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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Edward VIII. und Wallis Simpson Für diese Frau gab Großbritanniens König alles auf
Es war die größte Krise der britischen Monarchie im 20. Jahrhundert: 1936 dankte König Edward VIII. aus Liebe zur Amerikanerin Wallis Simpson ab. Bietet ihre Geschichte Parallelen zu Harry und Meghan?
Der 20. Januar 1936 ist der schlimmste Tag im Leben des britischen Thronfolgers Edward. Nicht weil sein Vater, König Georg V., stirbt. Nicht, weil Edward nun als Herrscher Verantwortung für Großbritannien und sein weltumspannendes Kolonialreich tragen wird. Nein, Edward ist lediglich verliebt. Unsterblich. Allerdings in die falsche Frau. So reagiert Edward eigenwillig, als ihm seine Mutter, Königin Mary, nach dem Tod des Vaters die Hand küsst: Ihm kommen die Tränen, er lässt ihnen freien Lauf.
Wallis Simpson heißt die Angebetete des neuen Monarchen und Oberhaupts der Kirche von England. "Du bist mein Ein und Alles im Leben", hat Edward ihr bereits gestanden. Als Auserwählte des neuen Monarchen ist sie aber all das, was britische Gesellschaft, Politik und Klerus in dieser Zeit nicht gutheißen: Simpson ist Amerikanerin, bereits einmal geschieden und auch während ihrer Liaison mit dem Windsor in zweiter Ehe mit einem Geschäftsmann verheiratet. Dazu gilt sie mit gut 40 auch nicht mehr als jung. Ein Herrscher braucht aber Kinder.
Einem Thronfolger wird die Beziehung zu einer solchen Frau traditionell nachgesehen. Doch eine Ehe, wie sie der zukünftige König mit Simpson einzugehen trachtet: unmöglich.
Auf dem Weg in den Krieg
1930 war sich das zukünftige Paar erstmals begegnet: Edward, mit gutem Aussehen und reichlich Charme gesegnet, allerdings nicht sonderlich an den eher veranwortungsträchtigeren Aspekten seiner Stellung interessiert. Dazu die charismatische Simpson, 1896 in Pennsylvania geboren, die viele Jahre lang an ihrem Aufstieg in bessere Kreise gearbeitet hatte. Wozu auch die Änderung ihres ursprünglichen Vornamens Bessie gehörte, der ihr zu gewöhnlich erschien.
Die Verantwortung als König, so hofften Edwards Familie, die Regierung und konservative Kreise, würde ihn schon zur Räson bringen. Und die dringend gebotene Trennung von Simpson in die Wege leiten. Als der Windsor, in Familienkreisen "David" genannt, allerdings zum neuen König von Großbritannien und Nordirland ausgerufen wird, zerplatzen diese Hoffnungen: Edward hat Simpsons Anwesenheit bei der Zeremonie gewünscht. Zehn Monate soll er nun als Edward VIII. regieren.
Eine Zeit, in der vor allem das Liebesleben des Monarchen die britische Politik beschäftigt. Und die viel dringender jenseits des Kanals gefragt ist: Am 7. März 1936 marschieren deutsche Truppen in das entmilitarisierte Rheinland ein. Die Westmächte nehmen diesen Vertragsbruch hin, Adolf Hitler fühlt sich bestärkt. Spanien wird ab Sommer des Jahres zum Bürgerkriegsland, die Truppen der demokratischen Republik kämpfen gegen Putschisten unter General Francisco Franco. Und in Ostafrika wehrt sich das Kaiserreich Abessinien bis Mai immer noch gegen die italienischen Invasoren.
Durch Sex verführt?
In Großbritannien ringt Edward VIII. hingegen darum, endlich die Amerikanerin heiraten zu dürfen. Zahlreiche Gerüchte kursieren um Wallis Simpson, die ins Visier des britischen und amerikanischen Geheimdienstes geraten ist: Wie gut etwa ist ihre Bekanntschaft mit dem deutschen Botschafter in London?
Die alles entscheidende Frage ist für viele Zeitgenossen aber eine andere: Warum nur ist Edward dieser Frau derart verfallen? Böse Nachrede kursiert, nichts ist heilig: So soll Simpson etwa in asiatischen Bordellen sexuelle Praktiken erlernt haben, denen der Thronfolger hemmungslos erlegen sei, lautete eine Mutmaßung. Eine andere, dass Edward sich unter dem Einfluss von Hypnose befände. Eine Hexe sei Simpson, war ein weiterer Ansatz.
Vielleicht trifft auch eine andere, weit romantischere, Erklärung zu. "Intellektuelle Gefährten" seien Edward und Simpson gewesen, so Walter Monckton, ein alter Freund des Königs, gar eine "spirituelle Gemeinschaft". Verständlich, dass Edward die Heirat anstrebte. Auch nachdem sein Vorschlag, eine sogenannte "morganatische Heirat" (diese schlossen Erb- und Thronansprüche in der Regel aus), keine Berücksichtigung findet. Die Regierung unter dem konservativen Stanley Baldwin ist strikt dagegen.
"Seine Süße zu heiraten?"
