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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kurioses Experiment Darum verwandelten Forscher einen Goldfisch in einen Cyborg
Woher weiß ein Goldfisch, wann er die Wand seines Aquariums erreicht hat? Mit dieser Frage beschäftigten sich israelische Wissenschaftler. Ihre Forschung ist so kurios wie beeindruckend.
Um herauszufinden, wie sich Fische in ihrer Umwelt orientieren, implantierten Forscher aus Israel einem Goldfisch ein Messgerät ins Gehirn. Die Prozedur stellte die Wissenschaftler vor große Herausforderungen. Ihre Entdeckungen aber könnten von großer Bedeutung für die Zukunft der Tiere werden.
Das Messgerät sollte die Gehirnaktivität bei der Orientierung in einer neuen Umgebung messen. Hieraus könnten Rückschlüsse auf die Anpassungsfähigkeit von Fischen in einer veränderten Umwelt gezogen werden. Denn durch Verschmutzungen und die Klimakrise steht der Lebensraum der Tiere vor großen Veränderungen. Doch bereits die Installation des Messgeräts stellte sich als knifflig heraus.
Komplizierter Eingriff
Das Gehirn eines Goldfisches misst im Durchmesser nur etwa einen Zentimeter. Somit mussten die Wissenschaftler der Ben-Gurion-Universität des Negev besonders behutsam arbeiten. Da sich das Tier während des Eingriffs nicht bewegen durfte, wurde es auf einem OP-Tisch fixiert. Um den Fisch während der Operation am Leben zu halten, wurden ihm stetig Wasser und ein Anästhetikum in den Mund gepumpt.
Der Eingriff fand am offenen Gehirn statt. Nachdem die Elektroden in diesem verankert waren, wurden sie mit dem Aufzeichnungsgerät verbunden. Dieses wurde in ein wasserdichtes Gehäuse gepackt, welches auf der Stirn des Fisches montiert wurde. Um die Schwimmfähigkeit des Tieres nicht zu beeinträchtigen, wurde das Gehäuse zudem mit einem Kunststoffschaum bekleidet.
Andere Navigation als Säugetiere
Nachdem sich der kleine Fisch von dem schweren Eingriff erholt hatte, startete das Experiment. Das Tier wurde in einen 70 Zentimeter langen und 20 Zentimeter breiten Tank gegeben. Schnell bemerkte man, dass die Navigationszellen im Gehirn des Fisches am Rand des Beckens stärker aufleuchteten als in der Beckenmitte.
Daraus schließen die Wissenschaftler, dass sich Fische anders orientieren als Menschen. Während Menschen und andere Säugetiere ihren Standort in einer mentalen Landkarte pingen, scheinen sich Fische auf eine Art Neuron zu verlassen, das sie warnt, wenn sie sich einem Gegenstand nähern. Mithilfe der Informationen über die Abstände zu verschiedenen Hindernissen können sich Fische dann im Raum orientieren.
Die neu gewonnenen Erkenntnisse können vor allem dazu dienen, herauszufinden, wie sich Fische verhalten, wenn das Wasser aufgrund von Verschmutzungen trüber wird. "Wir modifizieren die Umgebung vieler Tiere, und wenn Sie verstehen, wie ein Tier navigiert, werden Sie wissen, ob es in der Lage ist, mit den Veränderungen fertig zu werden, die sich derzeit in der Welt ereignen", erklärte Dr. Adelaide Sibeaux die Forschung ihrer israelischen Kollegen im Gespräch mit der "New York Times". Insgesamt ordnet die Biologin der Universität Oxford das Forschungsprojekt als "ziemlich erstaunlich" ein.
- journals.plos.org: "Boundary vector cells in the goldfish central telencephalon encode spatial information", (Englisch, Stand: 27.04.2023)
- nytimes.com: "Why Researchers Turned This Goldfish Into a Cyborg", (Englisch, 27.04.2023)