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US-Kommission warnt vor Putin: Zwei Atomkriege?


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US-Report warnt vor Atomkrieg
"Wenigstens eine Bombe"


Aktualisiert am 17.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Vor wenigen Tagen absolvierte Wladimir Putin eine seltene Auslandsreise. Er besuchte Kirgisistan. (Quelle: IMAGO/Pavel Bednyakov)
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Eine US-Kommission warnt vor einem Atomkrieg mit Russland und China. Wladimir Putin wiegelt ab. Dabei läuft die Kremlpropaganda schon auf Hochtouren.

Der russische Machthaber Wladimir Putin hat sich in einem Interview zu einem möglichen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika auf der einen Seite und Russland und China auf der anderen Seite geäußert. "Wir bereiten uns auf den Krieg vor, aber wir wollen Frieden", sagte der 71-jährige Despot in der Sendung "Moskau. Kreml. Putin".

Putin kommentierte im Gespräch mit dem russischen Propagandisten Pawel Zarubin die Empfehlung eines überparteilichen Gremiums des US-Kongresses (Congressional Commission on the Strategic Posture of the United States), sich auf einen Zweifrontenkrieg vorzubereiten.

Die US-Kommission hatte am Donnerstag einen Report vorgelegt und darin dafür plädiert, dass die USA in ihren militärstrategischen Überlegungen einen Krieg mit den nuklearen Großmächten Russland und China in Erwägung ziehen müssten. Hintergrund der Überlegungen ist unter anderem die immer engere Kooperation zwischen China und Russland seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs.

Die Kommission empfiehlt der US-Regierung daher, die konventionellen Streitkräfte der USA weiter auszubauen, die strategischen Allianzen mit den Bündnispartnern zu stärken und das Programm zur Modernisierung des amerikanischen Atomwaffenarsenals zu beschleunigen. Im Konflikt der nuklearen Großmächte dürfte der Report für eine weitere Verschärfung der Spannungen sorgen.

Putin, der Retter des Globalen Südens?

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland, China und den USA sind seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ohnehin auf einem neuen Tiefpunkt angelegt. Für Ende dieser Woche hat Wladimir Putin einen Besuch in Peking angekündigt. Auf dem Programm soll laut Kreml auch ein Vieraugengespräch zwischen Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping stehen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow befindet sich bereits seit Sonntag in der chinesischen Hauptstadt zu vorbereitenden Konsultationen zwischen den Verbündeten.

"Die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft sei sehr groß", betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, "weil sowohl Russland als auch China eine sehr wichtige Rolle in internationalen Angelegenheiten spielen. Und ihre Bedeutung wächst."

Die Kooperation mit China, die laut Experten keineswegs eine unter gleichen Partnern ist, zu sehr ist Putin vom Wohlwollen des kommunistischen Regimes in Peking abhängig, passt hervorragend zur neuen Propagandastrategie Putins. Denn der versucht sich neuerdings, als Interessenwahrer der Länder des Globalen Südens zu inszenieren: gegen den Dämon USA. Gewalt, notfalls auch in Gestalt von Atomwaffen, gehört zum Kernelement dieser Doktrin. Indem sich Staaten wie Russland und andere gegen den Einfluss Washingtons wehrten – zum Beispiel, so die Kreml-Lesart, mit dem Krieg in der Ukraine – handelten sie aus Notwehr gegen einen übermächtigen Feind.

"Das sind die Rudimente des kolonialen Denkens, sonst nichts"

Am Montag attackierte Putin die USA als "Kolonialmacht". Amerika glaube, es sei ein Land erster Klasse, während es die Bürger anderer Länder lediglich als zweitklassig betrachte, sagte Putin in einem Interview mit der China Media Corporation. "Das sind die Rudimente des kolonialen Denkens, sonst nichts."

Putin als Vorkämpfer gegen die vermeintliche US-Hegemonie? Mit dieser Robin-Hood-Erzählung erzielt er in vielen Ländern südlich der Erdhalbkugel bereits beachtliche PR-Erfolge, etwa in Afrika. Aber auch China erscheint in diesem Kontext als natürlicher Verbündeter Russlands, denn auch Xi Jinping betrachtet die USA als Erzfeind. Schon allein deswegen, weil Washington sich als Schutzmacht Taiwans präsentiert.

Zwei Parteien, Russland und China, die miteinander kooperieren könnten, um sich dem gemeinsamen Feind USA entgegenzustellen. Diese Furcht wird auch in der amerikanischen Politik offenbar immer größer. "Wir sind besorgt, dass es eine verschärfte Zusammenarbeit zwischen den beiden geben könnte", sagte einer der Autoren des Reports der Nachrichtenagentur Reuters. "Und das bringt uns zu diesem Szenario des Zwei-Parteien-Krieges."

