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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hochwasser-Experte "Sie haben das Schlimmste verhindert"
Vor allem in Süddeutschland ist das Hochwasser weiterhin präsent. Für den Wasserwissenschaftler Daniel Bachmann war die Vorbereitung auf die Fluten gut. Ihm bereitet etwas anderes Sorgen.
Noch immer sind die Pegelstände an einigen Flüssen sehr hoch. Weitere Deiche könnten den Fluten nicht standhalten. Angesichts der enormen Wassermengen konnten sich dennoch bisher viele Menschen rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Für den Hochwasserexperten Daniel Bachmann liegt das unter anderem an den frühen Vorwarnungen. Im Interview mit t-online erklärt er, wie guter Hochwasserschutz funktioniert, was sich noch verbessern muss und warum nicht alles eine Frage des Geldes ist.
t-online: Herr Bachmann, wie beurteilen Sie den Hochwasserschutz in den betroffenen Gebieten?
Daniel Bachmann: Das ist aus der Ferne schwierig zu bewerten. Aber insgesamt ist es wohl glimpflich abgelaufen, gerade im Vergleich zum Ahrtal 2021. Es wurde gut gewarnt. Die ersten Meldungen gab es bereits am Donnerstag. Dadurch konnten sich die Gemeinden und Landkreise gut vorbereiten. Sie haben das getan, was sie im Rahmen von Katastrophenschutz machen können: das Schlimmste verhindern. Es sieht so aus, als ob ihnen genau das gelungen ist.
Also wurde aus der Vergangenheit gelernt?
Ja. Die Ahrtalflut 2021 war vielleicht ein Wachrüttler. Seitdem gibt es eine höhere Aufmerksamkeit. Vor den Hochwasserereignissen 2021 hatten wir aber auch seit 2013 kein großes, regionales Hochwasser mehr in Deutschland.
Zur Person
Prof. Dr. Daniel Bachmann ist seit 2018 Professor für Hydromechanik, hydrodynamische Modellierung und Hochwasserrisikomanagement im Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit (WUBS) an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er studierte, promovierte und lehrte an der Fakultät für Bauingenieurwesen der RWTH Aachen. Seine Dissertation behandelt die Entwicklung eines Entscheidungsunterstützungssystems zur Bewertung und Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen.
Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?
Es stellt sich schon die Frage, warum Deiche versagen. Hat es da an der Wartung gefehlt? Das kann und sollte aktuell aber nicht bewertet werden.
Welche Möglichkeiten der Vorbereitung gibt es grundsätzlich?
Im Einzugsgebiet des Flusses kann versucht werden, Wasser in der Fläche zu halten, damit nicht alles in den Fluss fließt. Regenrückhaltebecken können Wasser bis zu einer gewissen Menge speichern, die Aufforstung hilft, ebenso die Entsieglung. So kann mehr Wasser in den Boden durchsickern. Schwierig wird es, wenn die Becken und Böden schon voll sind, dann verlieren diese Maßnahmen an Wirkung. Dann können Flüsse renaturiert und ausgeweitet werden, um ihnen wieder mehr Raum zu geben. In bebauten Gebieten können Mauern und Deiche aufgestellt werden.
Wie sollten sich Menschen in betroffenen Gebieten informieren?
Ich kann jedem die Hochwassergefahrenkarte wärmstens empfehlen. Jedes Bundesland hat dafür einen Webviewer. Ich kann da schauen: Wohne ich in einem gefährdeten Gebiet? Wenn das so ist, sollte ich mir Gedanken machen: Was mache ich im Fall der Fälle? Weiß ich, wohin ich zu gehen habe? Und wir müssen auch überdenken, wie wir unsere Flächen nutzen.
Wie meinen Sie das?
Wir brauchen eine hochwasserangepasste Raumplanung. Wir müssen unsere Bebauung überdenken. Wir dürfen nicht dort bauen, wo das Wasser hinläuft. Dafür müssen wir auch das Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen.
Was fordern Sie von der Politik?
Sie muss die Maßnahmenvielfalt, die Prozesse umsetzen. Das Problem ist nicht immer das Geld. Oft liegt es auch an der Bürokratie und an Nutzungskonflikten, dass diese Prozesse oft sehr langwierig sind. Landwirte sind sicherlich wenig begeistert, wenn die Flüsse durch ihre Felder renaturiert werden. Greift man in die Natur ein, um ein Hochwasserrückhaltebecken zu schaffen, gibt es einen ökologischen Konflikt. Wir müssen uns aber auch klarmachen, was wir wollen.
Was genau meinen Sie?
Ein Beispiel aus dem Ahrtal: Dort gab es unendlich viele Brücken, die teilweise beim Hochwasser zerstört wurden. Aber Forderungen nach weniger Brücken wurden vor der Flut nicht begeistert aufgenommen. Hinzu kommt noch der Fachkräftemangel. Die Maßnahmen müssen letzten Endes von Fachleuten geplant und umgesetzt werden. Ich kann daher nur jedem empfehlen, Wasserwirtschaft zu studieren.
Nun werden die vermehrten Extremwetter mit dem Klimawandel begründet. Sehen Sie auch einen Zusammenhang?
Ich vertraue da den Kollegen und Kolleginnen der Klimatologie. Problematisch sind die Extreme. Es werden ständig Aufzeichnungsrekorde gebrochen. Vor drei Wochen bei den Fluten im Saarland war es die am höchsten gemessene Regenmenge. Das Hochwasser in Niedersachsen im Dezember resultierte aus dem nassesten Dezember im Westharz seit Beginn der Datenerhebung.
Auch bei den Ereignissen 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden Niederschlagsrekorde gebrochen. Gleichzeitig haben wir auch Phasen, in denen der Regen gänzlich fehlt. 2018 wurde an der Elbe der niedrigste Pegelstand seit Aufzeichnung gemessen. Diese Verschärfung in beiden Richtungen macht mir Sorgen. Die Rekorde purzeln.
- Telefoninterview mit Daniel Bachmann