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D-Day 1944 Normandie: Hitler kam Landung der Alliierten gerade recht


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D-Day 1944
Nichts wünschte sich Hitler mehr als die alliierte Landung


Aktualisiert am 06.06.2024Lesedauer: 8 Min.
US-Fallschirmjäger am D-Day: Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten erfolgreich in der Normandie.Vergrößern des Bildes
US-Fallschirmjäger am D-Day: Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten erfolgreich in der Normandie. (Quelle: Heritage Images/ullstein-bild)

Mit einer gewaltigen Streitmacht stürmten die Alliierten am 6. Juni 1944 die Strände der Normandie. Der riskante Angriff war erfolgreich, auch weil die Deutschen Fehler anhäuften.

Absurde Szenen ereigneten sich am 6. Juni 1944 an einem Strand der Normandie. Soldaten stürmten aus Landungsbooten, Kugeln pfiffen ihnen entgegen, manche trafen und nahmen Männern das Leben. Neben Geschrei, dem Rauschen der Wellen und Kampfgetöse erschallte aber noch ein anderer Klang: die Töne eines Dudelsacks.

Bill Millin hieß der Mann, der an diesem todbringenden Tag das Instrument spielte – um den Kameraden Mut und Zuversicht zu vermitteln. Denn an diesem 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie, um der Herrschaft der Nationalsozialisten über Europa den nächsten Stoß zu versetzen. "Utah Beach", "Omaha Beach", "Gold Beach", "Juno Beach" und "Sword Beach" lauteten die Bezeichnungen für die fünf Landezonen der "Operation Overlord", wie die Allliierten ihr Vorhaben zur Eröffnung einer neuen Front getauft hatten.

Nichts weniger als die größte Landungsoperation in der Geschichte verantwortete der amerikanische General Dwight D. Eisenhower als Oberbefehlshaber: Mehr als 5.000 Kriegsschiffe, Landungsboote und andere Einheiten konzentrierten sich am 6. Juni 1944 vor der Küste der Normandie. Den Soldaten war die historische Bedeutung ihrer Mission bewusst. "Ihr seid gerade dabei, euch für einen Großen Kreuzzug einzuschiffen", hatte Eisenhower die Männer zuvor motiviert. Der britische Befehlshaber Bernard Montgomery wiederum betonte: "Wir kämpfen für eine großartige und gerechte Sache."

Besonders für die Briten war es ein erhebender Moment. 1940 hatte sich ihre Armee in höchster Not aus dem französischen Dünkirchen über den Kanal vor der siegreichen Wehrmacht in Sicherheit gebracht, nun kehrte sie als Befreierin zurück. Und auch die Besatzungen der französischen Kriegsschiffe, die Kurs auf die Normandie nahmen, frohlockten.

Die Stunde war gekommen

Als sie hörten, wie Bill Millin in seinem auf Frankreich zusteuernden Landungsschiff die Melodie von "The Road to the Isles" anstimmte, spielten sie die "Marseillaise". Unter Jubel dröhnte derweil von anderen britischen Schiffen "A-hunting We will Go" über die Wasser des Kanals, wie der Historiker Antony Beevor in seinem Buch "D-Day" schreibt.

Zu dem Zeitpunkt, als die ersten alliierten Landungsboote in Richtung Normandie fuhren, wurde allerdings bereits gekämpft. "Die Befreiung kam zuerst aus der Luft", betont der Historiker Peter Lieb im Buch "Unternehmen Overlord". Bereits kurz nach Beginn des 6. Juni 1944 waren alliierte Soldaten per Fallschirm und Lastensegler eingeschwebt. Ihr Auftrag: Die Landung der Truppen über See zu erleichtern und abzusichern.

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Auch die Résistance, der französische Widerstand, stand bereit. Schon zu Beginn des Juni 1944 hatten seine Mitglieder per Radio aus Großbritannien die wenig subtile Meldung vernommen: "Die Stunde der Schlacht ist nah." Als dann in den Abendstunden des 5. Juni der Satz "Es ist heiß in Suez" übertragen wurde, wussten die Widerstandskämpfer: Es war so weit.

