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Ukraine-Krieg: Das trifft Putin ins Mark


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Krieg in der Ukraine
Das trifft Putin ins Mark


Aktualisiert am 20.09.2024Lesedauer: 5 Min.
Ein russischer Soldat in der Region Kursk: Trotz Truppenverlegungen konnte Russland die ukrainische Armee in der Region bislang nicht zurückschlagen.Vergrößern des Bildes
Ein russischer Soldat in der Region Kursk: Trotz Truppenverlegungen konnte Russland die ukrainische Armee in der Region bislang nicht zurückschlagen. (Quelle: IMAGO/Sergey Bobylev/imago-images-bilder)

Russland verliert bei einem ukrainischen Drohnenangriff ein wichtiges Munitionslager und auch im Donbass kommt der russische Vormarsch ins Stocken. Wladimir Putin erlebt aktuell folgenschwere Rückschläge. Ein Überblick.

Ein riesiger Feuerball erhellt in der Nacht zu Mittwoch den russischen Nachthimmel: Ein ukrainischer Drohnenschwarm hat sich auf ein Munitionsdepot der russischen Armee in der Nähe der Kleinstadt Toropez in Westrussland gestürzt. Explosionen, eine massive Druckwelle und ein großer Feuerpilz wächst langsam in Richtung Himmel. Die Bilder des Feuers sind aus dem Weltall zu sehen, die Seismografen von Erdbeben-Überwachungsstationen messen teilweise Erschütterungen von 2,8 auf der Richterskala.

Video | Enorme Explosion nach ukrainischem Drohnenangriff
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Quelle: t-online

Es sind wahrscheinlich die größten materiellen Verluste, die Wladimir Putin in diesem Krieg auf einen Schlag hinnehmen musste, schätzen westliche Militärexperten. Der Kreml erklärte zwar am Mittwoch, dass alle ukrainischen Drohnen von der Luftverteidigung abgeschossen wurden.

Doch die Bilder in den sozialen Netzwerken zeigen, dass einige Kamikazedrohnen ihr Ziel gefunden haben müssen. In dem Depot sollen auch Raketen und Artilleriemunition gelagert worden sein; allein eine Iskander-Rakete zum Beispiel kann in der Produktion bis zu zwei Millionen Euro kosten.

Für Putin ist es ein herber Rückschlag, der den Kreml ins Mark trifft. Die russische Armee schafft es vorerst nicht, ihre operativen Ziele in der südrussischen Provinz Kursk zu erreichen und die ukrainischen Truppen zurückzudrängen.

Gleichzeitig ist auch der russische Vorstoß im Donbass in Stocken geraten: Putins Truppen sitzen derzeit in der Falle und erleiden täglich sehr hohe Verluste. Die Lage für die Ukraine ist zwar immer noch heikel. Momentan aber hat sie die russische Armee dort, wo die Militärführung in Kiew sie haben möchte.

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Kiew folgt einer Abnutzungsstrategie

Doch welche Strategie verfolgt eigentlich die Ukraine? Kiew sieht natürlich, dass Russland über größere personelle Kapazitäten, über mehr Munition und militärisches Gerät verfügt. Erschwerend kommt hinzu, dass die ukrainische Armee laut Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht ausreichend Waffen, Gerät und Munition aus dem Westen bekommt, um ihre ausgebildeten Brigaden zu bewaffnen.

Während Putin also immer wieder – und unter hohen Verlusten – Menschenwellen gegen die Front wirft, muss die ukrainische Armeeführung die Schlachtfelder so wählen, dass das Abnutzungsverhältnis möglichst gut für die Ukraine ist. Das bedeutet: Die ukrainische Armee kämpft dort, wo sie möglichst viele russische Invasoren ausschalten kann und gleichzeitig wenig eigene Kräfte und Gerät verliert.

Ebendieser Plan geht für den Moment auf – in der russischen Region Kursk und im Osten der Ukraine. Auch wenn die russische Armee im Donbass die Initiative besitzt – also in der Offensive ist – haben sich die ukrainischen Verbände an eine Linie zurückgezogen, die sich zumindest gut verteidigen lässt.

Der ukrainische Plan hat eigentlich kaum Alternativen, ist allerdings auch nicht ohne Risiko.

Denn die russische Armee rückt auf Pokrowsk vor, hat die Stadt mittlerweile in Artilleriereichweite. Die ukrainische Armee hatte viele Dörfer und einige kleine Städte östlich von Pokrowsk gar nicht mehr verteidigt, um sich an die gut ausgebaute Verteidigungslinie zurückzuziehen – die letzte in Donezk. Sollte Russland Pokrowsk und vor allem die Verbindungsstraße zwischen der Stadt und Kramatorsk erobern, ist es wahrscheinlich, dass Putins Truppen die Oblast Donezk komplett besetzen können.

