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Holland: Küstenwache will brennenden Frachter in der Nordsee drehen


Manöver in der Nordsee
Küstenwache will brennenden Frachter drehen

Von dpa, reuters, t-online, tos, csi, cry

Aktualisiert am 28.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Rauch steigt von der "Fremantle Highway" auf: Auf dem Frachter war in der Nacht zum Mittwoch ein Brand ausgebrochen.Vergrößern des Bildes
Rauch steigt von der "Fremantle Highway" auf: Auf dem Frachter war in der Nacht zum Mittwoch ein Brand ausgebrochen. (Quelle: Kustwachtvliegtuig/Küstenwache)
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Vor der westfriesischen Insel Terschelling brennt ein Frachter. Nun wagt die Küstenwache ein riskantes Manöver. Was wir zur Lage vor Ort wissen.

Ein vor der niederländischen Wattenmeer-Insel Ameland in Brand geratener Frachter mit nach Angaben der Reederei 3.783 Autos an Bord wird möglicherweise noch tagelang brennen. Das Feuer könne nicht gelöscht werden, solange die "Fremantle Highway" nicht stabilisiert sei, sagte eine Sprecherin der niederländischen Küstenwache der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch. Durch den Brand ist ein Besatzungsmitglied ums Leben gekommen, mehrere weitere wurden verletzt.

Der in Panama registrierte Frachter "Fremantle Highway" war laut Küstenwache mit 23 Besatzungsmitgliedern auf dem Weg von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten, als gegen Mitternacht rund 27 Kilometer nördlich von Ameland das Feuer an Bord ausbrach. Die Besatzung versuchte noch, es selbst zu löschen. Dies gelang ihr jedoch nicht, daraufhin wurde sie mit Hubschraubern und Schiffen von Bord geholt. Einige waren zuvor von Bord gesprungen. In den vergangenen Stunden ist das Schiff nun weiter gen Westen getrieben und liegt nun vor Terschelling.

Wie ist die Lage am Tanker? Droht eine Umweltkatastrophe im Wattenmeer? Warum brach der Brand überhaupt aus? Und wie kommen die Löscharbeiten voran? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Frachter-Havarie vor der niederländischen Küste.

Wie ist die Lage am Frachter?

Niederländische Bergungsspezialisten werden einen neuen Versuch unternehmen, den Brand auf dem Autofrachter "Fremantle Highway" zu bezwingen. Am Freitag wollen sie einen Bergungsplan erstellen. Sobald die Temperatur es zulasse, könnten die Experten das Schiff inspizieren, sagte die Küstenwache. Wenn das Schiff stabil genug ist, kann es an einen sicheren Ort geschleppt werden.

Am Donnerstagabend teilte die niederländische Küstenwache mit, dass sie den Autofrachter trotz des Feuers mithilfe eines Schleppers drehen wolle. Da die Strömung sich ändere, könne das Schiff wieder kontrolliert Richtung Osten treiben. Durch den Schlepper bleibe die "Fremantle Highway" außerhalb der Fahrrouten und in sicherem Abstand zum regulären Schiffsverkehr. Bereits zuvor wurde es an einem Notkabel an einem Schlepper befestigt.

Zuvor teilte die Küstenwache mit, dass das Feuer auf dem Frachter kleiner geworden sei. Auf dem Schiff seien nun keine Flammen mehr zu sehen. Für eine Entwarnung sei es aber zu früh. Das Feuer könne auch wieder aufflammen.

Am Vormittag war das brennende Frachtschiff im niederländischen Wattenmeer von seiner Position vor Ameland leicht nach Westen abgedriftet. Es befindet sich nun etwa 16 Kilometer nördlich der Insel Terschelling, sagte ein Sprecher der Küstenwache am Donnerstag. Dort soll die Lage stabil gewesen sein.

Der Brand sei so schwer zu löschen, weil man nicht von innen herankomme, erklärte ein Schiffssicherheitsexperte. "Das ist ja eine große Hülle, in der es innen brennt. Ich kann nur von außen Wasser draufgeben, ich komme also nicht rein, ich habe keine Öffnung, wo ich irgendwo sinnvoll Löschmittel einsetzen kann", sagte Lars Tober von der Gesellschaft für Sicherheitstechnik und Schiffssicherheit Ostsee am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin.

Das Schiff wurde bisland von beiden Seiten mithilfe von Löschbooten gekühlt. Am Donnerstag teilte die Küstenwache dann mit, dass Rettungskräfte die Kühlung vorerst gestoppt hätten. Die Gefahr sei zu groß, dass zu viel Meerwasser ins Schiff gelange. Dadurch könne der Frachter instabil werden. An der Kühlung war auch ein deutsches Löschboot beteiligt.

