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"Hair" ohne Schwarze: Theater Chemnitz plant nach Kritik von Motsi Mabuse um


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"Unglaublich, dass so was passiert"
"Hair" ohne Schwarze: Motsi Mabuse empört über Theater Chemnitz


Aktualisiert am 05.07.2020Lesedauer: 3 Min.
Das Musical "Hair": In Chemnitz werden in dem Stück über eine bessere Welt mit weniger Ungleichheit keine Schwarzen mitspielen. Tänzerin Motsi Mabuse ärgert das sehr. (l.)Vergrößern des Bildes
Das Musical "Hair": In Chemnitz werden in dem Stück über eine bessere Welt mit weniger Ungleichheit keine Schwarzen mitspielen. Tänzerin Motsi Mabuse ärgert das sehr. (l.) (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)

Das weltberühmte Musical "Hair" mit dem Traum von einer besseren, gerechteren Welt inszenieren – und Schwarze aus der Handlung streichen? Die Theater Chemnitz stehen in der Kritik. Auch Motsi Mabuse ist empört.

Aufregung um das Musical "Hair" schon vor der ersten Aufführung: Die Theater Chemnitz haben für ihre Produktion schwarze Figuren und deren Songs wie "I am Black“ gestrichen. Das Flower-Power-Musical mit der Vision einer besseren Welt ohne Rassismus ist ausschließlich mit weißen Mitwirkenden besetzt. Die Erklärung der städtischen Bühnen ist auf den ersten Blick kurios: Corona. Man nehme das Thema Rassismus ernst und begrüße die Debatte.

"Unglaublich, dass heute so was noch passiert", sagte Moderatorin und "Let's Dance"-Jurorin Motsi Mabuse t-online.de. "Gerade, wo aktuell über Vielfalt in der Gesellschaft und Rassismus breit diskutiert wird." Mabuse hat sich in der Vergangenheit in der Öffentlichkeit mehrfach deutlich gegen Rassisums geäußert.

Schwarzer "Hair"-Darsteller fordert Boykott

Auf den Chemnitzer Fall war sie durch eine Freundin gestoßen, die Musical-Darstellerin Nadja Scheiwiller (u.a. "Jane" in "Tarzan" in Hamburg). "Dumm oder rassistisch oder beides?", schreibt die Schweizerin, die auch schon in Chemnitz tätig war. "Wie kann man in der gerade jetztigen, sehr sensiblen Zeit, dann noch in genau dieser Stadt eine solche Entscheidung treffen?"

Scheiwiller ist eine von mehreren Künstlern, die auf Facebook die Oper des renommierten Fünf-Sparten-Hauses kritisieren. So fordert Victor Hugo Barreto (u.a. "Simba" bei "König der Löwen" in Hamburg) Chemnitzer Ensemble-Mitglieder zum Protest auf und bringt einen Boykott ins Gespräch. Der schwarze Darsteller hat selbst schon eine der Hauptrollen in "Hair" gespielt, er war "Hud" bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018.

In der Rolle ließen sich die Gefühle ausdrücken, die sich kaum verändert hätten seit der Premiere des Musicals im Jahr 1968. Nun ärgert er sich: Künstler wollten eine Botschaft vermitteln und, wenn möglich, das Leben der Menschen verändern. Das weitergedacht bedeute, dass "das Theater mit dieser Version von 'Hair' sagt, dass Schwarz keine Rolle spielt".

Premiere ist am 28. August

Denn die Figur von Hub gibt es nach den bisherigen Plänen in Chemnitz nicht, wenn das Stück am 28. August Premiere feiert. Auf einer Freilichtbühne wird es zehn Mal aufgeführt.

Um endlich in Corona-Zeiten wieder kulturelle Unterhaltung bieten zu können, hatten die Theater für ein Hygienekonzept vieles bedenken müssen. Es gibt bei den Vorführungen keine Pause, es gibt auf dem Gelände kein gastronomisches Angebot und Mindestabstände. Das eigentlich geplante Musical "Evita" erschien wegen Massenszenen nicht umsetzbar und wurde gestrichen. Innerhalb weniger Tage habe man sich für "Hair" als Alternative entschieden, so das Theater.

"Die allermeisten Sängerinnen und Sänger stammen aus dem 'Evita'-Cast, andere mussten wir rasch in der Nähe finden", teilte Theater-Sprecherin Uta Thomsen auf t-online.de-Anfrage mit. Dazu habe für das Hygienekonzept die Spieldauer verkürzt werden müssen. Szenen mit schwarzen Darstellern blieben auf der Strecke.

Theater plant Podiumsdiskussion

Das Problem hatte das Theater dabei nach eigener Darstellung auf dem Radar: "Das Thema der Besetzung mit People of Color war und ist uns bewusst." Man verstehe und akzeptiere die Kritik, "auch unter den besonderen Bedingungen. Die Diskussion ist absolut wichtig und vermutlich der größte Wert." Das Theater wolle nun auch eine Podiumsdiskussion zum Stück, zur Inszenierung und zur Besetzung organisieren.

Nach dem Bericht von t-online.de und anhaltender Kritik setzte ein Umdenken ein: Patrick Wurzel, Leiter der Sparte Oper der Theater, erklärte am Sonntag: " Es muss ein Fehler korrigiert werden." Die "berechtigte Kritik am Cast der Neuproduktion 'Hair' wird zu Veränderungen und Ergänzungen führen". Was genau das heißt, blieb zunächst noch offen. An der Podiumsdiskussion soll aber festgehalten werden.*

Zuvor hatte sich auch der Verlag Felix Bloch Erben gemeldet, der die Rechte an dem Musical in Deutschland hält: Man sei mit dem Theater Chemnitz in einem "intensiven Austausch darüber, die coronabedingte Entscheidung des Theaters kritisch zu hinterfragen und zu korrigieren".*

Die Theater hatten erklärt, es sei schon immer ein Traum gewesen, "Hair" auf die Bühne zu bringen. "Wir wollten schon immer gern 'Hair' spielen – die Utopie von der besseren Zeit, radikal pazifistisch." Gerade in Chemnitz sei das nach den fremdenfeindlichen Ereignissen von 2018 ein hoher Wert. Damals hatten die Theater quasi über Nacht ein Klassik-Konzert "Gemeinsam stärker – Kultur für Offenheit und Vielfalt" auf dem Theaterplatz organisiert, zu dem mehr als 6.000 Menschen kamen.

*Der Text wurde nach der Stellungnahme von Opern-Betriebsdirektor Patrick Wurzel und der Stellungnahme des Verlags aktualisiert.

Verwendete Quellen
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