Aber so weit ist es noch lange nicht. In Pokrowsk lebten vor Ausbruch des Kriegs bis zu 60.000 Menschen – ein Großteil von ihnen ist von der ukrainischen Armee evakuiert worden. Die Stadt könnte für Russland ein größerer Fleischwolf werden als Bachmut. Schon in der aktuellen Position soll Russland laut den Angaben westlicher Geheimdienste im gesamten Krieg täglich mehr als 1.100 Soldaten verlieren – ein horrender Blutzoll, den Moskau zahlt. Freilich wäre ein russischer Durchbruch für die Ukraine fatal. Für den Moment ist die Ukraine strategisch in einer guten Position, wenn sie ausreichend Nachschub an Material und Munition organisieren kann.

Außerdem wird es für Russland im Herbst nicht einfacher werden. Es droht in vier bis sechs Wochen erneut in diesem Krieg die herbstliche Matschphase – die "Rasputiza" –, die es allen angreifenden Parteien wahrscheinlich deutlich schwieriger machen wird. Putin läuft die Zeit davon, wenn er schnelle operative Erfolge erreichen möchte.

Pattsituation in Kursk

Das ist womöglich auch der Grund, warum der russische Präsident das Ziel vorgegeben hat, bis zum Oktober die Provinz Kursk zurückzuerobern. Auch dieses Ziel ist kaum zu erreichen. Zwar ist des der russischen Militärführung gelungen, Truppenverbände an die neue Front in Südrussland heranzuführen, und das Kraftverhältnis in der Region soll mittlerweile relativ ausgeglichen sein.

Aber bislang brachte die russische Gegenoffensive in Kursk kaum Geländegewinne für Russland, obwohl Putin teilweise Elitetruppen in der Region einsetzt. Anfang August begann die ukrainische Kursk-Offensive und die Ukrainer hatten nun viele Wochen Zeit, um Stellungen zu befestigen. Die drohende Schlammphase könnte es der ukrainischen Armee auch dort einfacher machen, das gewonnene Gelände zu verteidigen.

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Auch in Südrussland stimmt aus ukrainischer Perspektive das Verhältnis zwischen ukrainischen und russischen Verlusten. Der ukrainische Vorstoß ist außerdem aus politischen Gründen ein Ärgernis für Putin. Immerhin ist es das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass russisches Staatsgebiet von einer fremden Armee besetzt ist. Das ist ein Stachel in Putins Fleisch, der in naher Zukunft wahrscheinlich nicht verschwinden wird.

Es war letztlich auch der innenpolitische Druck, der Moskau dazu veranlasst hat, eigene Verbände auch von anderen Frontabschnitten nach Südrussland zu verlegen. Wenn also Selenskyj sagt, dass in Kursk "alles nach Plan" laufe, ist das für den Moment nachvollziehbar. Entscheidend wird aber sein, dass die ukrainischen Truppen ihre Stellungen in Kursk noch bis zur "Rasputiza" halten, um dann wiederum das besetzte Gelände besser befestigen zu können, wenn die russischen Angriffe wetterbedingt nachlassen.

Argumente für weitere Lieferungen aus dem Westen

Es sieht für die Ukraine also nicht so düster aus, wie es in den vergangenen Wochen gelegentlich den Anschein hatte. Kiew steht auch weiterhin unter Druck, ist vor allem von weiteren Hilfspaketen aus den USA abhängig. Aber es sind eben diese operativen Erfolge, die Selenskyj wahrscheinlich in Washington Ende September präsentieren möchte, um US-Präsident Joe Biden davon zu überzeugen, dass sich weitere US-Investitionen lohnen.

Neben der Minimierung an eigenen Verlusten an den zwei zentralen Frontabschnitten macht die Ukraine wiederum auch mit Angriffen auf Munitionsdepots wie in Toropez klar, dass sie effektiv russische Flugplätze, militärische Einrichtungen und Depots bekämpfen kann. Das bietet Selenskyj ein zusätzliches Argument dafür, dass seine westlichen Unterstützer die Beschränkung ihrer Waffen aufgeben, damit die Ukraine diese auch weiter im Landesinneren von Russland einsetzen kann.

Die ukrainischen Angriffe zeigen zudem, dass sich das angegriffene Land – gemessen an seinen Möglichkeiten – insbesondere in der Drohnenentwicklung stets verbessert. Die Ukraine ist in der Lage, immer regelmäßiger ganze Schwärme von Kamikazedrohnen in Richtung Russland zu schicken.

Selbst wenn die russische Luftverteidigung viele davon abschießen kann, ist das für Moskau ein Verlustgeschäft, denn Abfangraketen sind teurer als Drohnen. Für Putin werden also auch die Drohnen zunehmend zum Problem werden – wirtschaftlich und militärisch.

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