Zumindest moralische Rückendeckung erhält der Verliebte bei einem Mann: Winston Churchill. "Warum sollte es dem König nicht erlaubt werden, seine Süße zu heiraten?", will der Mann wissen, der Hitler ein paar Jahre später in seiner Funktion als britischer Premier erfolgreich die Stirn bieten wird.
Ohne weitere Unterstützung wendet sich Edward VIII. schließlich per Radio am 10. Dezember 1936 an die britische Nation. Mit einem Schritt, von dem ihm selbst seine geliebte Wallis Simpson abgeraten hat. Der König spricht vor Millionen Hörern von "schwerer Verantwortung", von "Pflichten als König", die er ohne die "Hilfe und Unterstützung der Frau", die er "liebe", nicht erfüllen könne. Kurz gesagt: Edward VIII. dankt ab, einen Tag später wird die Demission gültig. "Gott schütze den König", endet der Ex-Monarch. Die Geschicke des Landes liegen nun in Händen seines jüngeren Bruders Albert, "Bertie" genannt. Als Georg VI., ist er unter anderem Vater der zukünftigen Queen Elizabeth II.
Am 10. Dezember steht Großbritannien zunächst aber erst einmal unter Schock, plötzlich befindet sich die Monarchie in einer ungeahnten Krise: Viele Briten wussten nichts von der Beziehung ihres Herrschers mit der Amerikanerin, weil die britische Presse aus Pietät nicht darüber berichtet hat. Eingeweihte sind aber nicht minder geschockt. "Dafür alles aufzugeben!!!!", notiert Queen Mary verbittert. Edward sei "der dritte Kumpel einer amerikanischen Landstreicherin" geworden, spottet Premier Baldwin.
Aus der Heimat verbannt
Als Paria wird das Paar zukünftig behandelt. Edward, nun nur noch Herzog von Windsor, verlässt ebenso wie Simpson das Land, in Frankreich geben sie sich am 3. Juni 1937 das langersehnte Ja-Wort. Heim nach England darf Edward nur noch auf Einladung, Simpson "genießt" die ungeteilte Antipathie der britischen Royals, ihr Name ist tabu. Als "diese Frau" tituliert sie etwa Elizabeth Bowes-Lyon, besser bekannt als "Queen Mum", zeitlebens.
Eine Rückkehr hält Edward aber nicht für ausgeschlossen, allerdings keine friedliche. Seit der Eheschließung führt das finanziell gut ausgestattete Paar ein Jet-Set-Leben mit vielen Reisen. Die Edward von Windsor und Wallis Simpson 1937 nach Deutschland bringen: Zum Besuch bei Adolf Hitler, Rudolf Heß und Joseph Goebbels. Beide sind gebührend beeindruckt vom Nazi-Mummenschanz und machen aus ihrer Bewunderung für den Nationalsozialismus keinen Hehl. Nach Kriegsausbruch erhofft sich Edward später im Falle einer Niederlage Großbritanniens eine Rückkehr auf den Thron: als Statthalter von Hitlers Gnaden.
Im Krieg erweist sich, dass Edwards Thronverzicht nur gut für Großbritannien war. George VI. wächst im Amt, aus dem zurückhaltenden Mann, der unter Stottern leidet, wird ein anerkannter und bewunderter König, hinter dem sich das Land schart. Edward ist in dieser Zeit weit, weit weg vom europäischen Kriegsgeschehen. Churchill, sein alter Unterstützer, hat ihn mit der Berufung zum Gouverneur der Bahamas aus dem Verkehr gezogen.
Nach Kriegsende vertreibt sich das glamouröse Paar das Leben wieder mit Reisen und allerlei anderen High-Society-Tätigkeiten. Und auch die Beziehungen zu den Royals normalisieren sich zumindest ein wenig. So kommt es 1965 zu einem Zusammentreffen zwischen Edward und seiner Nichte Elizabeth, die das Königreich seit 1952 regiert. 1972 stirbt Edward von Windsor, der der Liebe wegen dem Thron entsagt hatte, schließlich in Paris. Wallis Simpsons folgt ihm 14 Jahre später.
Beerdigt sind beide auf britischem Boden – auf dem Gelände von Schloss Windsor. Dass Edwards Herrschaft nicht von Glück und Erfolg gekrönt sein würde, hatte sein Vater George V. wohl bereits geahnt: "Der Junge", so vermutete der König, werde sich "innerhalb eines Jahres ruinieren."
Edward und Wallis Simpson, Harry und Meghan: Vor allem in britischen Medien werden immer wieder Vergleiche zwischen beiden royalen Beziehungen gezogen. Doch die unterschiedlichen Geschichten der Paare sind nicht zu vergleichen. Während Edward VIII. tatsächlich herrschte, ist Prinz Harry Sechster in der britischen Thronfolge. Und auch die gesellschaftlichen Konventionen sind heute andere: So ist eine Wiederverheiratung kein Skandal mehr, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall gewesen ist.
- Bettina Mussall; Eva-Maria Schnurr: Englands Krone: Die britische Monarchie im Wandel der Zeit, 2015
- Spiegel: Zwei Herzen, keine Krone
- Deutschlandfunk: Edward VIII: „... die Frau, die ich liebe“