"So weit" bedeutete auf den alliierten Stützpunkten in England zunächst den Start unzähliger Flugzeuge, die sich gen Normandie auf den Weg machten. Drei Divisionen schickte Eisenhower auf dem Luftweg in die Schlacht: die britische 6. Luftlandedivision und die 82. und 101. Luftlandedivision der Amerikaner, insgesamt rund 20.000 Soldaten.

Hilflos am Kirchturm

Der Angriff begann vielversprechend, die Briten nahmen sogleich in ihrem Landegebiet zwei wichtige Brücken ein. Mehr und mehr alliierte Soldaten schwebten ein, was den Deutschen nicht entging. Allerdings herrschte bei diesen Verwirrung, was auch an den Aktivitäten der Résistance lag, die die Kommunikationsverbindungen der Besatzer nach Kräften störten. Tarnmanöver mithilfe von Attrappen seitens der Alliierten taten ihr weiteres, wie Antony Beevor ausführt.

Doch auch Briten und Amerikanern machten zahlreiche Probleme zu schaffen. Zuerst das deutsche Abwehrfeuer, abgeschossene alliierte Maschinen kommentierten andere Soldaten mit den Worten: "Die armen gottverdammten Bastarde". Nach dem Absprung wurde es kaum besser, hernieder gleitende Soldaten waren Beschuss zunächst schutzlos ausgeliefert. Bei der Landung ging Ausrüstung verloren oder wurde beschädigt, Männer brachen sich die Knochen, die Einheiten waren oft verstreut und zunächst orientierungslos – und bald in schwere Kämpfe verwickelt.

Besonders John Steele von der 82. Luftlandedivision hatte Pech. Statt auf festen Boden zu landen, blieb der Amerikaner beim Herniedergehen auf den Ort Sainte-Mère-Eglise am Turm der Kirche wortwörtlich hängen. Hilflos, während seine Kameraden am Boden gegen die deutschen Besatzer der Stadt kämpften. Mit Erfolg allerdings, Sainte-Mère-Eglise war die erste Stadt Frankreichs, der während der "Operation Overlord" die Freiheit gebracht wurde.

Nachteile, wie die Zerstreuung der Fallschirmjäger weit über das Land, konnten sich aber durchaus vorteilhaft für die Angreifer auswirken. "Die Deutschen glaubten, wir wären überall", freute sich ein alliierter Offizier. Zwar waren die Alliierten keineswegs überall in der Normandie, aber bald noch wesentlich zahlreicher.

"Seid nicht traurig"

Denn am Morgen des 6. Juni 1944 machten sich rund 130.000 Männer an Bord der Schiffe der alliierten Armada bereit, die Strände der Normandie zu erobern. Übermut und Todesfurcht, Ungeduld und Spannung herrschte unter den Männern. "Seid nicht traurig, wenn ihr den Angriff nicht überlebt", sagte ein Offizier. "Wir haben genügend Nachfolgetruppen, die über euch hinwegmarschieren werden." Zynismus oder Galgenhumor? Wer weiß...

Ein anderer Offizier fragte sich, ob er bald "in eine der größten militärischen Fallen der Welt" tappen würde oder "den Gegner völlig überraschen". Ersteres war ein durchaus naheliegender Gedanke, dass die Alliierten eine zweite Front im Westen eröffnen wollten, war auch den Deutschen bewusst. Der Diktator Adolf Hitler wünschte sich die Invasion geradezu herbei, um dort einen Sieg über sie zu erringen. "Es mag die plutokratische Welt im Westen ihren Landungsversuch unternehmen, wo sie will, er wird scheitern", äußerte sich der "Führer" Anfang 1944.

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Auf dem "Atlantikwall", einem System von Befestigungen und Verteidigungsanlagen, ruhte ein Teil von Hitlers Hoffnung, die Invasoren abwehren zu können. "1944 wurden wöchentlich 200 000 bis 300 000 Minen verlegt", schreibt der Historiker Peter Lieb. Und verweist nach diesem "statischen" Part der Verteidigung auf den zweiten, "mobilen" Teil der deutschen Planungen zur Abwehr der alliierten Invasion: Reserven, darunter Panzerkräfte, die die noch in den deutschen Abwehrstellungen kämpfenden alliierten Soldaten, zurück ins Meer treiben sollten.

