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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ausgangssperre, Grenzen dicht Mutanten-Hotspot Flensburg: "Krankenhäuser extrem belastet"
Die britische Virus-Mutante grassiert in Flensburg. Eine Ausgangssperre gilt, Grenzübergänge sind geschlossen – und Krankenhäuser schlagen Alarm. Experten fürchten: So könnte es in ganz Deutschland kommen.
Die Grenzübergänge nach Dänemark sind geschlossen, es gilt eine strenge Ausgangssperre in der Nacht, sogar Spazieren ist nur noch mit Mitgliedern des eigenen Haushalts erlaubt: Während der Rest der Republik schon wieder über Lockerungen diskutiert, macht der Corona-Hotspot Flensburg dicht. In der Nacht zu Samstag galt erstmals die Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, die Polizei kontrollierte tagsüber auch verstärkt Fußgänger auf den Straßen.
Der Grund für die strengsten Maßnahmen, die in der norddeutschen Stadt in der Corona-Pandemie je herrschten: Flensburg liegt bei einer 7-Tages-Inzidenz von 193, die britische Corona-Variante B.1.1.7 verbreitet sich rasant – und auch die Belastung auf den Intensivstationen steigt. "Die Krankenhäuser sind extrem belastet", sagte Stadtsprecher Clemens Teschendorf t-online. Man erhalte aus den Krankenhäusern Meldungen, dass Krankheitsverläufe schwerer ausfielen. "Mit jedem Moment wird es immer schwerer, die Situation unter Kontrolle zu bekommen."
Neue Fälle sind "nahezu alle" britische Virus-Mutationen
Grund für die dramatische Entwicklung in der 100.000-Einwohner-Stadt ist laut Teschendorf vor allem die Verbreitung der ansteckenderen britischen Virus-Variante. Die Fälle, die man seit Jahresbeginn verzeichne, seien zur Hälfte Mutationen. "Die Fälle, die neu dazukommen, sind nahezu alle Mutationen."
Für SPD-Politiker und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist die Stadt wegen der Verbreitung der Mutation eine Blaupause dafür, was auch auf den Rest von Deutschland in den kommenden Wochen zukommen könnte. "Flensburg ist erstes Beispiel, was uns mit weiter Verbreitung von UK B117 drohen könnte", twitterte er. Rigide Maßnahmen wie Ausgangssperren könnten nur durch einen strengen Lockdown verhindert werden, der die Inzidenz unter 35 treibe.
Kostenlose Schnelltests schon ab Montag
Flensburg hat mit der Ausgangssperre bereits eine Maßnahme umgesetzt, die nach den Bund-Länder-Vereinbarungen erst ab einer Inzidenz von 200 angezeigt ist. Außerdem startet die Stadt bereits am Montag mit einer Maßnahme, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Ländern eigentlich erst ab 1. März zur Verfügung stellen will: kostenlose Schnelltests.
Drei Teststellen sollen laut Teschendorf im Stadtgebiet rund um die Flensburger Förde öffnen. Der Parkplatz einer Schule werde dafür umfunktioniert. Pro Tag sollen so insgesamt 1.500 Schnelltests möglich sein. Eine größere Lieferung habe die Stadt bereits erhalten, ein privater Anbieter übernehme die Testungen. Der könne bei einem positiv ausgefallenen Schnelltest auch gleich den PCR-Test anschließen, erklärt Teschendorf. Bei den Kosten gehe die Stadt derzeit in Vorleistung, damit die Umsetzung so schnell wie möglich klappe.
Die Schnelltests sieht der Stadtsprecher neben Ausgangssperre und Kontaktbeschränkungen als neues Mittel, um Infizierte rasch zu identifizieren, in Quarantäne zu schicken und Infektionsketten so zu unterbrechen. Derzeit könne in Flensburg nicht an Lockerungen gedacht werden, wie in anderen Städten und Kreisen Deutschlands zurzeit. "Da wollen wir aber natürlich hin. Schnelltests sind ein Mittel, um diese Perspektive zu bieten", so Teschendorf.
Kaum Verstöße gegen Corona-Maßnahmen
Bis zu dieser Perspektive müssen die Flensburger unter rigiden Beschränkungen leben. Das klappt bisher aber weitgehend störungsfrei, wie die Polizei berichtet. Die Polizeipräsenz im Stadtgebiet sei deutlich erhöht worden, sagte Polizeisprecher Christian Kartheus t-online. Fußstreifen kontrollierten die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen auf den Straßen. Bisher habe man aber kaum Verstöße festgestellt.
Die dänische Regierung teilte bereits am Freitag mit, den Einsatz an der nahe gelegenen deutsch-dänischen Grenze zu verschärfen. Konkret wollte die dänische Polizei in der Nacht zum Samstag insgesamt 13 Grenzübergänge schließen. Wichtige Übergänge sollten dagegen offen bleiben. Dort werde aber "wesentlich intensiver" kontrolliert, erklärte das Ministerium.
"Die Maßnahmen treffen bei den Bürgern grundsätzlich auf Verständnis", so Polizeisprecher Kartheus. Die Menschen hielten sich überwiegend an die Regeln. "Da, wo es nötig wird, werden wir aber konsequent einschreiten.“
- Telefonat mit Polizeisprecher Christian Kartheus
- Telefonat mit Stadtsprecher Clemens Teschendorf
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa