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Starnberg: Was Jens Lehmann zum Urteil im Kettensägen-Prozess sagt


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Jens Lehmann verurteilt
"Mit der Kettensäge in den Händen werden Helden zu Legenden"


22.12.2023Lesedauer: 3 Min.
Jens Lehmann betritt den Gerichtssaal in Starnberg. Etliche Medienvertreter sind auch gekommen und wollen den Prozess verfolgen.Vergrößern des Bildes
Jens Lehmann betritt den Gerichtssaal in Starnberg. Etliche Medienvertreter sind auch gekommen und wollen den Prozess verfolgen. (Quelle: Patrik Stäbler )
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Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann ist vom Amtsgericht Starnberg zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Vor Gericht zeigt er sich "verwundert".

Das letzte Wort hat wie immer der Angeklagte – und wer das Sommermärchen 2006 noch vor Augen hat, den würde es nicht wundern, wenn der Mann im dunklen Anzug sich nun bückte und einen Spickzettel aus den Socken zöge. Genau das hat er nämlich im Elfmeterschießen jenes Fußballweltmeisterschaft-Viertelfinales zwischen Deutschland und Argentinien getan, ehe er zwei Strafstöße parierte und sein Team so zum Sieg führte.

Der Torwart wurde damals zum Helden, sein Spickzettel kam ins Haus der Deutschen Geschichte. Doch das ist lange her. Im Hier und Heute sitzt jener Jens Lehmann, der WM-Held a. D., im Saal 125 des Starnberger Amtsgerichts auf der Anklagebank – und holt keinen Zettel hervor. Stattdessen bringt er als letztes Wort eine weitschweifige Erklärung vor, wonach ihn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft "sehr verwundern".

Mit gesenktem Blick lauscht er der Urteilsbegründung

Kurz darauf verkündet Richterin Tanja Walter das Urteil, und das hat es in sich: Wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und versuchten Betrugs verhängt das Gericht eine Geldstrafe in Höhe von 210 Tagessätzen à 2.000 Euro – insgesamt also 420.000 Euro. Jens Lehmann nimmt das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, nahezu regungslos zur Kenntnis. Nur kurz fragt er seinen Verteidiger Christoph Rückel im Flüsterton, ob er etwas sagen dürfe. Doch nachdem dieser den Kopf geschüttelt und den Zeigefinger auf die Lippen gelegt hat, lehnt sich Lehmann zurück, verschränkt seine Hände und lauscht mit gesenktem Blick der Urteilsbegründung.

Im Anschluss eilt der frühere Nationaltorwart, der mit seiner Familie im nahen Berg wohnt, zum Hinterausgang des Gerichts hinaus – still und leise. Ganz anders trat er im Juli 2022 auf, als ein langjähriger Streit mit seinem 92-jährigen Nachbarn eskalierte. Mit der Kettensäge in der Hand marschierte Lehmann damals aufs Nachbargrundstück und sägte dort den Dachbalken einer neu gebauten Garage durch; anschließend fällte er noch eine junge Birke im Garten des 92-Jährigen. Um diese Taten zu "verschleiern", so die Richterin, hatte Lehmann zuvor ein Kabel der Überwachungskamera herausgerissen.

Richterin: "Mit hanebüchenen Geschichten"

Was er nicht wusste: Dank Batterien zeichnete diese das Geschehen dennoch auf. Schon vor der Kettensägen-Aktion hatte Lehmann zwei Polizeibeamte beleidigt, als diese zu seinem Haus gekommen waren, um seinen Führerschein einzuziehen. Nicht nur nannte der 54-Jährige die beiden "durchtriebene Lügner", sondern fragte obendrein eine Polizistin, ob diese "eine Fehlschaltung im Gehirn" habe. Hinzu kamen zwei weitere Vorfälle am Flughafen München, bei denen Lehmann jeweils Stoßstange an Stoßstange hinter einem vorausfahrenden Auto aus einem Parkhaus fuhr – ohne das Parkticket bezahlt zu haben.

Diesen versuchten Betrug, ebenso wie die Attacke auf dem Nachbargrundstück, habe Lehmann in der Verhandlung mit "hanebüchenen Geschichten" zu erklären versucht, sagt die Richterin. So stellte der Ex-Profi die Vorfälle am Flughafen als Missverständnis dar. Und bei seinem Nachbarn habe er sich bloß "einen Überblick über die Heckensituation verschaffen" wollen – mit der Kettensäge, da er damit zuvor die Hecke geschnitten habe.

Jens Lehmann sieht sich als Opfer der Medien

Doch nicht nur wegen derlei Aussagen gibt Jens Lehmann im Prozess – vorsichtig gesagt – keine vorteilhafte Figur ab. So sorgt der "arbeitslose Fußballtrainer", wie er sich bei der Frage nach seinem Beruf bezeichnet, im Gerichtssaal mehrfach für Irritationen. Vor Beginn des zweiten Prozesstags baut er sich etwa vor den Presseleuten im Zuschauerraum auf und fragt mit funkelnden Augen: "Wer ist von der 'Bild'?"

Der Grund hierfür offenbart sich in der Verhandlung. Denn noch ehe die Zeugenvernehmung beginnt, wirft Lehmann der Staatsanwaltschaft vor, dass diese Akten an die Boulevardzeitung weitergegeben habe – was der Staatsanwalt scharf zurückweist. Als Lehmann später nach seinem Familienstand gefragt wird, erkundigt er sich unvermittelt bei der Richterin: "Sind Sie verheiratet?" Und als es um seine finanzielle Situation geht, klagt er mit Blick auf eine frühere Verurteilung wegen Steuerhinterziehung: "Ich habe dem Staat schon sehr viel Geld bezahlt."

Doch nicht nur als Opfer der Justiz sieht sich Lehmann, sondern auch als Opfer der Medien. So sei deren Berichterstattung schuld daran, sagt Lehmann, dass er keinen Job als Fußballtrainer finde. "Was ist schlimmer: Mord oder Rufmord?", hatte der Ex-Torwart zu Prozessbeginn gefragt. Darauf Bezug nehmend stellt die Richterin in ihrer Urteilsbegründung klar: "Der Einzige, der sich hier rufschädigend verhalten hat, ist der Angeklagte selbst." Oder wie es Staatsanwalt Stefan Kreutzer in seinem Plädoyer formuliert hat: "Mit der Kettensäge in den Händen werden Helden zu Legenden. In den Händen von arbeitslosen Fußballtrainern jedoch können Kettensägen zum Fall für die Justiz werden."

Verwendete Quellen
  • Recherche vor Ort
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