Messerattacke in Lübeck "Die Passagiere schrien. Es war furchtbar"
Nach der Messerattacke in Lübeck rätseln die Ermittler über das Motiv. In einem Linienbus spielten sich dramatische Szenen ab. Möglicherweise hätte der Übergriff weitaus schlimmer ausgehen können.
Voll besetzt ist der weiße Linienbus auf dem Weg von Lübeck ins Ostseebad Travemünde unterwegs. Viele Menschen sind am frühen Freitagnachmittag auf dem Weg ins Wochenende. Einige wollen möglicherweise zur Travemünder Woche, die am Abend eröffnet werden soll. Plötzlich spielen sich im dem Bus der Linie 30 auf der Travemünder Landstraße im Stadtteil Kücknitz dramatische Szenen ab.
Kurz vor der Haltestelle Bahnhof Kücknitz sticht einer der Fahrgäste mit einem Messer auf andere Fahrgäste ein. Um 13.47 Uhr wird die Polizei alarmiert. Der Fahrer reagiert geistesgegenwärtig: Er stoppt den Bus und öffnet die Türen, damit die Menschen fliehen können. Dann können andere Mitfahrer den Angreifer überwältigen.
Täter stammt angeblich aus dem Iran
Beamte nehmen den mutmaßlichen Täter kurze Zeit später fest, sperren die Umgebung der Bushaltestelle weiträumig ab. Der Täter befinde sich in Polizeigewahrsam, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Lübecker Staatsanwaltschaft. Und Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) sagt am späten Nachmittag bei einem Besuch des Tatorts: "Mein letzter Stand ist, dass es neun Verletzte gibt: sechs durch Messerverletzungen."
Die Hintergründe der Tat und auch ihr genauer Ablauf sind am frühen Freitagabend noch unklar. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um einen 34 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen. Laut "Lübecker Nachrichten" und "Bild" stammt er ursprünglich aus dem Iran, soll aber schon seit Jahren in Lübeck gelebt haben. Der mutmaßliche Täter hatte einen Rucksack dabei, der im Bus angezündet wurde. Darin war Brandbeschleuniger.
"Da stach der Täter ihn in die Brust"
Er habe furchtbares Geschrei gehört, sagt Anwohner Lothar Heuer. "Als ob zwei Völker aufeinander losgehen." Dann sei er zum Helfen losgeeilt. Die "Lübecker Nachrichten" zitieren eine Augenzeugin des Geschehens: "Eines der Opfer hatte gerade seinen Platz einer älteren Frau angeboten, da stach der Täter ihn in die Brust. Es war ein Gemetzel." Die Augenzeugin wird nach der Gewalttat von der Polizei betreut. Ein Anwohner schildert das Geschehen so: "Die Passagiere sprangen aus dem Bus und schrien. Es war furchtbar."
Rätselraten herrscht am Freitagabend noch über die Motive des mutmaßlichen Täters. "Nichts ist auszuschließen, auch kein terroristischer Hintergrund", sagt Hingst. Es gebe aber keine solchen Hinweise. Weitere Erkenntnisse erhoffen sich die Beamten von der für den Abend geplanten Vernehmung des Mannes.
Bisher keine Hinweise auf Radikalisierung
Innenminister Grote und Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) machen sich am Tatort selbst ein Bild von der Lage. Lindenau spricht anschließend von "einer entsetzlichen Tat". Grote war ohnehin bereits in der Gegend. Er wollte ursprünglich an der Eröffnung der Travemünder Woche teilnehmen. Das wäre nach der Gewalttat in dem Bus aber "wirklich fehl am Platze", sagt er.
Nun recherchieren die Ermittler den Hintergrund des mutmaßlichen Täters. "All dieses läuft momentan, sowohl mit der Polizei als auch dem Verfassungsschutz", sagt Grote. Die Behörden prüften, ob es verdächtige Verbindungen des Mannes gebe. "Aber nach derzeitigem Stand ist dies zumindest jetzt nicht bekannt." Auch nach Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es keine Hinweise auf eine Radikalisierung des mutmaßlichen Täters.
Nachdem der Bus am frühen Abend abgeschleppt wird, bleibt weißes Löschmittel auf der Travemünder Allee zurück. Dort hatte der Bus während des Angriffs gehalten.