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Älteste Flaschenpost der Welt: Darum ließ sie ein Forscher ins Meer werfen


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Älteste Flaschenpost der Welt
Darum schickte ein Forscher Tausende Flaschen auf die Reise


18.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Zufallsfund: Die älteste Flaschenpost der Welt wurde in Australien von einer Spaziergängerin entdeckt.Vergrößern des Bildes
Zufallsfund: Die älteste Flaschenpost der Welt wurde in Australien von einer Spaziergängerin entdeckt. (Quelle: WA Museum/dpa)

132 Jahre blieb die älteste Flaschenpost der Welt unentdeckt. Bis sie vor Kurzem an einem australischen Strand entdeckt wurde. Die Botschaft war einst Teil eines großen Forschungsprojekts.

Die Meeresströmungen sind die Freunde der Seefahrer. Auf ihnen gelangen sie sicher und berechenbar von Kontinent zu Kontinent. Doch während Landwege leicht kartiert werden können, eingebettet in Merkmale wie hohe Berge und lange Flüsse, gleichen sich die Landschaften entlang der Wasserstraßen optisch wie ein Ei dem anderen: Wasser, so weit das Auge reicht. Im Jahr 1864 begann der Ozeanforscher Georg von Neumayer darum ein ambitioniertes Projekt.

Es müsse doch möglich sein, diese Meeresströmungen sichtbar zu machen – eine Karte zu zeichnen, an der Seefahrer sich ebenso orientieren könnten wie ein Kutscher auf dem Weg über Land an einer Straßenkarte.
Dazu brauchte von Neumayer Helfer: Tausende unbestechlicher Kuriere, die er losschicken konnte, um die Strömungen auszukundschaften. Er rekrutierte ein Heer von Flaschen. 6.500 Exemplare wurden in seinem Auftrag hinaus auf die sieben Weltmeere geschickt, von 1864 bis 1933, lange noch nachdem er selber im Jahr 1903 bereits verstorben war.

Nachricht aus Australien

Sie enthielten ein vorbereitetes Formular, darauf standen das Datum und der Ort ihres Reisebeginns. Auf die Rückseite ließ von Neumayer eine Aufforderung an den Finder der Flasche drucken, das Formular ergänzt durch die Position der Fundstelle an die Deutsche Seewarte in Hamburg zurückzusenden. Seine Helfer: die Kapitäne der deutschen Handelsflotte. Ihnen drückte er die Zettel in die Hand und gab ihnen den Auftrag, sie versiegelt in leeren Flaschen an bestimmten Stellen ihrer Route über Bord zu werfen.

Die Deutsche Seewarte gibt es heute nicht mehr, an ihrem prominenten ehemaligen Sitz hoch über dem Hamburger Hafen steht heute die Jugendherberge am Stintfang. Ein paar Hundert Meter weiter aber residiert das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), der rechtmäßige Nachfolger der Seewarte. Und dort ging vergangenen Monat die Nachricht ein, dass eines von Neumayers Formularen gefunden wurde – 132 Jahre, nachdem es auf den Weg geschickt worden war.

Am 12. Juni 1886 hatte es der Kapitän der Barke "Paula" namens O. Diekmann gut gesichert in einer leeren Ginflasche bei 32° 49’ Breite Süd und 105° 25’ Länge Greenwich Ost in den Indischen Ozean geworfen. Gefunden hatte es die Australierin Tonya Illman am Strand von Wegde Island, 180 Kilometer nördlich der Stadt Perth auf einem Spaziergang.

Flasche über Bord

Die ungewöhnliche Flasche hatte ihr gefallen. Tonya Illman sammelte sie auf, zu Hause sollte sie sich gut als Dekoration in ihrem Bücherregal machen. Doch als dann die Freundin ihres Sohnes den Sand herausschütteln wollte, glitt ihr eine feuchte Papierrolle entgegen. Illman trocknete das fragile Schriftstück im Ofen. Erst dann konnte sie es auseinanderrollen und sah die verblichene Schrift.

