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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Während massiver Erdbebenserie Mega-Erdbeben in Italien? Ein simpler Fehler führte zur Schock-Meldung
![Neapel: Drohnenfotos erfassen die Solfatara von Pozzuoli während des Erdbebenschwarms, der in den frühen Morgenstunden des 5. Februar in der Gegend der Phlegräischen Felder begonnen hat. Neapel: Drohnenfotos erfassen die Solfatara von Pozzuoli während des Erdbebenschwarms, der in den frühen Morgenstunden des 5. Februar in der Gegend der Phlegräischen Felder begonnen hat.](https://images.t-online.de/2025/02/5eeqK2EPbg50/0x209:4000x2250/fit-in/1920x0/neapel-drohnenfotos-erfassen-die-solfatara-von-pozzuoli-waehrend-des-erdbebenschwarms-der-in-den-fruehen-morgenstunden-des-5-februar-in-der-gegend-der-phlegraeischen-felder-begonnen-hat.jpg)
Neapel bebt – doch eine Meldung über ein Erdbeben der Stärke 9 verwirrte unnötig. Wie ein simpler Fehler die Angst vor einer Katastrophe schürte.
Ein Erdbeben der Stärke 9,0 in der Nähe von Neapel – am Montagabend verbreitete sich diese Meldung über diverse Erdbeben-Plattformen und Drittanbieter-Apps binnen weniger Sekunden weltweit. Kurze Zeit später stellte sich heraus: Es war ein falscher Alarm.
Die Fehlermeldung kam zu einer äußerst kritischen Zeit. Die Campi Flegrei oder die Phlegräischen Felder liegen am Stadtrand der italienischen Metropole Neapel und werden seit Tagen von einem massiven Erdbebenschwarm erschüttert. Insgesamt wurden innerhalb von nur 24 Stunden mehr als 100 seismische Ereignisse registriert. In der Nacht von Sonntag auf Montag erreichten zwei der Beben die Magnitude 3,9.
Das erste starke Beben ereignete sich um 14.30 Uhr mit einem Epizentrum im Golf von Pozzuoli. Das zweite Beben folgte kurz nach Mitternacht und hatte ein Epizentrum im bewohnten Gebiet nordöstlich der Solfatara, nahe der Pisciarelli-Fumarole. Viele Anwohner wurden aus dem Schlaf gerissen und verließen aus Angst ihre Wohnungen.
So werden Erdbeben erkannt
In diese angespannte Lage schlitterte die Falschmeldung herein. Ein Erdbeben der Stärke 9,0 hätte verheerende Folgen. Der italienische Erdbebendienst Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV) korrigierte den Fehler innerhalb weniger Sekunden. Auch das European-Mediterranean Seismological Centre (EMSC) zog die Meldung schnell zurück. Doch einige Apps reagierten mit einer Verzögerung auf die Korrektur. Das Ergebnis: Die fehlerhaften Informationen waren im Umlauf und befeuerten die Ängste vor einem massiven Erdbeben in der Region.
Aber wie kann es zu solchen Falschmeldungen kommen? Erdbebendienste nutzen automatische Systeme, die kontinuierlich seismologische Daten analysieren. Sobald mehrere Stationen verdächtige Signale registrieren, zieht eine Software diese Daten zusammen und berechnet das Epizentrum und die Stärke eines möglichen Erdbebens.
Doch die gemessenen Daten haben nicht immer ein Erdbeben zur Ursache. Auch Erschütterungen durch Industrie, fallende Bäume oder Tiere können die Systeme fälschlicherweise als Erdbeben interpretieren.
Ein Tippfehler führt zur Falschmeldung
Im Gegensatz zu anderen Diensten überprüft daher der INGV die automatisch erfassten Daten zusätzlich manuell. Erst nach dieser Prüfung werden sie veröffentlicht. Damit es zu einer Falschmeldung kommt, müssen die Daten von dem System missinterpretiert und von einem Menschen aus Versehen freigegeben worden sein. Oder es kommt zu einem Zahlendreher, zum Beispiel beim manuellen Abtippen der Magnitude.
"Das ist hier geschehen", erklärt der Geowissenschaftler Jens Skapski. "Der Fehler bei der Erdbebenmeldung könnte auf die hohe Anzahl an Beben zurückzuführen sein, die manuell überprüft und eingetragen werden müssen. Am Montagabend, nach einem langen Arbeitstag, war das zuständige Personal möglicherweise erschöpft und weniger konzentriert, wodurch der Fehler unbemerkt blieb. Wahrscheinlich war die automatische Analyse korrekt, doch bei der manuellen Übertragung an die Öffentlichkeit unterlief ein Fehler", sagte er im Gespräch mit t-online.
Der INGV bestätigte die Vermutung des Erdbeben-Experten und Betreibers der Plattform "Erdbebennews". In einer offiziellen Mitteilung erklärte der Erdbebendienst, dass eine Magnitude von 9,0 ein Tippfehler war. "Die tatsächliche Stärke des besagten Ereignisses beträgt 0,9", stellte der INGV klar.
Erdbebenserie setzt sich fort
Während sich ein Erdbeben der Stärke 9 glücklicherweise als ein Fehlalarm erwies, nimmt die Erdbeben-Serie in der Region noch kein Ende. Nur wenige Kilometer von Neapel entfernt wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag ein Erdbeben der Magnitude 3,9 gemessen.
Die möglichen Szenarien für Campi Flegrei
Wie sich die seismischen Aktivitäten weiterentwickeln, lasse sich momentan nicht eindeutig vorhersagen, betont Skapski. "Die Erdbebenaktivität könnte langsam abklingen, wie bei früheren Schwärmen, oder weiter zunehmen und stärkere Beben der Magnitude 4 bis 5 verursachen, was je nach Epizentrum erhebliche Schäden in Neapel anrichten könnte."
Im schlimmsten Fall könnten die Aktivität mit magmatischen Prozessen zusammenhängen und einen Vulkanausbruch begünstigen. "Allerdings gibt es widersprüchliche Aussagen zum Verständnis der magmatischen Aktivität und ihrem Einfluss auf die aktuellen Beben", gibt er zu bedenken.
Der Aufstieg von Magma könnte aber im Notfall durch seismische Überwachung, Gasmessungen und Temperaturmessungen schnell erkannt werden, da das Überwachungssystem in der Region hervorragend ausgebaut sei. "Unklar ist jedoch, wie lange das Magma bis zur Oberfläche braucht, da dies von der Gesteinsstruktur und der Anzahl der Erdbeben abhängt. Mehr Beben machen das Gestein brüchiger und könnten den Aufstieg beschleunigen. Ob dieser Prozess Tage oder Wochen dauert, lässt sich aber schwer vorhersagen", so der Experte.
- Gespräch mit dem Geowissenschaftler Jens Skapski
- ingv.it: "Campi Flegrei: Precisazioni sull'evento sismico delle ore 17:46 UTC" (Italienisch)
- erdbebennews.de: "Magnitude 9.0 Campi Flegrei: Falschmeldung zur falschen Zeit"
- x.com: Beitrag von @LastQuake