Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona im Ausland In diesen Ländern gibt es bereits eine Impfpflicht
Die deutsche Impfkampagne stagniert, die Infektionszahlen steigen. Immer wieder wird deswegen über eine Impfpflicht diskutiert. In anderen Ländern wurde sie bereits eingeführt. Ein Überblick.
Mehr als die Hälfte der Deutschen ist mittlerweile vollständig geimpft, verkündete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Donnerstag. Doch die Impfbereitschaft in der Bevölkerung sinkt, immer mehr Impfzentren und Arztpraxen bleiben auf den Wirkstoffen sitzen. Bis zur Herdenimmunität ist es noch ein langer Weg. Gleichzeitig breitet sich die Delta-Variante weiter aus.
Statt sie zu verpflichten, will die Bundesregierung die Bürger weiter mit Argumenten von einer Impfung überzeugen. Eine Pflicht werde es nicht geben, bekräftigte die Regierung diese Woche erneut – auch nicht durch die Hintertür. Andernorts wurde eine Impfpflicht für einige Berufe bereits eingeführt. Ein Überblick.
Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen
Frankreich: In der Nacht zu Montag hat das französische Parlament nach langen Debatten die Corona-Regeln verschärft. Alle Angestellten von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, sowie der Feuerwehr und andere Rettungskräfte müssen spätestens bis zum 15. September eine erste Impfung gegen das Coronavirus nachweisen. Können sie das nicht, verlieren die Angestellten zwar nicht ihren Job, dürfen diesen aber nicht mehr ausüben und bekommen kein Gehalt ausgezahlt.
Präsident Emmanuel Macron begründete den Schritt mit der schnellen Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante im Land. Bereits vor der Entscheidung hatten am Samstag mehr als 160.000 Menschen gegen die Zwangsimmunisierung und die ebenfalls beschlossene Ausweitung des Gesundheitspasses für Ungeimpfte protestiert. In Paris skandierten die Demonstranten unter anderem "Freiheit, Freiheit" und riefen zum Sturz von Präsident Macron auf, den sie als "Tyrannen" bezeichneten.
Die Demonstranten stehen allerdings nicht für die Mehrheit der Bevölkerung: In einer Umfrage des Instituts Elabe für den Sender BFMTV vom 13. Juli sprachen sich 76 Prozent der Franzosen für eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal aus. Auch die Ausweitung des Gesundheitspasses stößt mehrheitlich auf Zustimmung.
Griechenland: Mitte Juli kündigte die griechische Regierung an, dass sich Angestellte im Gesundheitsbereich sowie in der Altenpflege impfen lassen müssen. Anderenfalls können sie vom Dienst suspendiert werden. Sie würden dann so lange kein Geld bekommen, wie sie nicht geimpft sind. Zudem dürfen in der Privatwirtschaft Arbeitgeber von ihren Angestellten fordern, dass sie sich impfen lassen. Anderenfalls können auch sie entlassen werden.
Neben der Impfpflicht wurde zudem eine neue Regelung beschlossen, nach der sich nur noch Geimpfte in Innenräumen von Gastronomie- und Kulturbetrieben aufhalten dürfen. Der Grund für die neuen Maßnahmen ist die sich in Griechenland rasant ausbreitende Delta-Variante.
In Athen und anderen Städten Griechenlands war es nach der Ankündigung zu Demonstrationen von Impfgegnern gekommen. Sie warfen der Regierung vor, dass eine Impfpflicht nicht verfassungskonform sei. Unter den Demonstranten waren zahlreiche Rechtsextremisten und religiöse Eiferer. In einigen Fällen kam es zu Ausschreitungen.
Italien: Bereits seit dem 25. Mai müssen sich Ärzte und andere medizinische Mitarbeiter per Gesetz in Italien gegen das Coronavirus impfen lassen. Wer dem nicht nachkommt, kann bis Ende des Jahres suspendiert werden. Rund 300 Pflegekräfte haben das Gesetz vor Gericht angefochten.
Berichten zufolge könnte die Impfpflicht bald auch auf Lehrer und anderes Schulpersonal ausgeweitet werden. Noch in dieser Woche könnte ein entsprechendes Dekret auf den Weg gebracht werden.
Zudem gilt in Italien ab dem 6. August ein obligatorischer Gesundheitspass für den Zugang zu geschlossenen Räumen wie Bars und Restaurants, aber auch Schwimmbädern, Sporthallen, Museen, Kinos und Theatern sowie Spielhallen. Betreibern, die die Maßnahmen nicht umsetzen, drohen empfindliche Strafen. Dagegen hatten vor gut einer Woche in mehreren Städten Tausende Menschen demonstriert.
