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Trauma-Experte zu Maddie McCann: "Hoffnung, das vermisste Kind wiederzufinden"


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Frau gibt sich als Maddie McCann aus
"Da entsteht Hoffnung, das vermisste Kind wiederzufinden"

InterviewVon Camille Haldner

Aktualisiert am 23.02.2023Lesedauer: 4 Min.
Kate und Gerry McCann: Die Eltern der seit 16 Jahren verschwundenen Maddie haben bisher nicht auf die Behauptung einer jungen Frau reagiert, ihre vermisste Tochter zu sein.Vergrößern des Bildes
Kate und Gerry McCann: Die Eltern der seit fast 16 Jahren verschwundenen Maddie haben bisher nicht auf die Behauptung einer jungen Frau reagiert, ihre vermisste Tochter zu sein. (Quelle: CordonPress/imago-images-bilder)
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Bei Instagram behauptet eine Frau, die verschwundene Maddie McCann zu sein. Ein Psychiater erklärt, was die Aussage möglicherweise bei den Eltern auslöst.

Eine junge Frau behauptet bei Instagram, die vor bald 16 Jahren verschwundene Britin Maddie McCann zu sein. Auf ihrem Account teilt sie Collagen und Videos, die eine Ähnlichkeit zwischen ihr und dem verschwundenen Mädchen belegen sollen. Mittlerweile folgen der in Polen lebenden Frau eine Million Menschen.

In ihrem Profil schreibt sie, dass die Eltern der vermissten Maddie McCann einem DNA-Test zugestimmt haben. Das britische Ehepaar, das jahrelang öffentlichkeitswirksam nach seinem Kind gesucht hat, hat sich bislang allerdings nicht zu der Angelegenheit geäußert. Mehr zu den Hintergründen des Falls lesen Sie hier.

Alexander Jatzko, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, kann die Zurückhaltung der McCanns gut verstehen. Im Interview mit t-online erklärt der Experte für Traumafolgestörungen, wie das Ehepaar die Situation möglicherweise erlebt – und gibt eine mögliche Erklärung für das Verhalten der jungen Frau, die behauptet, Maddie zu sein.

t-online: Herr Jatzko, was macht es mit Eltern, wenn plötzlich die Hoffnung besteht, dass ein seit Jahren vermisstes Kind, wieder aufgetaucht sein könnte?

Alexander Jatzko: Das kommt stark darauf an, an welchem Punkt die Eltern stehen. Ob sie davon ausgehen, dass das Kind tot ist – oder ob sie das Gefühl haben, dass es noch lebt. Nach so vielen Jahren gehen Eltern tendenziell davon aus, dass das Kind nicht zu ihnen zurückkommt. Wenn sich aber wie jetzt nach all der Zeit jemand meldet und behauptet, das vermisste Kind zu sein, wird es schwierig für die Eltern.

Wie genau meinen Sie das?

Es ist keine leichte Entscheidung, ob man dieser Aussage glaubt. Es ist immer möglich, dass sich jemand einen bösen Scherz erlaubt oder als Trittbrettfahrer irgendwie von dieser Situation profitieren möchte. So etwas verunsichert auf jeden Fall sehr.

Die McCanns haben sich bisher nicht zu der Angelegenheit geäußert. Angenommen, dass für die beiden ebenfalls unklar ist, ob es sich bei der Frau um ihr vermisstes Kind handelt – was geht da in den Eltern vor?

Häufig entsteht da völliges Chaos bei den Eltern. Auf der einen Seite ist da Hoffnung, das vermisste Kind wiederzufinden. Auf der anderen Seite dürften die McCanns auf der Hut sein. Vielleicht lehnen sie die Nachricht sogar ab.

Warum?

Weil sie vermutlich nicht zum Narren gehalten werden wollen. Die McCanns sind wahrscheinlich hin- und hergerissen. Und dann dürften sie wohl daran denken, was ihr Kind in den vergangenen Jahren durchlebt haben könnte. Da tauchen Fragen auf wie: Warum hat sie sich in all der Zeit nicht gemeldet? Wie kommt sie jetzt darauf, dass wir ihre Eltern sein könnten? Die Gedanken fliegen in alle möglichen Richtungen.

Was raten Sie im Umgang mit so einer Situation?

In so einem Fall ist es wichtig, ins Handeln zu kommen. Für die McCanns bedeutet das, einen DNA-Test zu machen und dadurch Antworten zu erhalten. Darüber hinaus sollten Eltern versuchen, möglichst wenig zu grübeln.