Die Küstenwache rechnet damit, dass das Schiff noch tagelang, möglicherweise wochenlang, brennen könnte. "Die Herausforderung ist, dass ich das Schiff stabil halte, dass es keine Schlagseite kriegt, dass es nicht kentert und dass es keine Risse in der Außenhaut kriegt", so Tober. "Das ist eigentlich die Hauptaufgabe jetzt."

Was ist über die Brandursache bekannt?

Eindeutig geklärt ist die Brandursache noch nicht. Hinweise gibt der Funkverkehr der Rettungskräfte: "Das Feuer hat begonnen in der Batterie eines elektrischen Autos", heißt es dort in der Nacht zu Mittwoch, nachdem die Rettungskräfte Kontakt mit dem Kapitän hatten. Teile des Funkverkehrs veröffentlichte der niederländische TV-Sender Rtl am Donnerstag auf seiner Homepage.

Erst kürzlich hatte der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport der Akkus auf Schiffen gewarnt. Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse, schreibt der Versicherer in seiner neuesten Schifffahrtsstudie.

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Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wieder entzünden könnten. "Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen", sagte der Schifffahrtsexperte Justus Heinrich.

Auch das Unternehmen BLG Logistics, das für das Verladen der Autos zuständig war, konnte am Mittwochnachmittag noch keine genaueren Angaben zu den Hintergründen des Feuers machen. Es galten bei dem Verladen "strenge Sicherheitsvorschriften", teilte eine Unternehmenssprecherin schriftlich t-online mit. Neben den Autos verschiedenster Hersteller habe das Schiff weitere "High & Heavy-Güter" geladen. Um was es sich konkret handelte, ging aus der Mitteilung nicht hervor.

Warum ist der Brand des Frachters so gefährlich?

Falls das Öl an Bord ins Wasser gerät, könnten das Wattenmeer sowie die Nordseeküsten in Friesland, anderen Teilen der Niederlande und Deutschland verseucht werden. Laut Meeresbiologe Thilo Maack von der Umweltorganisation Greenpeace würde das Öl ins Watt eindringen und dort über Jahre hinweg verbleiben. Die Bedrohung des Ökosystems geht allerdings nicht nur von dem Schiffstreibstoff aus.

Auch könnte bei Kontakt zwischen Wasser und den Autobatterien Säure entstehen, die der Umwelt ebenso schwer zusetzen dürften wie austretende Schwermetalle. Explizite Gefahr besteht hierdurch auch für die deutschen Wattenmeerinseln Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge.

"Mich erfüllt das mit großer Sorge", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke am Morgen im Deutschlandfunk zur gegenwärtigen Lage. Sie lobte den Einsatz der niederländischen und deutschen Havariekommandos und warnte vor einer möglichen Tragödie in der Nordsee.

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Wie groß ist die Gefahr einer Umweltkatastrophe?

Die Gefahr einer Ölpest für die niederländischen Wattenmeerinseln wegen des brennenden Autofrachters ist nach Einschätzung des zuständigen Ministers gering. Wenn Treibstoff aus dem Frachter ausströmen sollte, würde dieser sich Richtung Norden in die offene See verbreiten, teilte der Minister für Infrastruktur und Wasserverwaltung, Mark Harbers, dem Parlament in Den Haag am Donnerstag mit. Er beruft sich dabei auf die Vorhersagen für Wind und Strömung.

Bisher ist nach Angaben der Behörden kein Öl aus dem brennenden Frachter geströmt. Ein Schiff der Wasserbehörde für die Bergung von Öl liegt bei dem Frachter und könnte sofort eingreifen, falls das nötig ist.

Nach Einschätzung eines Experten ist jedoch bereits verunreinigtes Wasser in das Meer gelangt. Kim Detloff, beim Naturschutzbund (Nabu) zuständig für Meeresschutz, sagte NDR Info: "Tatsächlich ist die Umweltkatastrophe jetzt schon da." Es gebe bereits kontaminiertes Lösch- und Kühlwasser. Detloff zufolge verbrennen Schadstoffe, Giftstoffe, Schwermetalle, Kunststoffe, Batterien und Öl. "Und diese Bestandteile gelangen schon jetzt über das Kühlwasser ins Ökosystem, so dass es lokal zu Verunreinigungen kommt", sagte Detloff.

Das sei jedoch kein Vergleich zu dem, was drohe, wenn das Schiff sinken sollte.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenangenturen dpa und Reuters
  • t-online.de: "Luftaufnahmen zeigen brennenden Autofrachter in Nordsee"
  • t-online.de: "Wochenlanges Feuer auf Autofrachter befürchtet"
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