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Dschingis Khan: Lastet ein Fluch auf dem Grab des Welteroberers?


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Dschingis Khan
Dem Tod des Mongolenherrschers folgte ein gewaltiges Massaker

Von Angelika Franz

19.06.2022Lesedauer: 5 Min.
Schlachtszene mit Dschingis Khan: Der Legende nach mussten Tausende wegen der Geheimhaltung seines Grabes sterben.Vergrößern des Bildes
Schlachtszene mit Dschingis Khan: Der Legende nach mussten Tausende wegen der Geheimhaltung seines Grabes sterben. (Quelle: World History Archive)

Dschingis Khan errichtete ein Großreich, war gefürchtet für seine Grausamkeit. Bis heute suchen Forscher das Grab des berüchtigten Mongolenherrschers, das der Legende nach verflucht sein soll.

Die einzige Überlebende des großen Massakers, so erzählt es ein alter chinesischer Text, war eine Kamelstute. Alle anderen, die im Jahr 1227 am Begräbnis des Dschinghis Khan, des großen Herrschers der Mongolen, teilgenommen hatten, mussten sterben – damit niemand den Ort seiner letzten Ruhestätte verraten konnte.

Tausende Sklaven, die das Grab ausgehoben hatten, waren demnach tot. Alle Soldaten wiederum, die sie zum Schweigen gebracht hatten, waren ebenfalls tot. Auch das Kalb der Kamelstute war tot, vor ihren Augen geschlachtet am Grab des Mongolenherrschers. Sie selbst aber durfte der Legende nach weiterleben, um die Familie des Dschinghis Kahn an den geheimen Ort führen zu können.

Theorien gibt es allerlei

Erfüllt von Trauer um ihren Nachwuchs würde sie irgendwann zum Grab zurückkehren und so den engsten Familienangehörigen des Herrschers den Weg dorthin weisen. So weit die Überlieferung, die später auch der berühmte Handelsreisende Marco Polo aus Venedig am Hof von Kublai Khan hörte. Der wiederum ein Enkel Dschinghis Khans war und es bis zum Kaiser Chinas gebracht hatte.

Doch es kursierten auch durchaus andere Versionen. Ein Fluss sei umgeleitet worden, heißt es da beispielsweise, und durfte erst nach dem Begräbnis wieder in sein altes Bett – auf dessen Grund das Grab ausgehoben wurde – zurückkehren. Die Idee ist nicht neu: Ganz ähnliche Legenden rankten sich schon um die Bestattung des sumerischen Gottkönigs Gilgamesch, der zu Beginn des 3. Jahrtausends lebte.

Und auch der Anführer der Westgoten Alarich liegt angeblich seit seinem Tod im Jahr 410 im Flussbett des Busento bei Cosenza. Wieder andere Legenden erzählen von unzähligen Pferden, die über das Grab des Dschingis Khan getrieben worden sein sollen, damit ihre Hufe die Spuren verwischen, oder von einem Wald, der darauf gepflanzt wurde.

Gemein ist diesen Geschichten, dass der Mongolenherrscher großen Wert darauf legte, seine letzte Ruhestätte geheim zu halten. Bis heute sprechen die Mongolen tatsächlich, wenn sie das Grab Dschinghis Khans meinen, jedenfalls von Ikh Khorig – dem "Großen Tabu" – und Versuche von Archäologen, es zu finden, stoßen auf vehemente Proteste bei der Bevölkerung.

Bestens abgeschirmt für lange Zeit

An Versuchen von – meist ausländischen – Forschern mangelt es trotzdem nicht. Das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit ist die rund 240 Quadratkilometer große Ikh Khorig-Region im mongolischen Chentii-Aimag. Angeblich hat der Khan diese abgelegene Landschaft selbst als seinen letzten Ruheort bestimmt. Nach einem Jagdausflug nahe dem Berg Burchan Chaldun soll er im Schatten eines Baumes gesessen und gesagt haben: "Was für ein Ausblick! Begrabt mich hier, wenn ich gestorben bin!"

Den Berg kannte er nur allzu gut, unweit des Burchan Chaldun war Dschinghis Khan zur Welt gekommen. Und seit er in dem vertrauten Gelände einmal auf einer Verfolgungsjagd seinen Feinden entkommen konnte, opferte und bete er regelmäßig für "seinen" Berg. Der Zutritt zu der Region, die für die Grabsuche infrage kommt, und erst recht jede Art von archäologischer Tätigkeit dort waren jedenfalls noch bis weit in die 1980er-Jahre hinein strengstens verboten.

