"Wenn nötig mit Soldaten" Italien riegelt wegen Coronavirus ganze Städte ab
Es ist der erste große Coronavirus-Ausbruch in Europa – und einer, der in seiner Dynamik schwer zu bremsen sein wird. In Italien werden Städte abgeriegelt, Zehntausende Menschen sind praktisch eingesperrt.
Ungeachtet drastischer Maßnahmen zur Eindämmung steigt die Zahl der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Italien unvermindert weiter. Bis zum Sonntagnachmittag waren bereits mehr als 130 SARS-CoV-2-Fälle erfasst. Allein in der Lombardei sind inzwischen rund 90 Infektionen nachgewiesen, wie der Präsident der Region, Attilio Fontana, dem Sender SkyTG24 sagte. In Venetien gab es nach letzten Zahlen 24 Infizierte.
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Darunter seien zwei ältere Personen, die in Venedig im Krankenhaus seien, sagte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia. Hinzu kamen mehr als ein Dutzend Nachweise in den Regionen Emilia-Romagna und Piemont. Zahlreiche Veranstaltungen wurden vorsorglich abgesagt, der Karneval in Venedig sollte vorzeitig beendet werden. Die Feste und Umzüge in der Lagunenstadt hätten eigentlich noch bis Dienstag dauern sollen.
Das Ausmaß des Ausbruchs in Italien erschreckt. Zum Vergleich: In Deutschland wurden bisher 16 Fälle gemeldet, in Frankreich zwölf. Italiens Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri sagte dem Sender SkyTG24, er gehe von weiter steigenden Fallzahlen aus. "Es ist klar, dass wir mehr Fälle haben werden." Bis zum Sonntag waren zwei Tote als Covid-19-Opfer erfasst: ein 78-Jähriger in Vo (Venetien) und eine 77-Jährige in der Lombardei.
Sicherheitskräfte riegeln Städte ab
Die Regierung reagierte mit scharfen Maßnahmen. Um die weitere Ausbreitung im wirtschaftlich wichtigen Norden des Landes zu unterbinden, werden die am stärksten betroffenen Städte abgeriegelt. Betroffen sind die Provinz Lodi (Lombardei) rund 60 Kilometer südöstlich der Metropole Mailand, wo rund 50.000 Menschen leben, sowie die Stadt Vo in der Provinz Padua (Venetien) mit rund 3.000 Einwohnern.
Zunächst sollten Sicherheitskräfte die Regionen abriegeln, erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte. "Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein." Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe "strafrechtliche Verfolgung". In vielen Städten und Gemeinden wurden Schulen und ein Großteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen. Großveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden abgesagt.
Sorge in Frankreich
In Südtirol bereiteten sich die Behörden auf mögliche eingeschleppte Infektionen vor. Gesundheitsbehörden empfahlen, die Universität Bozen sowie Kitas in der kommenden Woche zu schließen. Ein Aussetzen der innereuropäischen Reisefreiheit im Rahmen der Schengen-Zone sei vorerst nicht vorgesehen, so Conte. Frankreich bereitet sich bereits verstärkt auf eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 vor. Die Lage in Italien werde "aufmerksam verfolgt", sagte Gesundheitsminister Olivier Véran.
Auch auf der koreanischen Halbinsel spitzte sich die Lage zu: Die Regierung Südkoreas rief wegen des rasanten Anstiegs der Fallzahlen im Land die höchste Warnstufe für Infektionskrankheiten aus. In einigen Tagen werde ein "kritischer Moment" im Kampf gegen Covid-19 erreicht sein, sagte Präsident Moon Jae-in am Sonntag. Die Zentralregierung wie auch die Lokalregierungen sollten nicht zögern, beispiellose Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Zahl nachgewiesener Infektionen im Land lag am Sonntag bei gut 600, mindestens fünf Menschen starben.
Bislang über 2.400 Opfer
Noch weitgehend unklar ist die Situation im Iran. Bis Sonntag waren dort 40 Infektionen erfasst. Acht Menschen starben bisher an Covid-19, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Die tatsächlichen Fallzahlen könnten aber weitaus höher liegen, wird befürchtet. Nach Angaben des Ministeriums wurden in mehreren Städten die Schulen und Universitäten vorläufig geschlossen. Auch Kinos bleiben bis auf weiteres zu, Theater- und Konzertveranstaltungen wurden abgesagt.
In China, dem Ursprungsland von Covid-19, lag die Zahl offiziell erfasster Infektionen am Sonntag bei rund 77.000, mehr als 2.400 Menschen starben demnach an der Lungenerkrankung. Experten gehen aber von einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Fälle aus.
- Nachrichtenagentur dpa