"Extreme Risiken für Fahrgäste" Ingenieur warnte Oceangate-Chef schon vor Jahren
Oceangate-Chef Stockton Rush gehörte zu den fünf Menschen an Bord der "Titan". Dabei hat ihn ein Ex-Mitarbeiter vor den Risiken des Tauchbootes gewarnt.
Die fünf Insassen der "Titan" sind wohl tot. Das gaben die US-Küstenwache sowie das Betreiberunternehmen des Tauchboots am Donnerstagabend bekannt. Zuvor waren Trümmerteile auf dem Meeresgrund entdeckt worden (hier lesen Sie mehr dazu). Auch der Gründer von Oceangate, Stockton Rush, ist unter den Opfern – obwohl ihn Mitarbeiter vor der gefährlichen Expedition gewarnt hatten.
Schon 2018 soll Rush von seinem wichtigsten Ingenieur, dem britischen Marineexperten David Lochridge, auf das Risiko der Abenteuerfahrt hingewiesen sein worden. Dieser hatte in einem internen Bericht bemängelt, dass Oceangate die "Titan" nicht von unabhängigen Experten überprüfen und zertifizieren lassen wolle, berichtet die "New York Times" unter Berufung auf Lochridges Bericht.
"Extreme Risiken für Fahrgäste"
Lochridge klagte gegen seine Entlassung und warf dem Unternehmen vor, "extreme Risiken für Fahrgäste" in Kauf zu nehmen. Der Ingenieur verlangte Härtetests bis hin zur Zerstörung eines Prototyps, um das experimentelle Design der "Titan" auf die Grenzen seiner Belastbarkeit zu überprüfen.
Die Hülle Tauchboots bestand größtenteils aus Karbonfasern und nicht, wie bei klassischen Tauchbooten für solche Tiefen, aus Stahl oder Titan. Das Unternehmen behauptete dagegen, ein einfacher akustischer Test würde ausreichen, um die Stabilität der Hülle zu prüfen. Lochridge zufolge ließen sich mit diesem Test aber keine strukturellen Fehler feststellen.
Den Gerichtsunterlagen zufolge bemängelte Lochridge auch, dass das Sichtfenster der "Titan" vom Hersteller nur für eine Tauchtiefe bis 1.300 Meter zugelassen war. Oceangate habe sich geweigert, bei dem Hersteller ein Sichtfenster bauen zu lassen, das bis zu 4.000 Meter Tiefe zugelassen wäre. In diese Tiefe sollte das Boot schließlich vordringen. Dem Bericht zufolge einigten sich Lochridge und Oceangate schließlich außergerichtlich. Weder die Firma noch Lochridge wollten den Bericht der "New York Times" bislang kommentieren.
"Ich wollte eine Art Captain Kirk werden"
Eine hohe Risikobereitschaft lässt sich früheren Äußerungen Rushs entnehmen, der von einem Kunden etwa als der "letzte amerikanische Visionär" bezeichnet wurde: "Irgendwann ist Sicherheit reine Zeitverschwendung", sagte Rush voriges Jahr dem Sender CBS. "Wenn du immer auf Nummer sicher gehen willst, dann bleib einfach im Bett."
Die Fahrt zum Wrack der "Titanic" erklärte Rush für sicher, solange das Tauchboot Fischernetze und Kliffs meide: "Am Ende geht es um das richtige Steuern des U-Boots. Man muss sich von den Gefahren fernhalten."
In der Rolle des Kapitäns gefiel sich der 61-Jährige offenbar. Als Kind wollte er nach eigenen Angaben Astronaut werden und machte 1984 sogar seinen Abschluss als Raumfahrtingenieur. Dann sei ihm eines klar geworden, so Rush in dem CBS-Interview: "Es ging gar nicht darum, ins All zu fliegen, sondern darum, neue Lebensformen zu entdecken." Sein Vorbild: der risikofreudige Held der "Star Trek"-Serie aus den 60er-Jahren. "Ich wollte eine Art Captain Kirk werden", sagte Rush.
"Titan" galt seit Sonntag als vermisst
Die "Titan" war am Sonntag zu einer touristischen Tauchfahrt zum in rund 3.800 Metern Tiefe liegenden Wrack der 1912 gesunkenen "Titanic" aufgebrochen. Nach eindreiviertel Stunden brach der Kontakt zum Begleitschiff ab, von dem etwa 6,5 Meter langen U-Boot fehlte seitdem jede Spur.
Am Donnerstag gab die US-Küstenwache dann den Fund eines "Trümmerfeldes" nahe dem Wrack der "Titanic" bekannt und bestätigte kurz darauf, dass es sich dabei um Trümmer der "Titan" handelte. Diese lagen rund 400 Meter vom Wrack der "Titanic" entfernt auf dem Meeresboden.
- nytimes.com: "OceanGate Was Warned of Potential for ‘Catastrophic’ Problems With Titanic Mission" (englisch; Stand: 21. Juni 2023)
- CBS Sunday @youtube.com: "A visit to RMS Titanic" (englisch; Stand: 21. Juni 2023)
- Nachrichtenagentur dpa