"Diese Flasche wurde über Bord geworfen", stand da in altmodischen Druckbuchstaben. "Der Finder wird ersucht den darin befindlichen Zettel, nachdem die auf umstehender Seite gewünschten Angaben vervollständigt sind, an die Deutsche Seewarte in Hamburg zu senden oder auch an das nächste Konsulat zur Beförderung an jene Behörde abzugeben." Verstehen konnte Illmann den deutschen Text nicht. Aber schnell war klar: Dies war kein Hilferuf eines Gestrandeten von einer einsamen Insel, sondern ein altes wissenschaftliches Experiment.

Die Familie wandte sich an das Western Australian Museum, die dortigen Mitarbeiter kontaktierten wiederum umgehend das Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Ja, konnte man dort bestätigen, die Flaschenpost stammte tatsächlich von Neumayers Experiment. Allerdings gab es keinen Mitarbeiter mehr, der sich noch an den Eingang der letzten Flasche hätte erinnern können – diese war am 7. Januar 1934 am Strand von Dänemark gefunden worden.

Begraben für Jahrzehnte

Vermutlich war auch die Flaschenpost von Wedge Island nur wenige Monate mit der Strömung geschwommen, bevor sie an der australischen Westküste an Land gespült wurde. Dort schlummerte sie jahrzehntelang unter den Sanddünen, bis ein heftiger Februarsturm sie freispülte – und Tonya Illmann kurz darauf ihren Spaziergang machte.

An der Echtheit des Formulars könne es jedenfalls keinen Zweifel geben, bestätigte das BSH den Australiern. In den Archiven des Deutschen Wetterdienstes habe man das Meteorologische Tagebuch der "Paula" lokalisieren können. Und darin findet sich für den 12. Juni 1886 mit den Daten 32° 49’ Breite Süd und 105° 25’ Länge Greenwich Ost tatsächlich ein Eintrag: "Stromflasche über Bord". Ein Vergleich der Handschriften im Meteorologischen Tagebuch der "Paula" und auf dem Formular ergab, dass beide Einträge von ein und derselben Person gemacht wurden: O. Diekmann.

Auch die Ginflasche ist authentisch. Die viereckige Flasche aus dunkelgrünem Glas trägt auf einer Seite den Stempel "DANIEL VISSER & ZONEN/ SCHIEDAM". Das südholländische Schiedam war vom 16. Jahrundert bis etwa 1890 Heimat besonders vieler Schnapsbrennereien. Seine charakteristischen, sogenannten "Kellerflaschen", die man wegen ihrer eckigen Form so gut stapeln konnte, wurden von hier aus gefüllt mit Gin, Genever und Schnaps hinaus in die gesamte Welt exportiert.

6.500 Flaschen leer getrunken

Vermutlich leerte Kapitän Diekmann den Schiedamer Gin zuvor gemeinsam mit seinen Offizieren. Denn wenn von Neumayer den Handelsschiffern zusammen mit den vorgedruckten Formularen auch die Flaschen mitgegeben hätte, wäre bei 6.500 zu leerenden Ginflaschen an der damals neu gegründeten Deutschen Seewarte kaum Arbeit möglich gewesen.

Georg von Neumayer jedenfalls hätte sich über den jüngsten Fund gefreut. Von seinen ursprünglich 6.500 Botschaften kamen 632 zurück, die Meldung von Wedge Island ist Nummer 633. Das waren zwar nicht einmal zehn Prozent aller Flaschen. Aber aus dem Gewirr von Pfeilen, mit denen von Neumayer und später seine Nachfolger auf einer Karte ihre Aussetzungsorte und ihre Fundorte verbanden, trat langsam eine Straßenkarte der Meeresströmungen hervor – so wie der Forscher es sich erhofft hatte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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