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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dutzende Infizierte in Münster Wie wurde eine 2G-Party zum Superspreader-Event?
63 Corona-Infizierte nach einer 2G-Party in Münster sorgen für Schlagzeilen – und werfen die Frage auf: Wie sinnvoll ist die neue Corona-Regel? Der Fall liefert zwei wichtige Erkenntnisse.
In Münster wollte ein Club den Menschen das zurückgeben, was seit Monaten nicht mehr möglich war: sorglos zu tanzen und zu feiern. Dafür galt die 2G-Regel: Zutritt zu der Party hatte nur, wer doppelt gegen das Coronavirus geimpft ist oder sich in den vergangenen sechs Monaten infiziert hat. Diverse Bundesländer wollen diesem Beispiel künftig folgen. In Berlin beschloss der Senat am Dienstag etwa die Einführung eines 2G-Optionsmodells: In etlichen Bereichen wie der Gastronomie oder bei Veranstaltungen können die Betreiber dann selbst entscheiden, ob sie den Zutritt zu Innenräumen nur Geimpften oder Genesenen (2G) oder auch Getesteten (3G) erlauben. Im Falle von 2G würden bisherige Corona-Einschränkungen wie Abstand oder Maske wegfallen.
Doch das 2G-Modell bringt ein Problem mit sich, wie die Party in Münster zeigt: Sie hat sich trotz des Konzepts zu einem Superspreader-Event entwickelt. Von 380 Gästen haben sich mindestens 63 Feiernde angesteckt. Die Zahlen könnten noch weiter steigen, da noch nicht alle Kontaktpersonen PCR-Tests vorgelegt hätten, berichtete die "Welt".
Das 2G-Konzept ist deshalb längst nicht gescheitert. Aber der Fall aus Münster liefert zwei wichtige Erkenntnisse darüber, was es verhindern kann – und was nicht.
2G verhindert kein Superspreader-Event
Erstens: Selbst bei 2G-Veranstaltungen kann es auch in Zukunft noch zu Ansteckungen kommen. Dagegen hilft auch ein gutes Hygienekonzept wenig. Die Stadt Münster attestierte dem Club jedenfalls, die Veranstaltung sei vorbildlich abgelaufen, da nur immunisierten Menschen Zutritt gewährt worden sei. Zudem überträfen die Lüftungsanlagen die Anforderungen.
Dass sich nun viele Feiernde angesteckt haben, spricht nicht grundsätzlich gegen das 2G-Konzept – denn Impfdurchbrüche sind dem Robert Koch-Institut zufolge durchaus möglich. Eine Impfung bietet keinen hundertprozentigen Schutz. Seit Beginn der Impfkampagne hat das RKI knapp 24.200 Durchbrüche gemeldet (Stand: 02.09.2021).
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Die Zahl der Impfdurchbrüche scheint nicht zuletzt wegen der ansteckenderen Delta-Variante zu steigen. Die bisher zugelassenen Impfstoffe gegen Sars-Cov-2 erzeugen zudem keine sterile Immunität. Geimpfte sind zumindest zu Beginn der Infektion ähnlich ansteckend wie Ungeimpfte. Nach den ersten Tagen der Ansteckung geht die Viruslast bei Geimpften jedoch deutlich schneller zurück als bei Personen, die sich nicht impfen lassen haben.
Experten uneins, wie infektiös Genesene sind
Auch Genesene können erneut erkranken. Wann und wie infektiös sie dann sind – darüber sind Experten uneins. Der Virologe Alexander Kekulé sagte dem "Focus", dass eine überstandene Infektion zu einer breiteren Immunantwort führe und den Körper vielschichtiger stimuliere als die Impfung. Der Immunologe Carsten Watz rechnet hingegen "durch Impfungen mit einem noch besseren, möglicherweise mehrjährigen Schutzeffekt vor schweren Verläufen bis hin zum Tod". Demnach würden höhere Antikörperspiegel erreicht als bei der natürlichen Infektion.
Ein wichtiger Faktor könnte das Alter sein. Dem "Spiegel" zufolge ergab eine US-Untersuchung, dass vor allem bei jungen Menschen und Menschen mit geringer Viruslast bereits kurze Zeit nach der Genesung keine Antikörper gegen Sars-Cov-2 mehr nachweisbar seien. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) daher die Impfung auch für Genesene.
Die zweite Erkenntnis ist erfreulicher
Ansteckungen sind also auch unter dem 2G-Modell nicht auszuschließen. Es gibt jedoch eine zweite, erfreulichere Erkenntnis aus dem Fall Münster: Eine Impfung ist der beste Weg, sich gegen eine schwere Erkrankung zu schützen. Denn obwohl sich in Münster viele Feiernde angesteckt haben, blieben alle Infizierten der Stadt zufolge symptomfrei oder haben lediglich milde Symptome.
Das bestätigt auch die bisherigen Erkenntnisse des RKI. Das Institut schreibt allgemein: "Betrachtet man den Anteil der Impfdurchbrüche an allen Covid-19-Fällen, wird deutlich, dass nur ein geringer Anteil der hospitalisierten, auf Intensivstationen betreuten bzw. verstorbenen Covid-19-Fälle als Impfdurchbruch zu bewerten ist." Das bedeutet: Auch wenn sich eine doppelt geimpfte Person infiziert, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sie im Krankenhaus behandelt wird oder an der Erkrankung stirbt.
2G macht ein Stück Normalität möglich
Fazit: Aus epidemiologischer Sicht ist das Superspreader-Event in Münster keine Überraschung. Ansteckungen können auch unter Einhaltung der 2G-Regel stattfinden. Aber: Trotz der vielen Infektionen ist keine Person schwer erkrankt. Krisenstabsleiter Wolfgang Heuer aus Münster sagte der "Welt": "Die vorliegende Ansteckungsserie bestätigt noch einmal die enorme Bedeutung der Schutzimpfung." Es sei klar, dass eine breite Öffnung die Zahl der Infektionen in die Höhe treiben werde. "Für Ungeimpfte ist das ein echtes Problem. Sie müssen sich in dieser neuen Phase der Pandemie sehr genau überlegen, was geht, und was nicht."
2G ist also nicht das perfekte Modell – aber es ermöglicht inzwischen rund 55 Millionen Deutschen, die als genesen oder geimpft gelten, inmitten der Pandemie ein Stück Normalität.
- Welt: Was 2G-Partys über die Infektiosität von Geimpften verraten (kostenpflichtig)
- Nachrichtenagentur dpa
- t-online: Geimpfte oder Genesene – wer ist besser geschützt?
- t-online: Corona-Experte fordert Testpflicht auch für Geimpfte