Bodycam-Aufnahmen Schockierendes Video zeigt tödliche Polizeigewalt
Der schwarze US-Amerikaner Tyre Nichols starb Anfang Januar an den Folgen einer brutalen Verkehrskontrolle. Nun hat die Polizei ein Video des Einsatzes veröffentlicht.
Mit großer Anspannung war in den USA die Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines brutalen Polizeieinsatzes erwartet worden, nach dem ein 29-jähriger Schwarzer an seinen Verletzungen gestorben war. Am Freitagabend (Ortszeit) wurden von der Polizei in Memphis im Bundesstaat Tennessee mehrere Videos freigegeben, die den Vorfall aus verschiedenen Einstellungen zeigen.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich von den Bildern schockiert und "zutiefst betrübt". Der Vorfall sei "eine erneute schmerzhafte Erinnerung daran, dass schwarze und braune US-Amerikaner täglich Angst, Trauma, Schmerz und Verzweiflung erleben". Gleichzeitig rief er angesichts befürchteter Ausschreitungen erneut zur Ruhe auf.
Das Video hat vielerorts für Empörung gesorgt. Der Stadtratsvorsitzende von Memphis, Martavius Jones, rang in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN um Fassung, nachdem er die Aufnahmen gesehen hatte. "Es war eine Verkehrskontrolle", so Jones, "so hätte es nie enden dürfen."
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An mehreren Orten kam es bereits zu Protesten. Demonstranten blockierten am Abend friedlich eine wichtige Autobahn, die durch Memphis führt. Viele hielten Schilder hoch, auf denen "Gerechtigkeit für Tyre" geschrieben stand. Bei Protesten in New York wurden Medienberichten zufolge drei Menschen festgenommen – ein Demonstrant hatte zuvor die Windschutzscheibe eines Polizeiwagens eingetreten.
Körperkameras filmten Attacke der Beamten
Drei Wochen nach dem Tod des Schwarzen Tyre Nichols bei einer Verkehrskontrolle in Memphis haben die Behörden ein schockierendes Video veröffentlicht, das die ganze Brutalität des Polizeieinsatzes zeigt. Zu sehen ist unter anderem, wie die inzwischen festgenommenen Beamten immer wieder auf ihr Opfer einschlagen und eintreten.
In den nun veröffentlichten Videos ist zu sehen, wie Tyre Nichols zuerst von der Polizei in seinem Auto angehalten wird. Daraufhin ziehen die Beamten ihn aus dem Auto und drücken ihn zu Boden. Immer wieder brüllen ihn die Polizisten in den Aufnahmen sichtlich aufgebracht an, er solle sich auf den Boden legen. Dabei liegt Nichols bereits am Boden. Nichols erscheint in der Situation besonnen, sagt den Polizisten mehrmals, sie sollen aufhören.
Er sei auf dem Weg nach Hause, hört man Nichols sagen und: "Ich habe nichts getan." Schließlich gelingt es Nichols, sich loszureißen und zu Fuß zu fliehen. Der Versuch eines Beamten, ihn mit einem Elektroschocker aufzuhalten, schlägt fehl.
Nichols wird an einer anderen Straßenkreuzung von Beamten gefasst. Aus drei verschiedenen Perspektiven, aufgenommen von den Körperkameras der Beamten sowie von einer festinstallierten Kamera an einer Straßenlaterne, ist zu sehen, was sich dann abspielt. Mehrere Beamte halten Nichols fest, während ihn andere Polizisten mehrmals brutal mit Fäusten und einem Schlagstock schlagen. In einem Video sieht es so aus, als sprühe ihm ein Polizist etwas ins Gesicht. Nichols stöhnt und jammert. Mehrmals ruft er laut nach seiner Mutter.
In einer anderen Einstellung ist zu sehen, wie zwei Polizisten Nichols' Oberkörper hochhalten, während ihm ein dritter Beamter gegen den Kopf tritt. Danach schleifen die Einsatzkräfte den schwer verletzten Nichols zu einem nahen Einsatzfahrzeug und lehnen seinen Oberkörper gegen die Seite des Wagens.
Anklage wegen Mordes
Im Fall Nichols wurden fünf der beteiligten Polizisten, die nach dem Vorfall vom 7. Januar entlassen wurden, am Donnerstag wegen Mordes und anderer Straftaten angeklagt. Nach der Veröffentlichung des Videos gab der Sheriff des Bezirks bekannt, dass zwei seiner Beamten, die ebenfalls am Tatort waren, vom Dienst freigestellt worden seien. Es laufe eine interne Untersuchung. Auch gegen zwei Einsatzkräfte der Feuerwehr werde ermittelt, berichtete der Sender CNN.
Der Fall ist auch deswegen brisant, weil Nichols schwarz war und es in den USA immer wieder zu tödlicher Polizeigewalt kommt, der überwiegend schwarze Menschen zum Opfer fallen. Die Anwälte der Familie prangerten rassistisches Vorgehen der US-Polizei gegen Schwarze im Land an. Die fünf angeklagten Ex-Polizisten sind ebenfalls schwarz.
Ein Vorstandsmitglied der Black-Lives-Matter-Bewegung sagte dazu am Abend in einer Mitteilung, jeder, der in einem System arbeite, das staatlich sanktionierte Gewalt anwende, mache sich der Aufrechterhaltung weißer Vorherrschaft mitschuldig. Assimilation in ein anti-schwarzes System sei eine der gefährlichsten Waffen weißer Vorherrschaft, hieß es.
Schwarze US-Familien warnen ihre Kinder
In der Vergangenheit haben derartige Übergriffe wiederholt heftige Proteste im ganzen Land ausgelöst. So führte die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch den weißen Polizisten Derek Chauvin im Mai 2020 zu landesweiten Demonstrationen und teils gewaltsamen Ausschreitungen. Nichols' Fall wird auch oft mit dem Angriff auf Rodney King verglichen. King war 1991 in Los Angeles brutal von der Polizei verprügelt worden.
Ander als Nichols überlebte King jedoch schwer verletzt. In schwarzen Familien in den USA ist es üblich, dass Eltern ihren Kindern besondere Verhaltensregeln beibringen, um deren Überlebenschancen bei einer Konfrontation mit der Polizei zu erhöhen.
- Nachrichtenagentur dpa