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Zum journalistischen Leitbild von t-online.SPD-Politiker rüffelt Markus Lanz Stegner: "Bin nicht Sahra Wagenknecht oder in der AfD"
Ralf Stegner will keine militärische Führungsrolle Deutschlands in der Ukraine. "Das steht uns nicht zu", sagt er bei "Markus Lanz". Als der kontert, fühlt sich Stegner karikiert: "Ich heiße nicht Sahra Wagenknecht."
Teamplayer oder Wegducker? In der Ampelkoalition wird die Rolle Deutschlands im Ukraine-Krieg völlig gegensätzlich interpretiert. "Machen wir uns als Deutsche schuldig, wenn wir die Ukraine nicht so unterstützen, wie wir es können?", fragte FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff am Donnerstagabend bei "Markus Lanz".
"Ich kenne keine Panzer, die Leben retten", konterte der SPD-Politiker Ralf Stegner. In einer militärischen Führungsrolle will er Deutschland nicht sehen – "nachdem, was wir im letzten Jahrhundert angerichtet haben".
Die Gäste
- Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Außenexperte
- Ralf Stegner (SPD), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses
- Liana Fix, Russlandexpertin der Körber-Stiftung
- Diana Zimmermann, Ex-Leiterin des ZDF-Studios London
Stegner, der für die SPD im Auswärtigen Ausschuss sitzt, verteidigte seine Skepsis gegenüber der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. "Ich glaube, die Verengung auf die militärische Frage ist falsch."
Über andere Wege aus dem Krieg werde in der Öffentlichkeit gar nicht mehr diskutiert, behauptete Stegner. "Wir sprechen ausschließlich darüber, mit welchen Waffensystemen der Krieg beendet werden kann. Diese Hypothese, wenn wir schnell genug Waffen liefern, ist der Krieg schnell genug zu Ende, die teile ich nicht."
Stegner weist Lanz zurecht
Damit war der Sozialdemokrat in der Fünferrunde der Außenseiter. Aber was sei denn dann die Konsequenz für die Ukraine?, fragte Lanz: "Ergebt euch und dann seid ihr eine russische Provinz?" Da hatte Stegner genug. "Das ist eine Karikatur, die müssen Sie mir nicht vorhalten", ging er den Gastgeber an. "Ich heiße nicht Sahra Wagenknecht und ich bin auch nicht in der AfD." Stegner stellte jedoch infrage, ob die "zweitgrößte Atommacht" wirklich von der Ukraine besiegt werden kann.
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Mit diesem Argument ist der Politiker nach Ansicht der Russlandexpertin Liana Fix ein Stück weit der Kreml-Propaganda auf den Leim gegangen. Der Mythos der unbesiegbaren Atommacht sei von russischer Seite aufgebaut worden, stimme aber nicht. Die erfolgreiche Offensive der Ukraine habe gerade gezeigt, wie angeschlagen die russische Armee in Wahrheit sei. Die ukrainischen Soldaten hätten sich hingegen dank Waffen und Trainingseinheiten aus dem Westen immer mehr zu einer modernen, agilen Armee entwickelt. "Strukturell ist die ukrainische Armee einfach auf dem aufsteigenden Ast", urteilte die Politologin.
"Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass eine Atommacht keinen Krieg verlieren kann", meinte auch Lambsdorff und verwies auf die Niederlagen der USA in Vietnam oder in Afghanistan. Der ausgebildete Diplomat begrüßte es zwar, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kürzlich wieder mit Putin telefoniert hat. Er lobte auch ausdrücklich den anschließenden Tweet des deutschen Regierungschefs mit Forderungen an den Aggressor: "Das war ganz klar."
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Dass der Kreml in seinem Statement hingegen die Ukraine für zivile Opfer verantwortlich gemacht hat, stimmte Lambsdorff allerdings nicht gerade zuversichtlich, was eine Verhandlungslösung angeht: "Das ist so weit auseinander, dass ich den Versuch für ehrenwert halte, aber das waren zwei verschiedene Gespräche." Der FDP-Politiker sah sich bei "Markus Lanz" öfters in der Position, ausgerechnet gegenüber Stegner dessen Parteifreunde verteidigen zu müssen.
Stegner kritisiert Lambrecht
Stegner wandte sich zum Beispiel gegen eine Liberalisierung deutscher Rüstungsexporte, die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht plant. "Ich finde das falsch", sagte er mit Blick auf mögliche Lieferungen in Krisengebiete und an Diktatoren. "Das hat Frau Lambrecht auch nicht gesagt", warf Lambsdorff ein. Stegner bekräftigte aber: "Es darf nicht so weit gehen, dass wir Waffen nach Saudi-Arabien liefern, dass wir nach Ägypten liefern. Das kann doch nicht richtig sein, das zu tun."
Auch mit seiner Ablehnung einer militärischen Führungsrolle Deutschlands ging Stegner auf Konfrontationskurs zur Verteidigungsministerin. Die hatte kürzlich in einer Grundsatzrede die Bereitschaft der Bundesrepublik erklärt, mehr Verantwortung für den Schutz der Friedensordnung zu übernehmen.
"Gerade mit Blick auf seine Geschichte habe Deutschland einen nüchternen Blick auf Macht und das Militärische", hatte Lambrecht am Montag während einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gesagt. Stegner meinte hingegen: "Wir haben genug gesehen von militärischer Führung in Deutschland im letzten Jahrhundert mit Holocaust, mit Millionen Toten in Russland, in der Ukraine, überall."
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 15. September 2022