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Griechisches Feuer: Diese Geheimwaffe bewahrte Europa vor arabischen Eroberern


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"Als spuckten Monster Feuer"
Diese Geheimwaffe bewahrte Europa vor den arabischen Eroberern

Von Angelika Franz

23.05.2021Lesedauer: 4 Min.
Griechisches Feuer: Die Geheimwaffe war gefürchtet im Mittelalter.Vergrößern des Bildes
Griechisches Feuer: Die Geheimwaffe war gefürchtet im Mittelalter. (Quelle: Wikimedia/Codex Skylitzes Matritensis, Bibliteca Nacional de Madrid)

Immer wieder trotzte Byzanz seinen Gegnern mit Hilfe einer Superwaffe. Feindliche Schiffe verwandelte das sogenannte Griechische Feuer in Asche. Doch woraus bestand das Napalm der Antike?

Gewaltige Furcht hatte Kaiser Alexios I. (1057 – 1118) vor den Pisanern. Als er hörte, dass ihre gefürchtete Flotte Kurs auf seine Hauptstadt Byzanz nahm, "ließ er am Bug eines jeden Schiffes den Kopf eines Löwen oder anderen Tieres befestigen, gefertigt aus vergoldetem Messing oder Eisen, das Maul aufgerissen, sodass schon der Anblick fürchterlich war", berichtet seine Tochter, die Geschichtsschreiberin Anna Komnene. "Und das Feuer, das sich gegen die Feinde richten sollte, floss in Rohren durch die Mäuler der Biester, sodass es aussah, als spuckten die Löwen und anderen Monster Feuer."

Was Anna Komnene beschreibt, war eine der gefürchtetsten Waffen der Antike und des Mittelalters: das Griechische Feuer. Einmal entzündet brannte es immer weiter, selbst auf dem Wasser schwimmend verzehrten die Flammen noch alles, was ihnen zu nahe kam. Das Griechische Feuer galt als die Geheimwaffe der byzantinischen Kaiser – so geheim, dass bis heute nicht vollständig geklärt ist, woraus die gefährliche Mixtur eigentlich bestand.

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Kein Entkommen für die Invasoren

Erfunden hatte sie Kallinikos, ein Flüchtling aus Syrien, der vermutlich in den 60er oder frühen 70er Jahren des 7. Jahrhunderts nach Byzanz gekommen war. Und das gerade rechtzeitig, denn im Jahr 678 drohte ein arabisches Heer die Hauptstadt des Oströmischen Reiches zu erobern. Die feindliche Flotte war den Byzantinern zahlenmäßig weit überlegen. Siegesgewiss zogen die arabischen Schiffe schon in das Goldene Horn ein, als plötzlich ein Feuerregen über sie niederging.

Wer versuchte, sich mit einem Sprung von Bord zu retten, wurde selbst dort noch von den Flammen erfasst. Die Erfindung des Kallinikos hatte damit entscheidenden Einfluss auf die Geschichte Europas. Byzanz galt damals als Bollwerk Europas gegen den Osten. Wäre die Stadt gefallen, hätten die arabischen Truppen schon damals ungehindert weiter nach Europa vordringen können. Das Griechische Feuer gewährte noch einmal 800 Jahre Aufschub, bis das Osmanische Reich im 15. Jahrhundert seinen Siegeszug antreten sollte.

Statt als Held verehrt zu werden, geriet Kallinikos allerdings fast in Vergessenheit. Denn um der ganzen Geschichte etwas mehr Glanz zu verleihen, behauptete knapp 300 Jahre später Kaiser Konstantin Porphyrogennetos, ein Engel habe das Rezept seinem Namensvetter Konstantin dem Großen, dem ersten christlichen Kaiser, verraten. Es sei allerdings, warnte der Engel, nur für den Gebrauch von Christen gegen ihre Feinde bestimmt.

Das Wissen ist verloren

Das bekam angeblich ein General zu spüren, der das Geheimnis verkaufen wollte: Er wurde umgehend vom Blitz erschlagen, als er eine Kirche betrat. Die mahnende Legende zeigte offenbar Wirkung. Das Geheimnis des griechischen Feuers wurde so gut gehütet, dass das Wissen um seine Herstellung 1453 beim Einfall der Osmanen zusammen mit Byzanz unterging.

Selbst heutige Chemiker haben die Rezeptur bislang nicht vollständig rekonstruieren können. Lange galt in der Geschichtsforschung Salpeter – der Hauptbestandteil von Schwarzpulver – als wichtigste Zutat, denn Augenzeugen berichten von "Donner und Rauch" beim Beschuss mit Griechischem Feuer. Schwarzpulver aber wurde erst im 11. Jahrhundert in China erfunden, rund 400 Jahre nach der Entscheidungsschlacht am Goldenen Horn.

Auch Calciumoxid, das bei der Berührung mit Wasser explosionsartig Hitze freisetzt, stand im Verdacht, ein Bestandteil zu sein. Allerdings benötigte das Griechische Feuer gar kein Wasser, um seine tödliche Kraft zu entfachen – es brannte lediglich selbst dann noch weiter, wenn es mit Wasser in Berührung kam. Nur Sand, starker Essig oder alter Urin könne die Flammen löschen, berichten die Chronisten.

Zu komplex für Unwissende

Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass die byzantinische Wunderwaffe auf leicht entzündlichem Erdöl oder Asphalt basierte, das aus natürlichen Quellen am Schwarzen Meer gewonnen wurde. Beigemischte Harze sorgten dafür, dass die Mixtur heißer und länger brannte. Das wahre Geheimnis aber lag wohl in der Kombination aus der brennbaren Substanz und dem Spritzmechanismus, der in den mittelalterlichen Quellen als Siphon bezeichnet wird.

So wie ein Gewehr ohne Kugel nutzlos ist und eine Kugel ohne Gewehr ebenfalls keinen Schaden anrichten kann, machte wohl erst die korrekte Anwendung eines Siphons das Griechische Feuer so gefährlich. Wer die komplexe Apparatur bedienen wollte, musste zuvor eine spezielle Ausbildung durchlaufen.

Nicht immer waren die Mündungen der Siphone so aufwendig verziert wie von der Kaisertochter Anna Komnene beschrieben – meist wird es sich um einfache Rohre gehandelt haben, die aus dem Bug und den Seiten der byzantinischen Kriegsschiffe, Dromonen genannt, herausragten. Die Dromone war eine Weiterentwicklung der griechischen Triere, bis zu 50 Meter lang, mit rund 300 Mann besetzt und bis zu 7 Knoten schnell.

Was man von außen allerdings nicht sehen konnte, waren die Feuerbecken im Inneren, in denen das Griechische Feuer auf Betriebstemperatur gebracht wurde. Über ein Pumpsystem gelangte es von dort zu den Siphonen, die vermutlich mit einen Zündmechanismus ausgestattet waren.

Wie komplex die gesamte Apparatur gewesen sein muss, zeigt die Verwirrung der Bulgaren, als ihnen im Jahr 814 nach der Eroberung der byzantinischen Städte Mesembrias und Deultums 36 Siphone und einige Kartuschen Griechischen Feuers in die Hände fielen: Trotz allen Bemühens gelang es ihnen nicht, die Wunderwaffe der byzantinischen Kaiser zum Feuerspucken zu bringen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • John Haldon: "Greek fire" revisited: Recent and current research, 2006
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