Zeit war also für beide Seiten ein entscheidender Faktor. Um ihren Soldaten die Landung zumindest etwas zu erleichtern, versuchten die Alliierten am 6. Juni, die betreffenden Abschnitte sturmreif zu machen. Kriegsschiffe beschossen die gegnerischen Stellungen, Bomber warfen ihre tödliche Fracht über den deutschen Stellungen ab.

Vorzeitiger Abbruch?

Die H-Hour, also der Zeitpunkt, an dem die Soldaten an den jeweiligen Abschnitten landen sollten, war Ebbe und Flut entsprechend etwas unterschiedlich und erstreckte sich zwischen 6.30 Uhr und 7.45 Uhr am 6. Juni 1944. Mit Ausdauer, Willen und Erfindungsgeist kämpften sich die Amerikaner, Briten und Kanadier an ihren Abschnitten voran, nicht zuletzt durch den Einsatz für die amphibische Landung geeigneter Panzer. Von "Utah", "Gold", "Juno" und "Sword" kamen nach unterschiedlich intensiven Kämpfen Erfolgsmeldungen, obwohl sich manche deutsche Stellungen verbissen wehrten. Bei "Sword" war übrigens eine Einheit in französischen Uniformen eingesetzt. "Es waren die einzigen Franzosen in Uniform, die am D-Day zur Befreiung ihrer Heimat beitrugen", so Peter Lieb.

Es blieb ein fünfter Abschnitt, der bald als "blutiges Omaha" bekannt werden sollte. Dort ging fast alles schief. Es herrschte Chaos und Konfusion. Schwimmpanzer versanken im aufgewühlten Meer, angreifende Bomber verfehlten ihre Ziele. Schnell hatten sich die Deutschen auch vom schockierenden Anblick der alliierten Flotte auf See erholt. "Sie kommen!", hatte es bei ihnen gegellt. Als die Klappen der Landungsboote fielen, erwartete die herausstürmenden Amerikaner das vernichtende Feuer von Maschinengewehren. "Im Wasser schwammen Tote", erinnerte sich ein US-Soldat.

Einer seiner Kameraden bekannte: "Nie in meinem Leben habe ich so inbrünstig gebetet." Ein Sergeant "wurde förmlich in Stücke gerissen", berichtete ein anderer Soldat. Salven von Maschinengewehren, Beschuss der Artillerie, dazu Hindernisse und die nasse, schwere Ausrüstung: Unter diesen Bedingungen mussten sich die Amerikaner an "Omaha" vorkämpfen. Die Operation stand kurz vor dem Abbruch.

Doch neue Angriffswellen brachten frische Truppen an Land, mit Offizieren, die die Männer wieder aufrichteten. "Wenn wir schon sterben müssen, dann können wir auch ein paar Deutsche umlegen", sagte Colonel George Taylor zu seinen Soldaten. Und brachte es mit diesen Worten zu anhaltendem Ruhm in der US-Militärgeschichte: "Die Einzigen an diesem Strand sind die Toten, und die, die sterben werden. Also, zur Hölle, weg hier!"

Unklare Lage

Verbissen kämpften die Amerikaner weiter, eine Einheit ihrer Ranger musste aufgrund mangelnder Munition ihre Waffen durch deutsche ersetzen. So gelang es den Alliierten am 6. Juni an allen fünf Landeabschnitten, Brückenköpfe zu errichten. Sie waren gekommen, um zu bleiben.

Bei diesem Ziel halfen ihnen die Deutschen unfreiwillig. Nicht nur, dass sie lange die Normandie als Ziel der alliierten Invasion ausgeschlossen hatten, nein, sie waren auch beim Einsatz ihres zweiten Elements der Verteidigungsstrategie uneins. Generalfeldmarschall Erwin Rommel, vehementer Befürworter des "Atlantikwalls", plädierte für die starke Verteilung der Panzertruppen nah am "Wasser".

Doch er konnte sich nicht durchsetzen, stattdessen blieb ein Großteil der Panzer "konzentriert" im Hinterlande, gedacht für massive Gegenschläge nach einer Invasion. "Klotzen statt Kleckern" beschreibt Peter Lieb diese deutsche militärische Doktrin. Die Entscheidung zum Einsatz des Großteils der rund 1.600 zur Verfügung stehenden Einheiten oblag der höchsten Autorität im "Dritten Reich", Adolf Hitler persönlich.

