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Gesperrt nach Waffenfoto: YouTuber bejammert Gesetz


Schüsse angekündigt
Gesperrt nach Waffenfoto: YouTube-Rüpel bejammert Zensur

t-online, Lars Wienand

04.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Tanzverbot wurde nach dem Foto mit einer Softairwaffe von Twitter gesperrt – aber dann doch nicht dauerhaft.Vergrößern des Bildes
Tanzverbot wurde nach dem Foto mit einer Softairwaffe von Twitter gesperrt – aber dann doch nicht dauerhaft. (Quelle: Screenshot Twitter/Montage T-Online)

Ein YouTuber veröffentlicht ein Foto mit einer Waffe und Drohungen – weil ihn Twitter sperrt, sieht er sich als Opfer eines neuen Gesetzes. Wohl zu Unrecht.

Mit Prollen und Pöbeln ist Kilian Heinrich alias "Tanzverbot" zu einem bekannten, zumindest aber zu einem der umstrittensten YouTuber in Deutschland geworden. Knapp 600.000 Abonnenten hat er bisher gewonnen. Andere Szenegrößen übel zu beschimpfen, gehört zu seiner Masche. Peinlich zu sein, ist ein Markenzeichen, das Fans an ihm mögen. Er zeigt in Wut-Monologen schon mal den Mittelfinger in die Kamera.

Jetzt beließ er es aber nicht beim Mittelfinger. Er fotografierte sich mit einer Waffe, dazu dem Spruch "Wer nächstes mal beeft bekommt schüsse ab" (Schreibweise unverändert). Schüsse für die also, die ihn blöd anmachen. Die Folge: Andere Nutzer meldeten sein Posting, die eingeschaltete Polizei stand bei ihm auf der Matte, er bekam eine Anzeige wegen Störung des öffentlichen Friedens. Und Twitter und Facebook machten seinen Account dicht.

Für ihn Anlass, sich als Opfer eines neues Gesetzes zu sehen, das derzeit auch das Satiremagazin "Titanic" beschäftigt und Sorgen vor Zensur durch soziale Netzwerke schürt. Aber Experten sagen: Seine Sperrung hat andere Gründe.

"Ich habe mein halbes Leben verloren"

Völlig folgerichtiges Vorgehen, wenn ein Unbekannter mit einer vielleicht scharfen Waffe so vorgeht. Völlig überzogen, meinen auf Twitter selbst Nutzer, denen "Tanzverbot" zum Fremdschämen noch zu blöd ist. Die Waffe ist eine Softair-Pistole, wie Nutzer anhand der Aufschrift schnell herausgefunden hatten.

Und das Verhalten sei eben das von ihm typische Geprolle. "Ich habe nichts gemacht, ich habe niemandem geschadet", tönt er selbst in einem Video. Er habe das doch "extra hässlich geschrieben, so richtig trollmäßig". Und nun habe er mit dem Twitter-Account "mein halbes Leben verloren". Sein verzweifeltes Gejammer soll auch auf Twitter-Mitarbeiter Eindruck gemacht haben.

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In dem Video bringt er auch "das neue Gesetz" ins Gespräch, "Ich habe gehört, dass jetzt alles noch mehr zensiert wird im Internet". Er fragt: "Kann es sein, dass ich das erste Opfer bin?" Damit löst er auf Twitter und in Kommentaren unter dem Video auch Empörung unter Fans aus.

Er meint das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG. Betreiber sozialer Netzwerke sollen mit der Androhung von Strafen zur Löschung von rechtswidrigen und kriminellen Hasskommentaren innerhalb von 24 Stunden gezwungen werden. Funktioniert das System nicht, drohen millionenschwere Geldstrafen.

Tweet war Verstoß gegen Twitters Regeln

Und wenn derzeit auf Twitter ein Kommentar blockiert wird, prangern Betroffene wie "Tanzverbot" das Gesetz an. Dabei, so meint der Mainzer Rechtsanwalt Stephan Schmidt, Fachanwalt für IT-Recht, dürfte zumindest die Sperrung von "Tanzverbots" Account überhaupt nichts damit zu tun haben.

Der Tweet stelle für Twitter wohl einen Verstoß gegen die Nutzungsregeln dar, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes galten, so Schmidt, der ein Kritiker des Gesetzes ist und einer der Erstunterzeichner einer "Deklaration für Meinungsfreiheit" war. Nutzer, die "Tanzverbot" gemeldet hatten, bekamen automatische Antworten von Twitter, es handelte sich um einen Verstoß gegen Twitters Richtlinien zu Gewaltandrohung.

Account wurde am Abend wieder freigegeben

Lange wurde dem Netzwerk vorgeworfen, bei Stalking und Drohungen nicht richtig hinzuschauen. Gegen Ende des vergangenen Jahres hat Twitter aber seine Zügel angezogen und ein strikteres Vorgehen angekündigt – global. Schmidt dazu: "Das Gesetz in Deutschland geht Hand in Hand mit Twitters weltweiter Verschärfung der Standards und einer Aufrüstung bei den Lösch-Teams." Und es kann dazu führen, dass jetzt massenhaft Tweets gemeldet werden, um andere Meinungen zu unterdrücken – oder nervige YouTuber.

Die Verbannung von "Tanzverbots" Account war dabei aber offenbar auch in den Augen von Experten bei Twitter übers Ziel hinausgeschossen. Am Donnerstagabend deutscher Zeit, als in Kalifornien die Zuständigen im Büro waren, war "Tanzverbot" wieder frei. Schmidt erinnert aber: "Es gibt keinen Rechtsanspruch auf einen Twitter-Account." Ein Twitter-Sprecher wollte den Fall nicht kommentieren.

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Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands Frank Überall glaubt, das Netzwerk handele in „vorauseilenden Gehorsam, um mögliche Geldstrafen nach dem NetzDG zu verhindern“. Auch Rechtsanwalt Schmidt fürchtet den falschen Anreiz, im Zweifel eher zu löschen.

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"Titanic" für Storch-Parodie blockiert

Diese Sorgen machen sich gerade an einem anderen Fal fest: Das Satiremagazin "Titanic" hatte so getan, als habe auf ihrem Twitter-Account die AfD-Politikerin Beatrix von Storch fast wörtlich einen Tweet wiederholt. Deren Originaltweet zur Silvesternacht über "muslimische Männerhorden" hatte ihr eine Blockade eingebracht, bis sie ihn gelöscht hatte. Die Satirezeitschrift bekam für die Parodie aber die gleiche Reaktion.

Die Redaktion löscht aber bisher nicht, sondern lässt es darauf ankommen. Und Twitter lässt den Tweet offenbar auch nach weiteren Prüfungen nicht als Satire durchgehen, obwohl er klar als solche erkennbar ist.

Hier sieht Schmidt beispielhaft das Problem des Gesetzes: "Ob etwas Satire ist, sollte im Zweifelsfall der Klärung eines Gerichts überlassen bleiben." Der Fall zeige auch, dass es keinen Rechtsschutz gegen falsche Löschungen gibt. Das Problem gab es aber schon vorher. Oder wie "Tanzverbot" klagte, als er noch gesperrt war: "Ich bin so machtlos, ich kann nichts machen."

Update, 5. Januar: Nach rund 48 Stunden ist auch die "Titanic" wieder entsperrt.

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Quellen und weiterführende Informationen:

- Eigene Recherchen
- Twitter
- Titanic zu Sperre und Entsperrung

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