Ratifizierung wieder zurücknehmen

Dagegen hilft laut der Autoren des Verteidigungsreports nur: mehr Aufrüstung. "Wir wissen um die finanziellen Realitäten, aber wir sind auch der Überzeugung, dass unser Land diese Investitionen vornehmen muss", sagte die demokratische Politikerin Madelyn Creedon, die der Kommission vorsitzt. Und der ehemalige republikanische Senator Jon Kyl fügte hinzu, die höheren Militärausgaben seien ein vergleichsweise kleiner Preis, den es zu zahlen gelte, um einen Atomkrieg zwischen den USA, Russland und China "hoffentlich zu vermeiden".

Russlands Präsident Putin sagte in dem Interview mit dem Staatssender Russia 1 am Sonntag zwar, dass er das Szenario eines Atomkriegs für "Unsinn" halte. Der Mann, der seit 19 Monaten einen gnadenlosen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, gibt sich einmal mehr friedliebend. "Ich denke nicht, dass die Ankündigung der USA zielführend ist, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Das sind keine vernünftigen Überlegungen von vernünftigen Menschen." Zugleich räumte er aber ein: "Wir folgen natürlich dem alten Leitsatz: 'Wenn Du Frieden willst, bereite Dich auf einen Krieg vor.'"

Außerdem halte er es für blanken Unsinn, sich gleichzeitig mit Russland und China anzulegen, sagte er mit Blick auf die Empfehlung der Kommission des US-Parlaments. "Ich denke, sie wollen uns nur einschüchtern", so der Kremlchef.

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Diese Disziplin beherrscht der Autokrat ebenfalls. Erst vergangene Woche stellte er in Aussicht, Russland könne die Ratifizierung des Kernwaffenteststopp-Vertrags von 1996 wieder zurücknehmen. Darüber müsse die Duma, also das russische Parlament entscheiden, so der Präsident. Was jedoch nicht allzu schwer sein dürfte, denn die Duma ist das willfährige Ausübungsorgan des Kreml-Despoten. Was Putin wünscht, wird dort abgenickt. Ob es tatsächlich so kommt, bleibt fraglich.

Bereits 1992 hatten die USA und Russland ihre Nukleartests eingestellt. Seitdem hat nur Nordkorea noch Atomwaffentests vorgenommen. Den Grund für einen möglichen Ausstieg aus dem Abkommen nannte Putin auch: Die USA hätten den Vertrag zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert. Zu diesen Staaten gehören neben den USA auch weitere führende Atommächte, darunter Indien, Iran, Ägypten, Pakistan, Israel, Nordkorea und China.

Was geht im Nordpolarmeer vor sich?

Eine mögliche russische Deratifizierung des Abkommens würde eine neue Eskalationsstufe der antiwestlichen Kreml-Propaganda bedeuten. Wenn Putin die Empfehlung der Verteidigungskommission im US-Kongress nun also als "Unsinn" und Angstmacherei bezeichnet und im nächsten Atemzug zu diplomatischer Besonnenheit aufruft, übt er sich wieder einmal in einer seiner Lieblingsdisziplinen: das Feuer zu löschen, an dem er selbst kräftig zündelt.

Wie zufällig hatten notorische Kreml-Propagandisten wie die Chefin des TV-Senders Russia Today, Margarita Simonjan, in den vergangenen Wochen neue russische Atomwaffentests gefordert. Nicht nur unterirdisch, sondern überirdisch, auf dem ehemaligen Testgelände Nowaja Semlja im Nordpolarmeer; und damit quasi vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Putin reagierte darauf scheinbar überrascht, er habe gehört, es gebe Stimmen, die einen Atomtest forderten, ließ der Despot verlauten. Zu jenen Stimmen gehörte auch die von Michail Kowaltschuk, Chef des wichtigsten russischen Atomwaffenforschungszentrums und Berater Putins. Der spekulierte über neue Tests, "um den Westen einzuschüchtern". "Wenigstens eine Atombombe" solle man doch zünden, forderte Kowaltschuk Ende September. Es klang fast so, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt.

Wenige Tage zuvor hatte der US-Sender CNN Satellitenaufnahmen veröffentlicht, die interessante Entwicklungen am Testgelände im Nordpolarmeer zeigten. Darauf war zu erkennen, dass in den vergangenen drei Jahren rund um Nowaja Semlja neue Gebäude entstanden sind. Wozu die Fazilitäten benutzt werden, zeigen die Bilder nicht. Lesen Sie hier mehr dazu.

Verwendete Quellen
  • ida.org: "America's Strategic Posture" (englisch)
  • reuters.com: "US must be ready for simultaneous wars with China, Russia, report says" (englisch)
  • csis.org: "How to Get Away with a Nuclear Test" (englisch)
  • spiegel.de: "So schwang sich Putin zum Helden des Globalen Südens auf" (kostenpflichtig)
  • welt.de "Putins neue Drohung" (kostenpflichtig)
  • tass.ru: "Путин считает нынешнюю политику США рудиментом колониального мышления" (russisch)
  • tass.ru: "Путин и Си Цзиньпин на встрече уделят много внимания мировой обстановке" (russisch)
  • reuters.com. "Putin says suggestions of U.S. war against Russia and China are nonsense" (englisch)
  • Eigene Recherche
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