Weil das sowieso zu nichts führt?

Genau. Außer dazu, dass schreckliche Gefühle hochkommen. Eltern machen sich dann natürlich dauernd Gedanken, was passiert sein könnte. Besonders schlimm ist die Vorstellung, dass das Kind Opfer eines Gewaltverbrechens sein könnte. Wichtig ist, die Gedanken nicht unkontrolliert rasen zu lassen, sondern abzuwarten, wie das Ergebnis ausfällt, und dann ausgehend von einer Gewissheit weiterzumachen. Aktuell scheint es so, als würden die McCanns sich bewusst schützen, was ihnen im Umgang mit dieser Angelegenheit bestimmt hilft.

Gemäß der Frau, die von sich behauptet, die vermisste Maddie zu sein, haben die McCanns einem DNA-Test zugestimmt. Bisher haben die beiden diese Aussage allerdings nicht kommentiert. Was könnte der Grund dafür sein?

Wenn das eigene Kind vermisst wird, ist das eine riesige Katastrophe. Gut möglich, dass sich schon mehrere vermeintliche Kinder bei den Eltern gemeldet haben und sie deshalb sehr skeptisch sind. Es ist völlig nachvollziehbar, dass die McCanns vorsichtig sind und sich dadurch selbst schützen. Dafür spricht auch, dass sie sich bisher nicht zu dem Fall geäußert haben. So ein plötzlicher Kontaktversuch nach so langer Zeit macht zuerst misstrauisch.

Alexander Jatzko ist Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Westpfalz-Klinikum GmbH.
Alexander Jatzko ist Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Westpfalz-Klinikum GmbH. (Quelle: Westpfalz-Klinikum)

Alexander Jatzko ist Chefarzt an der Klinik für Psychosomatik am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern. Er ist spezialisiert auf Traumafolgestörungen nach Katastrophen. Jatzko ist außerdem Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Katastrophen-Nachsorge, die sich für die psychosoziale Betreuung von Opfern und Betroffenen engagiert.

Was können betroffene Eltern tun, um sich in so einer Situation zu schützen und die seelischen und körperlichen Folgen abzufedern?

Neben Skepsis, die die Eltern im Idealfall schützt, besteht dennoch ein wenig Hoffnung, das vermisste Kind wiederzufinden. Diese nicht zu sehr an sich heranzulassen, ist erst mal ein guter Weg.

Der Frau, die behauptet, Maddie zu sein, folgen eine Million Menschen, darunter zahlreiche skeptische Personen. Sie lädt aktuell Bilder und Videos hoch, um ihre Aussage zu stützen und wirkt dabei verzweifelt. Auch wenn sich das aus der Ferne nur schwer beurteilen lässt: Was könnte in so einer Person vorgehen?

Es kann sein, dass die Frau überzeugt ist, Maddie McCann zu sein. Dafür spricht die Tatsache, dass sie einen DNA-Test machen möchte. Wir kennen die genauen Hintergründe nicht, aber diese junge Frau scheint eine eigene Leidensgeschichte durchlebt zu haben.

Sollte sich nicht bestätigen, dass die Frau tatsächlich Maddie McCann ist: Könnte es sein, dass es ihr bei der Aktion um Aufmerksamkeit geht?

Das ist möglich. Vielleicht behauptet sie bewusst falsche Tatsachen. Genauso kann es aber sein, dass sie einem Irrtum unterliegt. Sollte sich herausstellen, dass ihre Aussagen falsch sind, wird es sehr schwierig für sie. Dann muss sie sich sehr gut schützen, da vermutlich ein Shitstorm über sie hereinbricht und ihr Vorwürfe gemacht werden. Hinzu kommt möglicherweise ihre eigene Enttäuschung darüber, nicht die Tochter der McCanns zu sein. In diesem Fall sollte die Frau psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen.

Falls sich bewahrheiten sollte, dass es sich bei der Frau um das vermisste Kind handelt: Was geschieht dann bei den betroffenen Eltern?

Der erste Schritt wird natürlich ein sofortiges Treffen sein. Danach müssten Eltern und die mögliche Tochter schauen, wie sie sich annähern. Das ist eine sehr aufregende Zeit. Gleichzeitig müssten die Eltern auch davon ausgehen, dass diese junge Frau womöglich viel Leid erfahren hat. Je nachdem, was sie erlebt habt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie eine Traumatherapie braucht. Das würde ein sehr beschwerlicher Weg.

Herr Jatzko, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Telefonisches Gespräch mit Dr. med. Alexander Jatzko am 21.2.2023
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