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Italiener und Urlauber leiden unter Hitze und Trockenheit


Wetter-Notstand droht
Italiener und Urlauber leiden unter Hitze und Trockenheit

Von dpa
29.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Im Fluss Po fehlt so viel Wasser wie seit 70 Jahren nicht mehr.Vergrößern des Bildes
Im Fluss Po fehlt so viel Wasser wie seit 70 Jahren nicht mehr. (Quelle: Manuel Romano/imago-images-bilder)

Extreme Hitze, Dürre, Brände und eine Heuschreckenplage – Italien leidet unter einer Wetterkrise und ihren Folgen. Das könnte auch Folgen für Urlauber haben.

Dürre, Hitze, Brände und sogar eine Heuschreckenplage auf Sardinien: Italien ächzt unter einem Sommeranfang der klimatischen Extreme. Während eine historische Trockenperiode schon seit Wochen den Norden des Mittelmeerlandes heimsucht, werden nun pünktlich zum Start der Urlaubssaison auffallend hohe Temperaturen und immer mehr Feuer registriert. Die arg leidenden Regionen fordern von der Regierung in Rom von Tag zu Tag eindringlicher den Wetter-Notstand – von den Maßnahmen könnten auch Gäste und Touristen betroffen sein.

Von "besorgniserregenden Daten" sprach Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. In einigen Teilen des Landes wird seit vielen Wochen Alarm geschlagen. Italiens längster Fluss Po, die Lebensader der reichen Regionen im Norden, führt so wenig Wasser wie seit 70 Jahren nicht, nämlich nur noch 20 Prozent der eigentlich im Juni gewohnten Menge.

"Wir haben noch nie so eine Krise erlebt"

Statt eines mächtigen Stroms ist der Po an einigen Stellen nur noch ein Rinnsal, Satellitenaufnahmen zeigen in beeindruckender Weise die freigelegten Sandbänke. Attilio Fontana, Regionalpräsident der Lombardei, sagte: "Wir haben noch nie so eine Krise erlebt." Die Gewitter, die in den vergangenen Abenden über Teilen Norditaliens vereinzelt niedergingen, führten keine Beruhigung der Lage herbei.

Auch der bei vielen Deutschen sehr beliebte Gardasee leidet unter der Trockenheit. Der Wasserstand sei derzeit etwa einen halben Meter niedriger als vor einem Jahr, sagte Pierlucio Ceresa vom Verband der Gemeinden am Gardasee der Deutschen Presse-Agentur. Auf das Baden im See habe das allerdings keine Auswirkungen. Ceresa mahnte jedoch, vor dem Springen in den See etwa von Felsen, die Tiefe zu prüfen. Wegen der Trockenheit im Fluss Po gab es bereits die Idee, Wasser aus dem Gardasee – dem größten See in Italien – zu entnehmen. Dagegen wehrte sich der Gemeindeverband.

Vor allem die Landwirtschaft leidet. "Wir machen uns große Sorgen um den Anbau von Mais, Soja und Reis", sagte Landwirtschaftsminister Stefano Patuanelli. Der Agrarverband Coldiretti rechnete vor, dass etwa in der Toskana in Mittelitalien 30 Prozent der Ernten dieses Jahres verloren gehen werden – "und das ist der bestmögliche Fall".

Tagsüber könnte das Wasser abgestellt werden

Italien droht ein Kampf um das Wasser, der nicht nur Bauern, sondern jeden Einwohner und auch Touristen treffen kann. Zivilschutzchef Curcio sagte in einem TV-Interview am Montag, dass an einem Notdekret zur Bewältigung der Krise gearbeitet werde. "Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass in den am schlimmsten betroffenen Gegenden auch tagsüber teilweise das Wasser abgeschaltet wird", kündigte er an.

Schon jetzt werden in vielen Orten bereits erste Maßnahmen angewandt: In Mailand etwa wurde das Wasser in den großen Brunnen abgestellt, die private Autowäsche wurde untersagt. In der Gemeinde Castenaso bei Bologna in der Region Emilia-Romagna dürfen Gästen in Friseursalons nur noch maximal einmal die Haare gewaschen werden, um Wasser zu sparen. Die Lombardei fragte unterdessen bereits in der benachbarten Schweiz um Wasser aus dem Kanton Tessin an.

Um im dritten Corona-Sommer keine Gäste zu verlieren, werden Touristen beruhigt. "Die Lage ist zwar ernst, aber zu schaffen, wenn alle etwas mithelfen", sagte der Tourismus-Assessor der Toskana, Leonardo Marras, der dpa. Reiseabsagen wegen der Trockenheit habe er noch keine registriert. Italien ist ein beliebtes Reiseziel in diesem Jahr, die Regierung verzeichnet im Juni fast viermal so viele Flugbuchungen aus dem Ausland im Vergleich zum Juni 2021. Die Zahl der Fluggäste aus Deutschland habe sich verdoppelt.

Hitze und Dürre sorgen für Brände

Neben der Trockenheit fällt in diesen Tagen vor allem die Hitze auf. Am Montag vermeldeten diverse Wetterdienste Juni-Hitzerekorde etwa in Rom mit bis zu 40 Grad und Florenz sogar über 40 Grad. Ein Hochdruckgebiet namens Charon pumpt aktuell die heißen Luftmassen aus Afrika nach Europa - Charon war in der griechischen Mythologie der Fährmann, der die Toten in einem Boot zum Eingang der Unterwelt brachte. Der nationale Wissenschaftsrat sagte für den ganzen Sommer überdurchschnittliche Temperaturen voraus.

Wegen der Dürre überall im Land häufen sich derzeit auch die Feuer. Am Montag sorgte ein Großbrand im Westen Roms für eine gewaltige Rauchsäule, die der warme Wind über die ganze Stadt wehte. In einigen Vierteln der Ewigen Stadt fielen sogar Aschepartikel vom Himmel. Papst Franziskus sprach die Lage in Italien am Mittwoch beim Angelus-Gebet an. Er hoffe, dass die richtigen Maßnahmen gegen den Notfall getroffen würden. "Die Zukunft der Erde liegt in unseren Händen und unseren Entscheidungen", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche.

Italiens Innenministerin Luciana Lamorgese dankte den Einsatzkräften in Rom und der die Hauptstadt umgebenden Region Latium dafür "sehr schwere Konsequenzen für das Gebiet verhindert zu haben". Sie mahnte die Bürger, verantwortungsbewusst zu sein, um Brände zu vermeiden.

Heuschreckenplage auf Sardinien

Vom 15. bis 27. Juni wurden die Feuerwehren nach eigenen Angaben im ganzen Land zu 10 336 Wald- und Buschbränden gerufen. Das waren über 1000 Einsätze mehr als im selben Zeitraum 2021. Vor allem Sizilien, Apulien, das Latium mit der Hauptstadt Rom, Kalabrien und Kampanien waren von den Bränden betroffen. Allein am Dienstag wurden die Canadair-Löschflugzeuge des Zivilschutzes zu mindestens 15 Einsätzen gerufen. Dabei hat die eigentliche Saison der Waldbrände – meist im Juli und August – noch gar nicht begonnen.

Und als wären Hitze, Trockenheit und Feuer nicht schon schlimm genug, kämpfen einige Gegenden auf Sardinien auch noch gegen Heuschrecken. Bereits 30 000 Hektar Ackerland wurden auf der Insel nach Angaben der Agrarorganisation Coldiretti von den Insekten zerstört. Die Heuschrecken lieben die heißen, trockenen Bedingungen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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