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Vulkanausbrüche eine Gefahr für Menschen? Ein Experte klärt auf


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Gefahr für die Menschheit?
"Wir können nichts dagegen unternehmen"

InterviewVon Marc von Lüpke

18.08.2022Lesedauer: 5 Min.
Lavaeruptionen des Ätna in Italien: Die Menschheit ist Vulkanausbrüchen gegenüber keineswegs hilflos, sagt Experte Ulrich Küppers.Vergrößern des Bildes
Lava-Eruptionen des Ätna in Italien: Die Menschheit ist Vulkanausbrüchen gegenüber keineswegs hilflos, sagt Experte Ulrich Küppers. (Quelle: Martin Rietze/imago-images-bilder)

Forscher aus Großbritannien warnen vor desaströsen Folgen eines massiven Vulkanausbruchs. Wie groß ist die Gefahr tatsächlich? Ein Vulkanologe klärt auf.

"Bedauernswert unvorbereitet" sei die Welt auf die Folgen eines massiven Vulkanausbruchs. Davor warnen Wissenschaftler aus Großbritannien in einem Artikel in der angesehenen Wissenschaftszeitschrift "Nature". Sind wir Menschen tatsächlich blauäugig angesichts der potenziellen Gefahr? Und wie wahrscheinlich ist ein gewaltiger Ausbruch eines Vulkans überhaupt? Der Vulkanologe Ulrich Küppers beantwortet die wichtigsten Fragen.

t-online: Herr Küppers, "bedauernswert unvorbereitet" sei die Menschheit für den Fall eines massiven Vulkanausbruchs. Das beklagen Wissenschaftler aus Großbritannien in einem Artikel, der in der renommierten Fachzeitschrift "Nature" erschienen ist. Sind wir tatsächlich wehrlos gegen solch ein Naturereignis?

Ulrich Küppers: Wir sind gegenüber Vulkanausbrüchen definitiv nicht wehrlos, auch wenn wir heute Art, Beginn und Dauer nicht beeinflussen können. Der Menschheit stehen jedoch allerhand technische Möglichkeiten zur Verfügung, um die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Ausbruchs rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen. Ein anderes Beispiel ist die Prävention gegen Erdbeben. In zahlreichen gefährdeten Gebieten baut man mittlerweile erdbebensichere Gebäude.

Sind die Forscher aus Großbritannien über das Ziel hinausgeschossen? Eine beteiligte Risikoforscherin vergleicht den massiven Ausbruch eines Vulkans mit dem Einschlag eines gewaltigen Asteroiden auf der Erde – und den damit verbundenen Folgen.

Die Kollegen betreiben jedenfalls etwas Schwarzmalerei. Zudem müssen wir uns auch die simplen Fakten anschauen. Theoretisch – und möglicherweise auch praktisch – wäre die Menschheit in der Lage, einen bedrohlichen Asteroiden im Weltall umzulenken. Niemand aber kann einen Vulkanausbruch aufhalten. Zudem sind unsere Prognosemöglichkeiten auch begrenzt. Dass ein Ausbruch stattfinden wird, können wir Vulkanologen ziemlich sicher vorhersagen. Aber ob das morgen, in einer Woche oder erst in Jahren stattfinden wird? Diese Frage kann niemand seriös beantworten.

Ulrich Küppers, Jahrgang 1973, ist promovierter Geologe und unterrichtet an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Senior Researcher. Forschungsreisen führen den Vulkanologen unter anderem an den Stromboli, Ätna und zahlreiche andere aktive Vulkane.

Im "Nature"-Artikel wird auf den Ausbruch eines Vulkans in der Südsee Anfang des Jahres hingewiesen. Wenn dieser sich in einer weit dichter besiedelten Region ereignet hätte, wären die Folgen dramatischer gewesen.

Das ist nun einmal eine simple Tatsache. Deswegen werden Vulkane in entsprechenden Weltregionen aber auch gut überwacht. Vulkanausbrüche kommen selten überraschend, das haben wir unseren technischen Möglichkeiten zu verdanken. Etwas anders verhält es sich bei kleineren Inseln, weil wir da weniger Landmasse haben, um unsere Messinstrumente zu platzieren.

1815 kam es zum Ausbruch des Vulkans in Tambora in Indonesien mit einer Stärke 7 auf dem Vulkanexplosivitätsindex. Wie die Wissenschaftler aus Großbritannien warnen, war es der bislang letzte Ausbruch einer derartigen Stärke mit weltweiten Folgen.

Für die nähere Umgebung war der Ausbruch des Tambora 1815 verheerend. Der Rest der Welt war hingegen erst mal unbetroffen. Erst 1816 sorgten die Emissionen des Tambora-Ausbruchs unter anderem in Europa für eine Abkühlung des Klimas, sehr viel Niederschlag und Missernten. Was weniger bekannt ist: In Russland kam es durch die Folgen des Ausbruchs wiederum zu außerordentlich guten Ernteerträgen. Fakt ist, dass unser Planet vulkanisch aktiv ist – und wir nichts dagegen unternehmen können. Wir können nur präventiv tätig werden und die negativen Folgen abmildern.

