Sexuelle Übergriffe? Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Missbrauchs an Polizeischule
Thüringens Innenminister Georg Maier steht unter Druck. An der Polizeischule des Bundeslandes soll es zu sexualisierter Gewalt gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Die Staatsanwaltschaft in Thüringen ermittelt offenbar wegen sexuellen Missbrauchs, Belästigung und Mobbing gegen Polizeianwärter und Lehrkräfte der einzigen Polizeischule in Thüringen. Das berichtet der "Spiegel" unter Berufung auf ein internes Dokument des Innenausschusses. Demnach seien die Ermittlungen in insgesamt acht Fällen durch eine erste Aussage bei der Polizei angestoßen worden, die Justiz sei jedoch offenbar auf weitere Fälle gestoßen.
Diese sollen sich zwischen den Jahren 2017 und 2023 an der Polizeischule in Meiningen ereignet haben. Ein ehemaliger Polizeianwärter soll eine jugendliche Polizeianwärterin sexuell missbraucht haben. Wegen des Falls, der bereits sechs Jahre zurückliege, laufe ein Strafermittlungsverfahren, berichtet der "Spiegel".
In zwei weiteren Fällen laufen demnach Strafermittlungen und Disziplinarverfahren gegen zwei ehemalige Beamte, die vor vier bis sechs Jahren versucht haben sollen, ihnen Schutzbefohlene sexuell zu missbrauchen. In weiteren Fällen werde gegen mehrere Polizeianwärter wegen sexuell motivierter Beleidigung und sexueller Nötigung ermittelt. Auch soll ein Polizeianwärter einer Kollegin außerhalb des Dienstes nachgestellt und sie verletzt haben. Gegen ihn werde ebenfalls ermittelt. Ob eine Anklage gegen einen oder mehrere Verdächtige erhoben wird, prüfe die Staatsanwaltschaft noch.
Gute Noten gegen sexuelle Handlungen
Wie ehemalige Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte dem "Spiegel" anonym geschildert haben, soll an der Polizeischule ein hierarchisches System herrschen, in dem derartige Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt von den Beteiligten heruntergespielt werde. Auch sollen Lehrkräfte Schutzbefohlene unter Druck gesetzt haben, indem sie gute Noten gegen sexuelle Handlungen vergaben.
Ein Ausbilder soll einer Schutzbefohlenen zudem gesagt haben, dass es im Bildungszentrum ein Zimmer gebe, an dem er sich regelmäßig mit Polizeianwärterinnen getroffen und als Trophäen deren Klett-Namensschilder aufbewahrt habe. Laut den Recherchen des "Spiegels" werde dieses Zimmer unter Auszubildenden als "Nest" bezeichnet.
Innenminister Maier versuchte Recherchen wohl zu beeinflussen
Insgesamt seien laut dem Dokument des Innenausschusses allein zwischen Oktober 2020 und Oktober 2022 15 Personen von der Polizeischule entlassen oder versetzt worden. Ein Zusammenhang zu den Fällen gehe aus dem Dokument nicht hervor, auch wollen es die Behörden offiziell nicht bestätigen, schreibt der "Spiegel".
Innenminister Georg Maier (SPD), der kurz vor der nächsten Landtagswahl in Thüringen steht, poche dagegen auf die Unschuldsvermutung und betont, er sei nach Bekanntwerden der Vorwürfe umgehend tätig geworden, indem er drei Beamte etwa versetzt und einen neuen Leiter der Polizeischule bestimmt habe.
Einen Fragenkatalog des Spiegels habe Maier jedoch nicht beantworten wollen. Auch habe er versucht, die Recherchen des "Spiegels" zu beeinflussen, schreibt die Journalistin Sarah Ulrich auf dem Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter.
- spiegel.de: "Das Nest auf dem Drachenberg" (kostenpflichtig)
- twitter.com: @ulrich_srh