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Russischer Ex-Soldat rechnet in Buch mit Putin ab: "Fürchterlicher Krieg"


Russischer Ex-Soldat schreibt Buch
"Wir haben einen fürchterlichen Krieg begonnen"

Von t-online, wan

Aktualisiert am 14.08.2022Lesedauer: 4 Min.
Ukraine-Krieg: Der andauernde Beschuss ukrainischer Energieanlagen könnte einen kalten Winter bescheren. (Quelle: Glomex)
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Der ehemalige russische Fallschirmjäger Pavel Filatiev berichtet in seinem Buch über die ersten Tage im Ukraine-Krieg. Er rechnet auch mit Wladimir Putin ab.

Ein russischer Fallschirmjäger berichtet in einem Buch über seine Erfahrungen kurz vor und während der Invasion der Ukraine. Dabei wird deutlich, wie schlimm es um Putins Armee bestellt ist. Pavel Filatiev meldete sich im August des vergangenen Jahres zurück zur Truppe und wurde prompt auf die Krim geschickt.

"Zehn Tage später bekam ich eine Uniform, aber nur Sommerbekleidung. Es gab keine Kopfbedeckung in meiner Größe, also ging ich los und kaufte eine", schreibt er in dem Buch "ZOV", dessen Titel die Buchstaben wiedergibt, die russische Soldaten an ihre Panzer schreiben. Die russische Plattform "Meduza" hat jetzt einige Passagen übersetzt. Zuvor wurden Teile des Buches bei der Rechercheplattform "istories" veröffentlicht, die auch Bilder des Soldaten zeigte.

Russland hatte am 24. Februar eine Invasion in die Ukraine begonnen. Russische Truppen drangen dabei kurzzeitig bis kurz vor Kiew vor. Moskau spricht von einer "Militäroperation", westliche Länder unterstützen die Ukraine mit Waffen- und Hilfslieferungen. In den ersten Wochen des Krieges mehrten sich Berichte über eine schlechte Ausstattung und geringe Moral der russischen Truppen.

Am Schießstand klemmte das Gewehr

Als Filatiev eine gebrauchte Uniform für den Winter ablehnte, weil sie nicht passte, habe er sich selbst einen dicken Mantel gekauft. Viele Kameraden hätten keine warme Kleidung gehabt, trotz Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts. Innerhalb einer Woche seien mehr als 30 Soldaten der Einheit für Infektionskrankheiten überstellt worden.

Im Februar habe er festgestellt, dass sich etwas entwickle: Auch Kranke seien zum Training beordert worden. "Es stellt sich heraus, dass mein Maschinengewehr einen gerissenen Riemen hatte und verrostet war. In der ersten Nacht am Schießstand klemmte der Patronenbehälter."

Marschbefehl bedeutete: marschieren

Am 20. Februar habe seine Einheit dann einen Marschbefehl erhalten – sie mussten zu einem neuen Standort laufen. Drei Tage später habe es einen Besuch des Division-Kommandeurs gegeben, der den Sold auf 69 Dollar (67 Euro) angehoben habe. "Es war ein deutliches Zeichen, dass etwas Ernstes passieren würde."

In der Nacht zum 24. Februar sei Filatiev dann durch Artilleriefeuer aufgewacht. Er habe nicht gewusst, ob vorrückende ukrainische Soldaten abgewehrt würden oder gar Nato-Truppen. Ihm sei aber klar gewesen, dass ein Krieg begonnen habe. Später habe er herausgefunden, dass es einen Marschbefehl nach Cherson gab. Sein Kommandeur habe keine Ahnung gehabt, was los war.

"Unser gesamtes Training fand auf dem Papier statt, unsere Strategie war hoffnungslos veraltet. Wir hatten die gleiche Taktik wie unsere Großväter", schreibt der russische Ex-Soldat in seinen Erinnerungen. "Die Ersten, die angriffen, wurden vernichtet." Die Kälte sei bis in die Knochen zu spüren gewesen. Als seine Einheit am nächsten Tag den Hafen von Cherson erreicht habe, hätten die Plünderungen begonnen. "Ich fand einen Hut und nahm ihn."

Sanitäter hatte keine Spritzen mehr

Im April sei Filatiev dann wegen verschmutzter Augen aufgrund von Artilleriefeuer erkrankt. Fünf Tage habe er, teilweise mit einem geschlossenen Auge, weiterkämpfen müssen, bis er evakuiert worden sei. "Der Sanitäter sagte mir, ich solle den Ärzten sagen, er habe weder Schmerzmittel noch Spritzen." Er habe im Lazarett Soldaten gesehen, die stotterten, die Gedächtnisverlust hatten und andere, die heftig tranken. Seine medizinische Versorgung habe er selbst bezahlen müssen.

"Zwei Monate lang versuchte ich, mich von der Armee behandeln zu lassen: Ich ging zur Staatsanwaltschaft, ich ging zum Kommando, zum Leiter des Krankenhauses, und ich schrieb an den Präsidenten." Als das nicht gefruchtet habe, habe er seine Entlassung aus medizinischen Gründen beantragt. Die Führung habe die Dokumente an den Staatsanwalt geschickt. Ihm sei vorgeworfen worden, sich zu drücken. "Das war ein oft genutzter Bluff, damit die Leute wieder zurück zu ihrer Einheit gehen." Mittlerweile hat er die Armee verlassen. Sein Buch ist eine Abrechnung mit dem Krieg und seinen Führern.

"Wir hatten kein moralisches Recht, ein anderes Land anzugreifen, insbesondere die Menschen, die uns am nächsten standen. (...) Der größte Teil der Truppen ist unzufrieden mit dem, was passiert, den Kommandeuren und mit Putin und seiner Politik und dem Verteidigungsminister, der sich nicht um die Armee kümmert", schreibt Filatiev. "Wir haben einen fürchterlichen Krieg begonnen. Ein Krieg, in dem Städte zerstört werden und der zum Tod von Kindern und Frauen und Älteren führt. "

"Sicherlich wird es einen 'fairen' Prozess geben (...). Sie werden mir sagen, dass man mich gekauft hat, als Agent des Westens, aber ich kann mir das alles nicht mehr still ansehen", schreibt der 33-Jährige am Ende seines Buches. Er habe Angst, den Text zu veröffentlichen und zu sagen, was er denke. "Man kann seine Rechte nicht mehr verteidigen, man kann nur in den Krieg ziehen, um für unklare Ziele zu sterben."

Die Berichte in dem Buch basieren auf den Schilderungen von Pavel Filatiev. Sie lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Verwendete Quellen
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