Helfer suchen weiter Dreijährige nach 65 Stunden aus Trümmern gerettet
Izmir (dpa) - Ein dreijähriges Mädchen ist 65 Stunden nach dem schweren Erdbeben im türkischen Izmir aus den Trümmern eines Wohnhauses geborgen worden.
Das Mädchen mit dem Namen Elif klammerte sich an den Finger eines Feuerwehrmanns, als sie am Montagmorgen auf einer Trage weggebracht wurde. Einsatzkräfte klatschten und jubelten, einige brachen in Tränen aus. Das Mädchen habe seine Hand bis zum Krankenzelt nicht mehr losgelassen, erzählte Feuerwehrmann Muammer Celik später im Sender NTV.
Er gehört zu einem Istanbuler Rettungsteam, dass zur Unterstützung nach Izmir gereist war. Celik sagte, sie hätten sich seit Sonntagabend auf die Rettung des Mädchens konzentriert. Als sie das Kind auf dem Rücken liegend entdeckten, hätten sie erst gedacht, es sei tot. "Sie hatte Staub im Gesicht, sie hatte ein schneeweißes Gesicht. Als wir ihr Gesicht saubergemacht haben, hat Elif ihre Augen geöffnet, in dem Moment sind wir wirklich erstarrt", sagte er. Das Mädchen habe sie angelächelt. Es sei ein Wunder. "Ich habe meine Hand ausgestreckt, Elif hat sich an meine Hand geklammert. So haben wir sie rausgeholt", sagte Celik. "Ich bin ab sofort ihr großer Bruder."
Fernsehbilder zeigten den Vater der Dreijährigen lächelnd im Krankenwagen, der die Kleine dann ins Krankenhaus brachte. Bereits am Samstag hatten Einsatzkräfte, die Mutter des Mädchens und seine drei Geschwister aus den Trümmern gezogen. Ihr siebenjähriger Bruder überlebte nach Angaben von Gesundheitsminister Fahrettin Koca nicht. Die Mutter und zwei Geschwister würden weiter behandelt.
Die Großmutter der Dreijährigen sagte Journalisten: "Ich bin sehr froh. Möge Gott es ihnen (den Rettern) vergelten. Ich bin wieder mit Elif vereint, bald ist sie auch mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern vereint. Meine Gebete wurden erhört."
Ebenfalls am frühen Montag wurde eine 14-Jährige aus den Trümmern geborgen und nach Erster Hilfe vor Ort in ein Krankenhaus gebracht, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die Jugendliche hatte demnach 58 Stunden unter den Trümmern gelegen. Nach offiziellen Angaben wurden bislang mehr als 100 Menschen nach dem Erdbeben vom Freitag gerettet. Die Einsatzkräfte suchten am Montag weiter nach Überlebenden. Die Katastrophenschutzbehörde Afad schrieb nachdem sie Elifs Rettung via Twitter verkündet hatten: "Wir sind hier, bis wir den Letzten erreicht haben."
Bei dem schweren Erdbeben vom Freitagnachmittag in der Ägäis waren Teile der Westtürkei und auch Griechenlands erschüttert worden. Mehr als 90 Menschen kamen in der Türkei nach offiziellen Angaben bis Montagnachmittag ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Zwei Jugendliche auf der griechischen Insel Samos wurden von Trümmern einer einstürzenden Mauer erschlagen. Das Zentrum des Bebens lag den Behörden zufolge im Meer vor der türkischen Provinz Izmir. Die türkische Katastrophenbehörde gab die Stärke mit 6,6 an, die US-Erdbebenbehörde USGS sogar mit 7.
Das Viertel Bayrakli in Izmir war besonders schwer betroffen. Rund 2000 Zelte wurden nach Angaben von Umwelt- und Städteminister Murat Kurum als Notunterkünfte errichtet. Er kündigte am Montag zudem finanzielle Unterstützung für die Erdbebenopfer an. Schwere Schäden gebe es an 58 Gebäuden, gering beschädigt seien knapp 400 Gebäude, sagte Kurum. Mindestens vier Bauten waren durch das Erdbeben nach Angaben des Provinzgouverneurs komplett eingestürzt. Am Montag ging der Abriss von stark beschädigten Gebäuden weiter.
Nach Angaben des Oppositionsabgeordneten Seyit Torun hatten Experten schon vor Jahren Mängel an drei der nun eingestürzten Gebäude festgestellt. Er warf den Behörden Untätigkeit vor, Minister Kurum wies die Vorwürfe zurück. Anadolu berichtete am Montag, neun Menschen seien festgenommen worden - darunter Bauunternehmer und Personen, die für die technischen Kontrollen von Gebäuden zuständig waren, die zerstört oder beschädigt wurden. Nach zwei weiteren Personen werde gefahndet.
In der Türkei verlaufen mehrere Verwerfungslinien. Das Land wird immer wieder von schweren Erdbeben erschüttert. Erst im Januar waren bei zwei Beben in den osttürkischen Städten Elazig und Malatya mehr als 40 Menschen getötet worden. Eines der tödlichsten war das Beben im Jahre 1999 in der Nähe der Metropole Istanbul. Damals kamen mehr als 17.000 Menschen ums Leben. Experten erwarten in Istanbul ein weiteres starkes Erdbeben.