Erstmals bekam eine mongolisch-japanische Expedition 1989 die Erlaubnis, das Gebiet zu untersuchen – allerdings nur mit Ultraschall-Technologie. Das Team lokalisierte 1.380 mögliche Grabstätten, durfte aber keinen einzigen Spatenstich tun. Mitte der 1990er-Jahre folgte der amerikanische Rechtsanwalt, Goldhändler und Hobby-Archäologe Maury Kravitz.

In dem Bericht eines Jesuitenpaters wollte er Hinweise auf eben jene Stelle gefunden haben, an der Dschinghis Khan einst seine Ruhepause eingelegt hatte: am Zusammenfluss der Flüsse Cherlen und Bruchi mit dem Berg Burchan Chaldun hinter seiner rechten Schulter. Kravitz war kein ausgebildeter Archäologe, aber eine sehr schillernde Persönlichkeit – und zutiefst fasziniert von Dschinghis Khan.

Und dann war Schluss

Den Geburtsnamen des Mongolenherrschers, Temüjin, gab er seinem Segelboot und ließ ihn auch auf dem Nummernschild seines Privatwagens verewigen. Bei seinen ersten Expeditionen in die Region wurde Kravitz die Grabungslizenz noch versagt. Zehn Jahre später aber hatte er die mongolischen Behörden überzeugt – und durfte an der von ihm anvisierten Stätte graben.

Wissenschaftliche Schützenhilfe bekam Kravitz von dem Historiker John Woods von der University of Chicago. Das Team begann, einen Friedhof auf einem Hügel nahe der Stadt Batshireet auszugraben, den eine 3,2 Kilometer lange und drei bis vier Meter hohe Mauer von der Außenwelt abschirmt, die den vielversprechenden Namen "Mauer des Almosengebers" trägt.

Schnell wurde dem Treiben nach einem Besuch des damaligen mongolischen Premierministers jedoch ein Ende gesetzt, der sämtliche Arbeiten des Teams mit sofortiger Wirkung untersagte. Die Amerikaner, ließ der Minister verlauten, wären mit ihren Autos über die Heilige Stätte gefahren, hätten Ausgrabungsgebäude zu nahe an der Mauer errichtet und zu allem Überfluss auch noch geborgene menschliche Überreste respektlos in einfachen Kisten aufbewahrt.

Diese Fehler beging Albert Yo-Min Lin von der University of California in San Diego nicht. Er reiste nicht einmal in die Mongolei – sondern stellte im Juni 2010 zahlreiche hochauflösende Satellitenbilder online und forderte Freiwillige auf der ganzen Welt auf, alles zu markieren, was irgendwie auf Dschinghis Khan letzte Ruhestätte hindeuten könnte.

Die Resonanz war überwältigend. Innerhalb eines halben Jahres suchten 10.000 ehrenamtliche Helfer aus der ganzen Welt 6.000 Quadratkilometer ab und setzten in insgesamt 30.000 Arbeitsstunden rund 2,3 Millionen Markierungen. Am Ende filterte Yo-Min Lin daraus 55 vielversprechende Orte heraus und veröffentlichte sie in der Fachzeitschrift PLOS One. Untersucht wurden sie allerdings bis heute nicht näher.

Mit Drohnen auf der Suche

Auch der französische Archäologe Pierre-Henri Giscard und Raphaël Hautefort, Spezialist für wissenschaftliche Bildgebung, setzten keinen Spaten an, sondern überflogen 2015 und 2016 den Berg Burchan Chaldun mit einer Drohne. Dabei meinten sie, einen von Menschenhand geschaffenen 250 Meter langen Grabhügel auf dem Gipfel gesehen zu haben, der angeblich auch immer noch von der lokalen Bevölkerung als Pilgerstätte besucht würde.

Da die Expedition jedoch nicht genehmigt war, konnten Giscard und Hautefort die Bilder nie veröffentlichen. Vielleicht ist es auch gut, dass sämtliche Versuche, das Grab zu finden, bislang gescheitert sind. Denn sollte es jemals gefunden und geöffnet werden – so lautet eine andere Legende – würde es das Ende der Welt bedeuten. Ein ähnlicher Mythos rankte sich um das Grab des 1405 verstorbenen turko-mongolischen Herrschers Timurs, der wie Dschingis Khan große Gebiete erobert hatte.

Kurz nachdem sowjetische Archäologen Timurs im usbekischen Samarkand gelegenes Grab im Jahr 1941 geöffnet hatten, begann das sogenannte Unternehmen Barbarossa – Deutschland überfiel die Sowjetunion. So mächtig Dschingis Khan und Timur auch zu Lebzeiten gewesen sein mögen, ein Zusammenhang zwischen Graböffnung und den verbrecherischen Plänen Adolf Hitlers darf bezweifelt werden.

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