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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tiefsee-Sensation Riesige Würmer lauern unter dem Ozean
Forscher stoßen im Pazifik auf ein verborgenes Netzwerk aus Höhlen und Tunneln – bevölkert von unerwarteten Kreaturen.
Eine überraschende Entdeckung im Ostpazifik stellt bisherige Annahmen über das Leben in der Tiefsee infrage: Wissenschaftler haben riesige Meereswürmer in verborgenen Höhlensystemen unter dem Meeresboden im Ostpazifischen Rücken, einer vulkanisch aktiven Region zwischen zwei tektonischen Platten gefunden. Die Forschung zeigt, dass nicht nur Mikroorganismen, sondern auch größere Tiere in den Spalten und Hohlräumen der Erdkruste überleben können.
Während der Expedition untersuchten Forscher des Schmidt Ocean Institute im kalifornischen Palo Alto den Meeresboden mit einem ferngesteuerten U-Boot. Dabei hoben sie Krustenteile an und entdeckten in den darunterliegenden Hohlräumen eine Vielzahl großer Röhrenwürmer.
Monika Bright und Sabine Gollner leiteten die Forschungsmission und veröffentlichten nun die Ergebnisse im Fachjournal "Nature Communications". Ihr Ziel war es zu zeigen, wie Würmer, Schnecken und chemosynthetische Bakterien unter Bedingungen leben können, die einst als zu feindlich für solch komplexe Lebensformen galten.
Riesenröhrenwürmer werden bis zu 50 Zentimeter lang
Denn lange wurde angenommen, dass das Leben unter dem Meeresboden auf mikrobielle Organismen beschränkt ist. Nun zeigt sich aber: Tiere wie der Riesenröhrenwurm Riftia pachyptila können sich in diesen warmen, dunklen Höhlen ansiedeln. Diese Lebewesen werden bis zu 50 Zentimeter lang und überleben durch Symbiose mit chemosynthetischen Bakterien, die Nährstoffe aus anorganischen Stoffen gewinnen.
Laut der Studie nutzen die Tiere die unterirdischen Hohlräume als natürliche Rückzugsorte. Im Vergleich zum offenen Ozean ist die Temperatur hier mit etwa 24 Grad Celsius überraschend stabil – trotz der Nähe zu vulkanischen Quellen.
Forscher vermuten nun, dass die unterirdischen Kanäle möglicherweise ein noch größeres Netz von Lebensräumen beherbergen könnten. "Es ist faszinierend zu sehen, wie sich Tiere an extreme Bedingungen anpassen", erklärte Gollner.
Lebewesen in den unwahrscheinlichsten Winkeln
Bright glaubt, dass dieses verborgene Netzwerk nicht nur eine kuriose Fußnote ist, sondern ein kaum erforschtes Ökosystem darstellt. "Wir müssen nicht nur das schützen, was sich an der Oberfläche befindet, sondern auch das, was darunter lebt, denn beides ist für die Gesundheit dieses Ökosystems unerlässlich", sagt die Professorin für Zoologie und Meeresbiologie an der Universität Wien.
Die neuen Forschungsergebnisse stehen im Einklang mit früheren Arbeiten, die zeigen, dass hydrothermale Quellen mehr als zufällige Hotspots für einzigartige Fauna sind. Experten haben herausgefunden, dass diese Wasseransammlungen in Gesteinsschichten dichte Bakteriengemeinschaften beherbergen können, die wiederum das Wachstum spezialisierter Tiere fördern. Röhrenwürmer gedeihen in diesen Gebieten durch lokale chemische Reaktionen, die Nährstoffe produzieren. Sie sind nicht auf die photosynthetischen Aktivitäten von Pflanzen angewiesen.
Die Studie zeigt, wie wenig wir immer noch über das Leben an extremen Orten unseres Planeten wissen. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass Dunkelheit und Druck in den Tiefen des Ozeans größere Lebensformen unmöglich machen. Tatsächlich hat der Ozean immer wieder bewiesen, dass er Lebewesen in den unwahrscheinlichsten Winkeln und Nischen beherbergen kann.
- nature.com: "A new approach to quantum computing with superconducting qubits" (Englisch)