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Protest gegen Polizeigewalt in Frankreich: "Gebe einer Person die Schuld"


Krawalle nach Polizeigewalt
Mutter des getöteten 17-Jährigen: "Ich gebe einer Person die Schuld"

Von reuters, afp
Aktualisiert am 30.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Ein Auto in Flammen: Nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel gehen die Ausschreitungen auf den Straßen Frankreichs weiter. (Quelle: reuters)

Der gewaltsame Tod eines Jugendlichen durch Polizeischüsse schürt die Wut und Verzweiflung vieler Franzosen. Die dritte Nacht in Folge kam es zu Krawallen.

Frankreich hat eine dritte Nacht gewaltsamer Proteste erlebt. Trotz massiven Polizeiaufgebots wurden in der Nacht zum Freitag erneut Autos angezündet, Gebäude verwüstet und Geschäfte geplündert. Entzündet haben sich die landesweiten Proteste und Krawalle am Tod des 17-jährigen Nahel, der am Dienstagabend bei einer Verkehrskontrolle von einem Polizisten erschossen wurde.

Präsident Emmanuel Macron hatte für Freitag erneut eine Krisensitzung der Regierung einberufen. Dort richtete er sich besonders an die Verantwortung der Eltern: Ein Drittel der in der vergangenen Nacht Festgenommenen sei sehr jung, sagte Macron in Paris. "Und ich appelliere an das Verantwortungsbewusstsein der Mütter und Väter. Die Republik ist nicht dazu berufen, an ihre Stelle zu treten", so der Präsident.

Macron zieht Eltern und soziale Medien in die Verantwortung

Der Staatspräsident machte auch die sozialen Netzwerke für die Gewalteskalation der vergangenen Tage verantwortlich. Dort seien gewalttätige Versammlungen organisiert worden. Außerdem habe er das Gefühl, dass einige Jugendliche auf der Straße Videospiele nachahmten. Macron kündigte an, dass die Behörden gegen Menschen vorgehen werden, die über soziale Medien zu Krawallen aufrufen.

Macron hatte bereits 40.000 Polizistinnen und Polizisten eingesetzt, um die Ausschreitungen unter Kontrolle zu bringen. Zudem wurden nach Angaben aus Polizeikreisen Eliteeinheiten der Polizei und der Gendarmerie nach Toulouse, Marseille, Lyon, Lille und Bordeaux geschickt.

In einer Mitteilung der Geheimdienste hatte es nach Angaben aus Polizeikreisen geheißen, die Gewalt könne sich im Laufe der "nächsten Nächte ausweiten" und durch "gezielte Aktionen gegen Sicherheitskräfte und Symbole des Staates" gekennzeichnet sein. Insgesamt wurden in der vergangenen Nacht 667 Menschen festgenommen, teilte Innenminister Gerald Darmanin mit. Die meisten von ihnen seien 14 bis 18 Jahre alt.

Chaos und Ausgangssperren

Im südlichen Pau wurde nach Angaben der Präfektur ein Molotow-Cocktail auf eine Polizeiwache geschleudert. In Paris wurden in den "Halles" und auf der Rue de Rivoli, die zum Louvre führt, mehrere Geschäfte "verwüstet", "geplündert oder in Brand gesteckt", wie ein ranghoher Polizeivertreter sagte. Im nordfranzösischen Lille wurde das Rathaus eines Arbeiterviertels angezündet, ein Rathaus im Osten der Stadt wurde mit Steinen beworfen. In Marseille wurde eine Bücherei verwüstet, wie örtliche Behördenvertreter mitteilten.

Im Pariser Vorort Nanterre, wo der Jugendliche nordafrikanischer Abstammung getötet wurde, artete am Donnerstagabend eine friedliche Kundgebung in Gewalt aus. Eine aufgebrachte Menge steckte Autos in Brand. Barrikaden wurden in den Straßen errichtet. Die Polizei wurde mit Gegenständen beworfen und setzte Tränengas ein.

Mindestens drei Städte am Rande von Paris hatten eine Ausgangssperre verhängt, darunter Clamart und Compiègne. Im Zentrum der Hauptstadt wurden nach Angaben der Polizei in einer Einkaufsstraße die Schaufenster von Geschäften eingeworfen.

Aufgrund weiterer erwarteter Proteste fuhren im Großraum Paris ab Donnerstagabend ab 21 Uhr keine Busse und Straßenbahnen mehr. Am Freitag soll das für ganz Frankreich gelten: Innenminister Gérald Darmanin habe die Präfekten in den Regionen angewiesen, ab 21 Uhr den Verkehr dieser Transportmittel einzustellen, teilte das Innenministerium am Freitag in Paris mit. Auch der Verkauf von Feuerwerkskörpern, von Benzinkanistern sowie entzündlichen und chemischen Produkten solle systematisch unterbunden werden.

Ermittlungen wegen "vorsätzlicher Tötung"

Gegen den mutmaßlichen Schützen, einen Polizeibeamten im Dienst, wurde ein formelles Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Polizist sei der "vorsätzlichen Tötung beschuldigt" und in Untersuchungshaft genommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Hier lesen Sie mehr dazu.

Der jugendliche Nahel M. war am Dienstag auf dem Fahrersitz eines Autos bei einer Verkehrskontrolle in Nanterre erschossen worden. In einem Video war zu sehen, wie der Polizist mit seiner Waffe auf den Fahrer zielt und aus nächster Nähe schießt, als das Auto plötzlich beschleunigt. Bei der Kontrolle war zuvor der Satz zu hören: "Du kriegst eine Kugel in den Kopf."

"Ich gebe einer Person die Schuld"

In ihrem ersten Medieninterview seit dem Tod ihres Sohnes sagte die Mutter Mounia, sie gehe von einer rassistisch motivierten Tat aus, mache aber nicht die Polizei als Ganzes dafür verantwortlich. "Ich gebe nicht der Polizei die Schuld, ich gebe einer Person die Schuld", sagte sie im Sender France 5. Der Polizist habe "das Gesicht eines Arabers gesehen, einen kleinen Bengel, und wollte ihm das Leben nehmen", sagte sie.

Nach Angaben seines Anwalts Laurent-Franck Liénard entschuldigte sich der Beamte im Polizeigewahrsam bei der Familie. "Die ersten Worte", die der Polizist gesagt habe, "waren, sich zu entschuldigen, und die letzten, die er gesagt hat, waren, sich bei der Familie zu entschuldigen", sagte der Anwalt im Fernsehsender BFMTV. Er kündigte an, am Freitag Widerspruch gegen die Untersuchungshaft einzulegen

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters und AFP
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