Das als "grüner Pass" bekannte Dokument wird an Menschen ausgegeben, die ihre erste Impfdosis erhalten haben, aber auch an diejenigen, die von Covid-19 genesen sind oder in den 48 Stunden zuvor negativ getestet wurden.
Großbritannien: Am 16. Juni kündigte die britische Regierung an, dass sich alle Mitarbeiter von Senioren- und Pflegeheimen gegen das Coronavirus impfen lassen müssen. Die Regelung gilt auch für Friseure, andere Dienstleister und freiwillige Helfer.
Der Nachweis über die vollständige Impfung muss ab Oktober vorgewiesen werden. Die Maßnahme muss noch vom Parlament bestätigt werden.
USA: Angesichts der Impfmüdigkeit im Land hat die US-Regierung einen Kurswechsel bei der Impfstrategie vollzogen. Präsident Joe Biden stellte am Donnerstag eine neue Regelung vor, mit der rund zwei Millionen Regierungsmitarbeiter zur Impfung bewegt werden sollen. Können Angestellte keinen Impfnachweis vorlegen, sollen sie künftig stets eine Maske tragen müssen und ein bis zwei Mal pro Woche auf eine mögliche Infektion getestet werden.
Bereits Anfang der Woche hatte das US-Ministerium für Veteranenangelegenheiten als erste Bundesbehörde eine Impfpflicht für sein Gesundheitspersonal veranlasst.
Außerdem werde derzeit vom Verteidigungsministerium geprüft, wann eine Impfpflicht für Soldaten eingeführt werden könnte. Mit der neuen Regelung will das Weiße Haus Impfungen offenbar zur bequemeren Lösung machen, ohne dafür eine explizite Impfpflicht einzuführen. Diese hatte Biden zuvor explizit ausgeschlossen.
Eine Impfpflicht gilt indes künftig für Mitarbeiter der US-Internetkonzerne Google und Facebook. Wer im Büro einer der US-Standorte beider Unternehmen arbeiten will, muss nun eine Corona-Impfung vorweisen, wie beide Konzerne am Donnerstag mitteilten.
Die Regel werde laut Google in den USA eingeführt und danach auf andere Regionen ausgeweitet – die Bestimmungen sollen demnach aber an die jeweiligen Corona-Regelungen der Länder angepasst werden. Bei Facebook gilt dies ebenfalls für die einzelnen US-Bundesstaaten.
Russland: Präsident Wladimir Putin hat sich wiederholt gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Dennoch gibt es in vielen Regionen bereits Regelungen, die einer Verpflichtung gleichkommen. So müssen sich etwa in Moskau Angestellte im Einzelhandel, im Gesundheitswesen, in der Gastronomie oder anderen Dienstleistungsbranchen impfen lassen. Tun sie das nicht, droht Lohnausfall.
Bis zum 15. August müssen Unternehmen nachweisen, dass 60 Prozent der Belegschaft geimpft sind. Verfehlen sie das Ziel, droht ihnen die vorübergehende Schließung.
Impfpflicht für alle Erwachsenen
In einigen Ländern gilt eine Impfpflicht nicht nur für bestimmte Berufsgruppen, sondern für die gesamte erwachsene Bevölkerung. Das zentralasiatische Land Turkmenistan kündigte Anfang Juli an, dass sich alle Einwohner ab 18 Jahren gegen das Coronavirus impfen lassen müssen – obwohl das Land offiziell noch keinen einzigen Corona-Fall zu verzeichnen hatte.
Auch In Tadschikistan, ebenfalls in Zentralasien gelegen, müssen sich alle Menschen über 18 Jahren impfen lassen. Dafür wurde ein entsprechendes Regierungsdekret erlassen.
Sogar in Europa gilt bereits eine allgemeine Impfpflicht: Bereits seit Februar müssen sich im Stadtstaat Vatikan, dem kleinsten Land der Welt, alle 5.000 Bediensteten gegen das Coronavirus impfen lassen. Bei einer Weigerung ohne nachweisbare gesundheitliche Gründe droht eine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- ZDF.de: "Impfungen oder Lohn weg: Moskau erhöht den Druck"
- RND.de: "Impfpflicht für Vatikan-Bedienstete: Wer sich weigert, dem droht die Kündigung"
- Tagesschau.de: "Wo Impfen für wen bereits Pflicht ist"