Als die alliierte Landung am 6. Juni begann, schlief der Diktator allerdings noch. Und selbst im Falle einer sofort gewünschten Reaktion, war die Informationslage nicht nur in Frankreich unklar, sondern auch in Deutschland. Bereits als in der Normandie schon seit Stunden gekämpft wurde, hatte der Oberbefehlshaber West noch "kein eindeutiges Feindlagebild an das Führerhauptquartier gemeldet", so Peter Lieb.

Zuhause bei der Frau

Waren die feindlichen Angriffe in der Normandie ein Ablenkungsmanöver? Darüber herrschte lange Uneinigkeit und Konfusion auf deutscher Seite, beides Ausdruck der komplizierten Verästelungen des deutschen militärischen Apparats. Befehlsstrukturen? Kompliziert und verwirrend, nicht geklärte und gar rivalisierende Kompetenzen erschwerten nahezu jede Entscheidungsfindung. So kam es am 6. Juni auch nicht mehr zum Einsatz mehrerer deutscher Panzerdivisionen zur Abwehr der Invasion.

Zudem ereigneten sich noch zahlreiche persönliche Fehlkalkulationen. Erwin Rommel weilte am 6. Juni nicht in Frankreich, da das Wetter mies war, hielt er eine alliierte Invasion für unwahrscheinlich: Der "Wüstenfuchs" war bei seiner Frau in Herrlingen bei Ulm, sein Stellvertreter in Frankreich "zögerte", wie Peter Lieb es auf den Punkt bringt. Das Wetter war tatsächlich schlecht, die Alliierten selbst hatten ursprünglich am 5. Juni landen wollen. Selbst eine rasche Entscheidung wäre aber auf Schwierigkeiten gestoßen. General Edgar Feuchtinger, Kommandeur der relativ nah zu den alliierten Landezonen stationierten 21. Panzer-Division weilte im Augenblick des alliierten Angriffs in Paris bei seiner Liebschaft.

So gelangten an den fünf alliierten Landungszonen am 6. Juni immer mehr Soldaten nach Frankreich. Rund 35.000 waren es allein am Omaha Beach, insgesamt standen am Ende dieses Tages rund 150.000 Soldaten der Alliierten in Frankreich. Diese Streitmacht ins Meer zurückzuwerfen, wie es Hitler in seinen Fantastereien herbeisehnte? Unmöglich, zumal mehr und mehr alliierte Truppen nach Frankreich verschifft wurden.

Der alliierte Erfolg am 6. Juni 1944 war teuer mit Soldatenleben erkauft. Peter Lieb schreibt, dass die Amerikaner schätzungsweise allein bis zu 4.200 Mann Verlust allein an "Omaha" erlitten haben könnten. Zur historischen Wahrheit gehört auch, dass beide Seiten am D-Day Kriegsverbrechen verübten, diverse Deutsche erschossen etwa feindliche Fallschirmjäger, die sich ergeben hatten oder wehrlos waren, an den Stränden nahmen manche alliierte Soldaten keine Gefangenen.

Nach dem D-Day ging die Schlacht um die Normandie weiter, hart und blutig, wochenlang. In den Kämpfen starben bis zu 19.000 französische Zivilisten, auch durch die Alliierten, etwa in Form von Bombardements.

Bill Millin, der tapfere Dudelsackspieler, der sich ohne Deckung dem feindlichen Feuer ausgesetzt hatte, überlebte den D-Day. Jahrzehnte später antwortete er auf die Frage, warum ihn die Deutschen nicht erschossen hatten: Weil sie ihn für völlig verrückt hielten. 2010 starb Millin in seiner Heimat Großbritannien, stolz darauf, einen Beitrag zur Befreiung des Kontinents von der Nazi-Herrschaft geleistet zu haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Peter Lieb: "Unternehmen Overlord. Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas", 3. Auflage, München 2022
  • Antony Beevor: "D-Day. Die Schlacht um die Normandie", 5. Auflage, München 2009
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