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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Letzte öffentliche Hinrichtung in Frankreich Deutscher Serienmörder wurde 1939 enthauptet
Rund 10.000 Schaulustige waren zur Hinrichtung nach Versailles gekommen. Vor allem Frauen drängelten sich um die Guillotine vor dem Gefängnis Saint-Pierre, auf der am 17. Juni 1939 um 4.32 Uhr Eugen Weidmann enthauptet wurde. Der 31 Jahre alte Deutsche sollte sechs Morde begangen haben.
Kurz nachdem das sieben Kilogramm schwere Fallbeil fiel, knallten die ersten Champagnerkorken. Wie Augenzeugen berichteten, tauchten einige Frauen am Fuß der Guillotine sogar ihre Taschentücher in das Blut des charmanten Serienmörders. Weidmann war der letzte Todeskandidat, der in Frankreich öffentlich hingerichtet wurde - vor 75 Jahren. Die Presse schrieb von einem volksfestartigen Ereignis und von Hysterie.
Liebesbriefe für den sechsfachen Mörder
Weidmann kam 1937 nach Frankreich. Juristisch war der Frauenheld, den einige mit dem Schauspieler Clark Gable verglichen, kein unbeschriebenes Blatt mehr. Er saß wegen kleinerer Delikte bereits in Kanada und Deutschland im Gefängnis. In Paris jedoch wurde er zum sechsfachen Mörder. Er würgte und erstach, weil er an das Geld seiner Opfer wollte. Bereits der Prozess des Dandys sorgte für Medien-Aufsehen. Frauen reagierten auf sein Auftreten mit Hysterie. Noch im Gefängnis soll er stapelweise Liebesbriefe erhalten haben.
Trotz eines Verbots wurde die Enthauptung fotografiert und gefilmt. Die Bilder gingen damals um die ganze Welt. Im Internet kursiert sogar ein Auszug aus einem der Amateurfilme. Die Hinrichtungsszene in dem Film "Mathilde - eine große Liebe" (2004) mit der Französin Marion Cotillard in der Hauptrolle lehnt sich an Weidmanns Vollstreckung an.
Todesstrafe ganz abgeschafft
Premierminister Édouard Daladier war über die volksfestartigen und hysterischen Szenen schockiert. Die Vollstreckung fand wenige Monate vor Kriegsausbruch statt, und der Politiker fürchtete um das Bild Frankreichs.
Kurzerhand verordnete er am 24. Juni ein Gesetz, das öffentliche Hinrichtungen verbot. Mit Weidmann ging in Frankreich damit eine 150 Jahre alte Tradition zu Ende. Von nun an fiel das Fallbeil unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Marseiller Gefängnis Les Baumettes gab es am 10. September 1977 die letzte Hinrichtung durch die Guillotine. Vier Jahre später wurde unter dem inzwischen verstorbenen sozialistischen Präsidenten François Mitterrand die Todesstrafe ganz abgeschafft.
Guillotine als humane Tötungsmaschine
Während in Italien bereits im 13. Jahrhundert mit einer guillotineähnlichen Maschine geköpft wurde, tauchte der Köpfapparat in Frankreich erst in der Zeit der Französischen Revolution auf. Die Idee geht auf den französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin zurück, der damit die existierenden grausamen Hinrichtungsarten abschaffen wollte, darunter auch das Rädern.
Auch Charles Henri Sanson, Frankreichs bekanntester Henker, wollte ein schnelleres und vor allem saubereres Arbeiten. Das würde die Scharfrichter auch nicht mehr so schnell ermüden. Zudem müsste der Delinquent weniger leiden.
Und so war es auch Sanson, der bei dem in Paris ansässigen deutschen Klavierbauer Tobias Schmidt die erste Guillotine in Auftrag gab. Am 20. März 1792 führte sie die Französische Nationalversammlung als einziges Hinrichtungswerkzeug ein. Knapp fünf Wochen später kam dies erstmals an dem Straßenräuber Nicolas Jacques Pelletier öffentlich zum Einsatz.
Über die Enthauptung am 25. April 1792 auf dem Place de Grève, heute Place l'Hôtel-de-Ville, schrieb die Literaturzeitschrift Chronique de Paris am Folgetag: "Diese Maschine ist den anderen Bestrafungsarten zu Recht vorgezogen worden: Sie befleckt nicht die Hand des Menschen mit einem Mord an seinesgleichen, und die Geschwindigkeit, mit der sie den Schuldigen trifft, entspricht eher dem Geist des Gesetzes, das oft streng sein kann, aber niemals grausam sein darf."