Tiere Beuteltiere im Wingsuit: Australiens "fliegende Koalas"
Fliegende Koalas? "Greater Gliders" ähneln den niedlichen Eukalyptusfressern zwar, sind aber eine eigene Tiergruppe - mit einer Membran zum Gleiten. Umweltschützer kämpfen um ihre letzten Lebensräume.
Der Anblick gehört zu den außergewöhnlichsten in der australischen Tierwelt: Wenn ein Riesengleitbeutler durch die Baumkronen segelt, dann hat das etwas von einer fliegenden Untertasse. Oder von einem Stachelrochen, der durch die Meere schwebt. Viele Aufnahmen solcher Flüge gibt es allerdings nicht. "Greater Gliders", wie sie in ihrer Heimat genannt werden, gehören zu den am stärksten bedrohten Säugetieren der Welt - und gleichzeitig zu den am wenigsten bekannten.
Mit einem Durchschnittsgewicht von rund eineinhalb Kilogramm sind sie etwa so groß wie eine Hauskatze. "Sie sind die größten gleitenden Beuteltiere der Welt", schrieb die Zeitung "Sydney Morning Herald" unlängst. "Fliegende Koalas, von denen die meisten Menschen noch nie gehört und die nur wenige je gesehen haben." Mit wissenschaftlichem Namen heißen die Beutelsäuger Petauroides. Einst waren sie in den Eukalyptuswäldern an der Ostküste gar nicht so selten. Heute gelten sie in manchen Gebieten bereits als ausgestorben.
"Es handelt sich um faszinierende Geschöpfe, die ein verborgenes Leben in den Baumkronen der Wälder führen", sagte Ana Gracanin, die die die Tiere an der Australian National University erforscht, der Deutschen Presse-Agentur. "Sie sind unglaublich flauschig, haben große runde Ohren und einen sehr langen Schwanz."
Schon immer in Australien endemisch
Den Flausch und ihre Niedlichkeit hätten sie mit den Koalas gemein, ebenso ihre Vorliebe für Eukalyptusblätter. Ein Unterschied bestehe darin, dass Greater Gliders bis zu 100 Meter weit von Baum zu Baum gleiten können. Möglich macht das eine Membran, die vom Handgelenk bis zum Fußknöchel reicht - eine Art "pelziger Wingsuit", wie der "Sydney Morning Herald" es umschrieb. "Daher der Spitzname "fliegender Koala"", erläutert Gracanin.
Die Tiere, die schwarzes, graues oder weißes Fell haben, sind nachtaktiv und schlafen tagsüber in Baumhöhlen. Nach Sonnenuntergang steigen sie ins Blätterdach. Dort ernähren sie sich die ganze Nacht über von Eukalyptus, bevor sie wieder in ihrer Baumhöhle verschwinden. Die Weibchen bekommen im Frühling und Sommer Nachwuchs, den sie zunächst in ihrem Beutel tragen, bis die Babys zu groß geworden sind. Dann tragen sie die Kleinen noch einige Monate auf dem Rücken durch das Laubwerk. Greater Gliders bevölkern schon seit Dutzenden Millionen Jahren die Erde, waren aber immer in Australien endemisch.
Lebensräume werden abgeholzt
Langzeitstudien in den letzten 20 Jahren haben ergeben, dass die Populationen extrem rasch zurückgehen. Speziell im verheerenden "Schwarzen Sommer" 2019/2020 seien bis zu 85 Prozent aller Riesengleitbeutler ums Leben gekommen, schätzen Experten. Damals hatten wochenlange Buschbrände mehr als zwölf Millionen Hektar Land verwüstet, unzählige Tiere verendeten oder wurden vertrieben.
Zu den größten Bedrohungen neben Buschbränden gehören die Rodung von Wäldern und die damit verbundene Fragmentierung der Lebensräume. Umweltschützer versuchen schon seit einiger Zeit, weitere Abholzungen im Habitat der letzten Greater Gliders in den Wäldern des Bundesstaates New South Wales zu verhindern - speziell im Tallaganda State Forest südöstlich der Hauptstadt Canberra, ganz in der Nähe eines gleichnamigen Nationalparks.
Die Umweltschutzbehörde (Environment Protection Authority, EPA) hat bereits wiederholt Arbeitsstopps der staatlichen Forestry Corporation angeordnet. Sie argumentiert, das Unternehmen habe es versäumt, vor Beginn der Rodungsarbeiten zu prüfen, ob gefährdete Arten die Bäume als Lebensraum nutzen. Auch der WWF startete eine Petition zum Erhalt der Bäume im Staatsforst und fordert, "eine der letzten Hochburgen für die gefährdeten Riesengleitbeutler zu retten".
Auch Touristen können auf die Suche gehen
Gracanin verbringt derweil weiter viele Nächte damit, Feldforschung zu betreiben und Riesengleitbeutler in freier Wildbahn aufzuspüren. Mit Taschenlampe und Fernglas geht es in die Wälder - und dann heißt es warten und suchen, bis hoffentlich irgendwann die Augen eines der faszinierenden Tiere aufleuchten. "Ich klettere auch auf Bäume, um Kameras mit Bewegungssensoren im Blätterdach und gegenüber Baumhöhlen anzubringen, um das Verhalten der Riesengleitbeutler besser untersuchen zu können", sagt sie.
Touristen rät die Forscherin, im Tallaganda National Park an den Westhängen der Great Dividing Range selbst einmal auf die Suche zu gehen. Hier leben die Tiere geschützt, Rodungen sind verboten. "Wenn Sie ein Exemplar gefunden haben, dann neigt es dazu, sich hinzusetzen und einen anzustarren. Meist hat man genügend Zeit, es ausgiebig zu bewundern", schwärmt sie. Nur eines sei zu beachten: "Sie müssen einen Rotfilter an Ihrer Taschenlampe haben, wenn Sie Greater Gliders längere Zeit beobachten wollen, damit Sie die Augen der Tiere nicht verletzen."
- Nachrichtenagentur dpa