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Trier nach der Amokfahrt – eine Stadt unter Schock: "Ein Bild des Grauens"


"Ein Bild des Grauens"
Trier nach der Amokfahrt – eine Stadt unter Schock

dpa, Von Birgit Reichert

Aktualisiert am 02.12.2020Lesedauer: 3 Min.
Vor dem Porta Nigra, dem Wahrzeichen von Trier: Menschen haben Kerzen, Blumen und Trauerbotschaften abgelegt.Vergrößern des Bildes
Vor dem Porta Nigra, dem Wahrzeichen von Trier: Menschen haben Kerzen, Blumen und Trauerbotschaften abgelegt. (Quelle: Harald Tittel/dpa-bilder)

Die Altstadt ist das Herz von Trier. Genau hier ereignet sich der schreckliche Zwischenfall: Ein Amokfahrer überfährt mehrere Menschen, einige sterben, andere werden verletzt. In der Stadt herrscht Fassungslosigkeit.

Ermittler suchen nach Spuren, und auch Stunden nach der mutmaßlichen Amokfahrt von Trier sind weite Teile der Fußgängerzone mit weiß-rotem Polizei-Band abgesperrt. Wo das Auto entlang gerast sein muss, liegen an diesem grauen Dezember-Tag wahllos Dinge auf der Straße. Die Polizei zählt inzwischen fünf Tote, darunter ein neun Monate altes Kind. Die Mutter liegt verletzt im Krankenhaus. Festgenommen wird ein 51 Jahre alter Deutscher aus dem Kreis Trier-Saarburg.

Das PS-starke Fahrzeug, so die Erkenntnisse der Polizei, soll in der historischen Stadt an der Mosel von der Basilika über den Hauptmarkt bis zur Porta Nigra gerast sein, dem weltberühmten Stadttor aus der Römerzeit. In der nahen Christophstraße sei der Wagen nach etwa einem Kilometer Amokfahrt von der Polizei gestoppt und der Fahrer überwältigt worden – "vier Minuten nach Ersthinweis", wie der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Abend in Trier sagt.

Lewentz spricht von einem "sehr langen Tatweg", der Meter für Meter untersucht werde. "Es geht den Menschen enorm nahe, auch den Einsatzkräften." Lewentz ist zusammen mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gekommen, die in Trier wohnt. Beide stehen sichtbar erschüttert im fahlen Licht der TV-Kameras.

Abendgebet für die Opfer im Trierer Dom

"Es ist einfach nur furchtbar", sagt Dreyer. Das Allerschlimmste sei, dass Menschen ihr Leben verloren hätten. Unweit schlagen die Glocken des mächtigen Doms. Bischof Stephan Ackermann hat für den Abend zum Gebet für die Opfer in die Mutterkirche des Bistums eingeladen.

Oberstaatsanwalt Peter Fritzen zufolge soll der mutmaßliche Fahrer betrunken gewesen sein – er nennt einen Atemalkoholwert von 1,4 Promille. Es gebe Anhaltspunkte für ein psychiatrisches Krankheitsbild. Und es gebe dringenden Tatverdacht wegen Mordes in fünf Fällen. Den Ermittlungen zufolge soll der Wagen Zick-Zack-Linien gefahren sein – möglicherweise, um so Menschen zu treffen.

Mit Einbruch der Dunkelheit stellen Bürger einige Kerzen auf. An der Porta Nigra flackern kleine Teelichter, die eine junge Frau aufgestellt hat. Sie wolle damit ihr Mitgefühl für die Betroffenen ausdrücken, sagt sie. "Es ist alles so schrecklich."

"Es ist unfassbar. Wir sind fassungslos"

Sichtbar erschüttert schildern Augenzeugen, wie Menschen bei dem furchtbaren Zwischenfall durch die Luft geschleudert wurden. "Es ist unfassbar. Wir sind fassungslos", sagt eine Bewohnerin eines Hauses, das an die Fußgängerzone grenzt, durch die der Täter gefahren ist. Auf den Kopfsteinpflastern sieht man einen Blutfleck, blutgetränkte Tücher. "Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht", sagt sie.

Auch Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe, der von "einem Bild des Grauens" spricht, sagt: "Ich glaube, es ist der schwärzeste Tag der Stadt Trier nach dem Zweiten Weltkrieg." Ein in Trier geborener Mann habe mutmaßlich Triererinnen und Trierer getötet. Dieses Trauma werde die Stadt aufarbeiten. "Ich will wissen, warum jemand das tut", betont Leibe. "Ob ich darauf eine Antwort bekomme, weiß ich nicht."

In die Schlagzeilen gerät Trier nur selten

Warum bei uns? Diese Frage stellen sich viele Menschen im vorweihnachtlich geschmückten Trier. Die Kommune mit rund 112.000 Einwohnern gilt als älteste Stadt Deutschlands, ist auch bekannt als Geburtsort von Karl Marx (1818-1883). In internationale Schlagzeilen gerät Trier nur selten, schon gar nicht wegen Kapitalverbrechen.

Nach der Todesfahrt kreisen Hubschrauber über der Innenstadt. Die Polizei rät der Bevölkerung zunächst, das Zentrum zu meiden. Dann macht die Nachricht die Runde, der Fahrer sei festgenommen worden. Die Erleichterung ist spürbar. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das die Festnahme zeigen soll. Darauf sind zwei Polizeiautos zu sehen, die einem beschädigten Fahrzeug offenbar den Weg abschneiden. Ein Mann liegt auf dem Boden, drei Männer – vermutlich Sicherheitskräfte – halten ihn fest.

Porta Nigra wird zum Trauerort

Wieder ein Vorfall mit einem SUV (Sport Utility Vehicles) – schnell werden in Trier Erinnerungen wach an einen schweren Verkehrsunfall mit zwei Toten in Frankfurt im November. Damals soll ein 38-Jähriger die Kontrolle über seine mächtige Geländelimousine verloren haben. Oder an Berlin, wo im Herbst 2019 vier Menschen bei einem Unfall von einem SUV überrollt wurden.

Doch diesmal war es kein Unfall, sondern Absicht. Stunden nach der Nachricht von der Festnahme hasten noch wenige Menschen an den Geschäften vorbei. Durch die nasskalte Luft dröhnen grell noch einige Polizeisirenen. Von einer "irrsinnigen Tat" spricht Dreyer. "Das ist ein schlimmer, schrecklicher Tag."

"Wir werden an der Porta Nigra, die seit 1800 Jahren in dieser Stadt steht, einen Trauerort einrichten", kündigt Leibe an. Trier brauche nun einen Platz, an dem Menschen ihre Solidarität zeigen könnten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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