Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Böllerverbot zum Jahreswechsel Der Silvester-Wahnsinn muss ein Ende haben
Fünf Tote bundesweit, Hunderte Verletzte. Schwere Sachschäden allerorten. In Berlin macht gar eine Kugelbombe Dutzende Wohnungen unbewohnbar. Die Bilanz der Silvesternacht fällt alarmierend aus.
Von einem "Schlachtfeld" spricht die Berliner Feuerwehr, angesprochen auf den Straßenzug im Bezirk Schöneberg. 36 Wohnungen sind es, deren Fenster die Detonation einer Kugelbombe zerschmettert hat. Die Bewohner sind vorerst obdachlos und müssen bei Freunden und Verwandten unterkommen. Fünf Menschen haben die Silvesternacht nicht überlebt, die abgerissenen Finger und Hände oder verletzten Augen sind ungezählt.
Wie lange wollen sich Politik und Gesellschaft die schlimmen Folgen noch ansehen, fragen sich die einen. Das Fehlverhalten einiger darf nicht die Freiheit anderer beschränken, entgegnen manche. Die Diskussion über ein Böllerverbot ist in vollem Gange. Muss die Politik nach den erschreckenden Szenen und Zahlen der Silvesternacht reagieren?
Ja, dem Wahnsinn muss ein Ende gesetzt werden
Jahr für Jahr spielen sich dieselben erschreckenden Szenen ab: Feierwütige böllern auf vollen Straßen. Feuerwerksraketen landen in Menschenmengen und verletzen unbeteiligte Passanten. Explosionen zerfetzen Hände.
Die Silvesternacht wird für viele zu einer Nacht des Schreckens, für einige endet sie gar mit dem Tod. Alles dank unsinniger Böllerei, die nur einigen wenigen eine Freude bereitet. Für andere bedeutet sie Schmerz und Arbeit. Für Ärzte, Polizei und Feuerwehr herrscht eine tagelange Ausnahmesituation. Einsatzkräfte verhindern mit Großaufgeboten noch Schlimmeres und werden dabei selbst zu Opfern gezielter Attacken.
Die Hinterlassenschaften der Pyrotechnik-Exzesse sind schließlich an Neujahr zu bewundern: Tonnen von Böller-Müll. In der Theorie ist jeder, der Böller und Raketen auf öffentlichen Plätzen abfeuert, dazu verpflichtet, die Überreste zu beseitigen. Doch diese Vorschrift wird geflissentlich ignoriert, genauso wie jegliche Böller-Verbotszonen. Die Müllberge verursachen enorme Kosten. Auch die Schäden für die Umwelt wiegen schwer.
Ein Verbot von privaten Feuerwerken ist längst überfällig. Der Spaß einzelner rechtfertigt nicht die Kosten und das Risiko, die jede Silvesternacht mit sich bringt.
Auf die Schönheit eines Feuerwerks muss dabei niemand verzichten: Viele Länder machen vor, wie es geht. Ob Frankreich, die USA oder Australien: Hier ersetzen staatlich organisierte Pyrotechnik-Shows die gefährlichen Böllerei-Exzesse.
Eine echte Knallerbsen-Debatte
Klar ist es absurd, dass sich Garagen-Pyromanen landauf, landab mit Pyrotechnik heikler Herkunft die Finger wegböllern. Mancher kommt gar zu Tode bei dem Quatsch. Und klar ist es nicht hinnehmbar, dass in offenbar rechtsfreien Großstadtvierteln rücksichtslose und testosterongesteuerte Irre inzwischen Kugelbomben (!) zünden und halbe Straßenzüge unbewohnbar ballern.
Aber mal im Ernst: Das neue Jahr ist noch keine 48 Stunden alt, und wir führen reflexhaft die erste Verbotsdebatte? Wirklich jetzt? Was verboten gehört, sind solche Knallerbsen-Diskussionen.
Denn was, bitte sehr, soll genau untersagt werden? Kugelbomben? Sind längst verboten. Es sei denn, man ist staatlich anerkannter Feuerwerker. Mit Raketen auf Ordnungskräfte und Einsatzfahrzeuge (oder sonst wen) ballern? Ist auch verboten. Wie jede Form der Körperverletzung oder Sachbeschädigung.
Weil es aber irgendwo ein paar Trottel und anderswo ein paar Straftäter gibt, sollen Böller ganz, grundsätzlich und für alle abgeschafft werden?
Was kann Otto-Normal-Böllerer dafür, dass die Staatsmacht ein paar Problemkieze nicht in den Griff bekommt? Dass man im Internet bequem Sprengkörper bestellen kann, mit denen sich groteske Schäden anrichten lassen? Oder dass man das Teufelszeug in Tschechien und Polen kaufen, unkontrolliert über die Grenze kutschieren und hierzulande zünden kann? Diese glimmenden Lunten sollte die Politik austreten, allerdings.
Ein Böllerverbot ist ein Blindgänger. Es wird verpuffen, weil es nicht durchsetzbar ist, mit einem einzigen Effekt: Es nimmt alle in Sippenhaft, die einfach Spaß an einer Nacht voll Jux und Ballerei haben. Wer aber Dummes oder Böses im Schilde führt, wird Mittel und Wege finden, es weiter zu tun. Reiner Aktionismus.
Teilen Sie Ihre Meinung mit
Welche Meinung zum Thema haben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de
- Eigene Überlegungen von Ellen Ivits und Philipp Michaelis