher noch ein weiteres Mal umziehen. Alexander selbst hatte nur wenige Jahre zuvor an der Mittelmeerküste die Stadt Alexandria gegründet, die zur neuen Metropole Ägyptens werden sollte. In dieser aufstrebenden neuen Stadt verquickten die Ptolemäer nun alt und neu. Ihr Herrscherpalast, direkt am Meer gelegen, wurde zugleich Tempel des in Ägypten als Gott verehrten Alexanders, sein Grabmal und ebenso die letzte Ruhestätte der neu etablierten Ptolemäerdynastie.

Von Herrscher zu Herrscher

Zumindest eines erreichten sie damit: Der Tempel- und Grabkomplex wurde zum Tourismusmagneten. Allerdings kamen die Pilger in den nun folgenden Jahrhunderten nicht wegen der toten Ptolemäer, sondern einzig und allein wegen Alexander. Der Römer Cäsar schaute später vorbei, ebenso wie Großneffe Augustus, der Begründer des römischen Kaiserreiches.

Jedes Mal holten die Ptolemäer brav den Leichnam Alexanders hervor, der in einem gläsernen Sarkophag zur Schau gestellt wurde. Ob er denn nicht auch die toten Ptolemäer sehen wollte, fragten die Priester damals Augustus, woraufhin der sie konsterniert anschnauzte, er sei gekommen, einen König zu sehen und keine Leichen.

Als Augustus den toten König aber mit einem Golddiadem und Blumen schmücken wollte, brach er Alexander versehentlich die Nase ab. Augustus sollte derweil nicht der letzte römische Kaiser bleiben, der dem Makedonenherrscher einen Besuch abstattete. Caligula klaute ihm den Brustpanzer aus dem Grab, Septimius Severus ließ es vorsichtshalber versiegeln und Caracalla wieder öffnen – um Geschenke auf dem Sarg abzulegen und sich fortan von seinen Schmeichlern selber mit "der Große" und "Alexander" anreden zu lassen.

Dann aber, im Laufe des 3. und 4. Jahrhunderts nach Christus, verlor die leuchtende Stadt Alexandria ihren Charme. Erdbeben, Feuersbrünste, Überflutungen und Eroberungen durch fremde Herrscher waren dafür verantwortlich. Die Besucher blieben aus und Johannes Chrysostomos, Bischof von Konstantinopel, fragte zu Beginn des 5. Jahrhunderts: "Sagt mir, wer kennt heute das Grab Alexanders des Großen?" Die Antwort blieb aus.

Auf der Jagd nach einer Legende

Heute ist das Entsetzen über die städteplanerische Schlamperei des 3. und 4. Jahrhunderts groß. Wie konnte einer der mächtigsten Männer der Welt einfach so verloren gehen? Mehr als 140 Suchkampagnen nach dem Grab des Makedonenherrschers hat die ägyptische Antikenverwaltung bisher gezählt – alle erfolglos.

Die Jagd nach dem Alexandergrab begann bereits im 19. Jahrhundert. Sogar Heinrich Schliemann, der Entdecker Trojas, bemühte sich um eine Grabungserlaubnis, die ihm die ägyptischen Behörden allerdings verweigerten. Damals vermuteten einige Gelehrte die Alexandergruft in der Nabi-Daniel-Moschee im Zentrum Alexandrias.

Das heutige Zentrum Alexandrias entspricht jedoch nicht mehr der Stadtmitte zu Zeiten der Ptolemäer, da große Teile des ehemaligen Straßenrasters mittlerweile auf dem Meeresgrund liegen – und mit ihnen möglicherweise auch die Ruhestätte Alexanders. Vielleicht aber auch nicht. Der französische Archäologe Jean-Yves Empereur verortet das Alexandergrab unter dem Lateinischen Friedhof der Stadt – für den es allerdings keine Grabungsgenehmigung gibt.

Im Jahr 2019 entdeckt die griechische Archäologin Calliope Limneos-Papakosta eine Marmorstatue des Makedonenherrschers in einer Parkanlage. Möglicherweise, mutmaßen wiederum andere Forscherinnen und Forscher, sind alle Bemühungen auch müßig und Alexander liegt gar nicht in Alexandria. So behauptet beispielsweise das griechische Ehepaar Liani und Manos Souvaltzi felsenfest, der Leichnam sei in der Oase Siwa zu suchen.

Alexander überall?

Etwas merkwürdig mutet allerdings deren Begründung an: Heilige hätten ihnen geholfen und sie zum wahren Ort gewiesen. Triantafyllos Papazois, pensionierter General der griechischen Armee, ist dagegen überzeugt, Alexander läge im makedonischen Vergina in dem Grab, das eigentlich seinem Vater Philip II. zugeschrieben wird, zusammen mit seiner Frau Roxane.

Und 2011 trat der britische Ingenieur Andrew Michael Chugg mit der These an die Öffentlichkeit, Alexander sei unter dem Markusdom in Venedig zu finden. Im 8. Jahrhundert, als der Handel mit Reliquien Schwung aufnahm, so seine Theorie, hätten zwei venezianische Kaufleute ihn in die Lagunenstadt geschafft in dem Glauben, die Gebeine des Heiligen Markus im Gepäck zu haben.

In gewisser Weise ist damit die alte Prophezeiung des Aristander heute aktueller denn je, wenn auch in leicht abgeänderter Form: Der Archäologe, der den Leichnam Alexanders des Großen findet, wird zum berühmtesten Vertreter dieser Disziplin überhaupt aufsteigen. Selbst der Fund des Tutanchamun – der vor seiner Entdeckung nur ein fast vergessener und völlig unbedeutender Pharao war – würde dahinter verblassen.

Verwendete Quellen
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