1.449 Neuinfektionen in Deutschland Epidemiologe: "Zweite Welle zeichnet sich deutlich ab"
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland ist erneut gestiegen. Wissenschaftler zeigen sich beunruhigt und diskutieren über den Sinn weiterer Lockerungen.
Die Zahl der bekannten Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Deutschland ist erneut leicht gestiegen. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bis Donnerstagabend 1.449 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages. Höher lag der Wert zuletzt am 1. Mai mit 1.639 registrierten Neuinfektionen.
Der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz riet angesichts der steigenden Zahlen von einer Rückkehr zu Großveranstaltungen ab. "Die zweite Welle zeichnet sich deutlich ab, da wir nun über mehrere Wochen einen Anstieg der aktiven Infektionszahlen feststellen", sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur. "Ich sehe daher aktuell keinerlei Spielraum für weitere Lockerungen – auch und gerade nicht für Großveranstaltungen."
Effekte von Rückkehrern "stark beunruhigend"
Bereits sich abzeichnende Effekte durch Reiserückkehrer sind laut Scholz "stark beunruhigend." Es müsse daher jetzt darum gehen, den Schulbetrieb zu normalisieren. "Wir sollten uns nun zunächst darauf konzentrieren, wie die Hygienekonzepte mit Lüften und Maskentragen in den Schulen funktionieren", sagte der Professor.
Bei Großveranstaltungen gebe es mehrere Risiken, die beachtet werden müssten. "Die Menschen gehen umher, holen sich Getränke, gehen auf die Toilette – da finden dann sehr viele Kontakte statt, die bei einer großen Personenanzahl kaum nachzuvollziehen sind", sagte Scholz. Auch die Hygienekonzepte, die etwa festgelegte Wege oder eine Maskenpflicht vorsähen, ließen sich bei großen Menschenansammlungen kaum durchsetzen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht in Deutschland den Beginn einer zweiten Corona-Welle. "Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass wir so nicht weitermachen können wie jetzt", sagte Lauterbach am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Die Pandemie sei nicht vorbei, die Menschen verhielten sich aber unvorsichtiger. Um die Lage in den Griff zu bekommen, sei unter anderem eine gute Test-Strategie notwendig. "Wir müssen schneller testen, mehr testen." Lauterbach forderte dazu auch die Zulassung von Tests, die sehr viel schneller Ergebnisse lieferten – auch wenn die Tests nicht ganz so gut seien wie die bisher eingesetzten. "Dann kommen wir vor die Welle oder Lockdown."
Schmidt-Chanasit ist für flexibles Modell
Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hält eine Rückkehr zu Großveranstaltungen dagegen grundsätzlich für möglich – etwa mit umfangreichen Testungen im Vorfeld. Wichtig sei es, die Zahl der Neuinfektionen in einer Region im Blick zu behalten. "Davon sollte dann abhängig sein, wie viele Menschen eine Veranstaltung besuchen können und auch wie lange. Ich würde daher für ein flexibles Modell plädieren, das sich an das Infektionsgeschehen in einer Region anpasst", sagte der Virologe.
Wissenschaftler der Uniklinik Halle wollen am 22. August mit einem Konzert-Experiment in Leipzig näher bestimmen, unter welchen Rahmenbedingungen Großveranstaltungen etwa in geschlossenen Räumen trotz der Corona-Pandemie möglich sein könnten. Bis zu 4.000 Probanden sollen dazu an einem Popkonzert von Tim Bendzko teilnehmen. Sie und die Helfer müssen vor Studienbeginn einen Corona-Test durchführen und ein negatives Ergebnis mitbringen.
- Nachrichtenagentur dpa