Wie verhielt es sich bei dem Vulkanausbruch 2021 auf der Kanareninsel La Palma?

Dieser Vulkan-Ausbruch hat uns Forscher nicht überrascht, La Palma ist eine vulkanisch aktive Insel mit allein zwei Ausbrüchen im 20. Jahrhundert. Über Jahre hinweg gab es Anzeichen für Magmabewegungen im Untergrund, die letztendlich richtig gedeutet wurden. Der Zivilschutz war gewarnt worden. Das Problem bestand darin, dass der Ausbruch in einer verhältnismäßig dicht besiedelten Gegend und oberhalb von Ortschaften stattfand und deswegen materielle Verluste eintraten. Aber wir haben alle Menschen retten können. Was das Wichtigste ist.

Aus der Sicht eines Vulkanologen war der Ausbruch auf La Palma ein kleineres Ereignis. Wie verhält es sich aber bei einer Eruption der Größenordnung 7 oder höher, wie die britischen Forscher schreiben? Ihnen zufolge kommt es statistisch gesehen alle 625 Jahre zu solch einer Katastrophe.

Mit der Statistik ist es so eine Sache: Die betreffende Zahl ist der Durchschnitt aus den Ereignissen einer sehr langen vulkanischen Vergangenheit unseres Planeten. Wenn die Statistik nun aussagt, dass es alle 625 Jahre zu solch einem Ausbruch kommt, kann das auch bedeuten, dass bisweilen nur alle 5.000 Jahre solche Ereignisse stattfinden können. Dann wiederum möglicherweise auch gleich wieder im Abstand von drei, vier oder zehn Jahren. Es muss sich also niemand vor Panik im Keller verstecken.

Immer wieder wird allerdings vor Ausbrüchen sogenannter Super-Vulkane gewarnt, wie es einen etwa unter dem amerikanischen Yellowstone-Nationalpark gibt. Besteht hier eine Gefahr?

Die sogenannten Super-Vulkane sind tatsächlich sehr große Systeme mit einem entsprechenden Schadenspotenzial für Mensch und Umwelt. Im Falle des Yellowstone kam es in der Vergangenheit zu zwei großen Ereignissen. Das eine war vor 1,1 Millionen Jahren, das zweite vor 600.000. Sie sehen, über welche Zeiträume wir hier sprechen. Was in den Medien aber weniger berichtet wird: Es finden dort auch viele kleinere Ausbrüche statt, es ist ein aktives System. Wir müssen also auch in diesem Fall nicht beunruhigt sein.

Gesetzt den Fall, dass es zu einem massiven Vulkanausbruch käme: Wie stehen unsere Chancen?

Die Menschheit ist eine Spezies, die sich an kurzfristig eintretende, aber signifikante Veränderungen der Lebensbedingungen schwer anpassen kann. Ein großer Vulkanausbruch hat letzten Endes immer Auswirkungen auf das Klima. Menschen nahe einem ausbrechenden Vulkan haben unmittelbar sicherlich mit den stärksten Beeinträchtigungen zu rechnen. Jedoch können wir sicherlich darauf zählen, dass uns technologische Entwicklungen das Überleben sichern.

Gibt es denn Aspekte im "Nature"-Artikel, die Sie begrüßen?

Die gibt es in der Tat. Zunächst wäre die angeregte Bildung einer global strukturierten Organisation zur Vulkanüberwachung sowie der Abmilderung der negativen Auswirkung absolut wünschenswert. Auch der geforderte Einsatz von Satelliten zur gezielten und zeitlich enger getakteten Überwachung von Vulkanen ist sehr sinnvoll. Satelliten haben den Vorteil, dass wir uns die Oberfläche unseres Planeten mit unterschiedlichen Wellenlängen anschauen können. Und eben auch durch Wolken schauen können, egal ob bei Tag oder Nacht. Wir könnten auch die Dichte der Überwachung während eines Ausbruchs etwa erhöhen. Es ist ein Unterschied, ob wir täglich Aufnahmen auswerten können oder nur von Woche zu Woche.

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Gibt es noch weitere Verbesserungen, die Sie sich wünschen?

Bei Vulkanausbrüchen, die tatsächlich mehrere Länder oder gar den Globus betreffen, wäre eine internationale Koordination sehr hilfreich. Und auch auf nationaler Seite sollte man sich Gedanken machen, wer für was zuständig ist. Nehmen wir den Fall eines Vulkanausbruchs in der Eifel – bitte, ganz hypothetisch, für Panik besteht überhaupt kein Anlass! Gesetzt also den Fall, es käme zu einem solchen vulkanischen Ereignis in der Eifel: Wer ist letzten Endes am Zug hinsichtlich der Koordination der nötigen Schritte vor, während und nach einem Ausbruch? Die Bundesregierung, die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz?

Letzten Endes hilft uns also nur gute Vorbereitung?

Richtig. Vulkanausbrüche gibt es auf der Erde seit mehreren Milliarden Jahren. Und es wird sie auch noch geben, wenn der Homo sapiens längst Vergangenheit sein wird. Sie sind einfach ein Naturphänomen, mit dem wir leben müssen.

Herr Küppers, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
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