Warnstreik in der Kritik Warum sind politische Streiks eigentlich verboten?
In sechs Bundesländern bleiben Busse und Bahnen am Freitag stehen. Die Streiks finden zeitgleich mit den Protesten von Klimaaktivisten statt. Das sorgt für Kritik.
An diesem Freitag legt Verdi den öffentlichen Nahverkehr in sechs Bundesländern und einigen Städten lahm. Das sorgt bei Deutschlands Arbeitgebern für Ärger. Einer der Gründe: Der Streik findet gleichzeitig mit den Protesten der Klimaaktivisten von Fridays for Future statt, die zu einem globalen Klimastreik aufrufen.
"Die Ankündigung von Verdi, gemeinsam mit der Organisation Fridays for Future den Verkehr in weiten Teilen Deutschlands lahm zu legen und zu blockieren, ist eine gefährliche Grenzüberschreitung", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter. Die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle wies diese Kritik zurück: "Gerade diese Kritik halte ich für einen Riesenfehler", sagte Behle am Freitagmorgen am Rande einer Streikkundgebung in Leipzig.
- Öffentlicher Nahverkehr: In welchen Städten gestreikt wird
Wie sieht es rechtlich aus? Sind politische Streiks in Deutschland erlaubt? Und was ist überhaupt unter einem politischen Streik zu verstehen? Die wichtigsten Antworten:
Politische Streiks – das steckt dahinter
Politische Streiks sind Arbeitsniederlegungen, die politische Ziele verfolgen. Zu unterscheiden sind sie von gewöhnlichen Streiks, die etwa auf den Abschluss von Tarifverträgen abzielen.
Letztere sind gesetzlich geschützt – ebenso wie verhältnismäßige Warnstreiks und Streiks, die sich gegen einen Arbeitgeber richten, um einen Firmentarifvertrag zu erzwingen.
Sind politische Streiks erlaubt?
Seit 1952 Jahren gelten politische Streiks in Deutschland als unzulässig. Damals urteilte das Freiburger Landesarbeitsgericht, ein großer Streik von Beschäftigten in Zeitungsbetrieben für mehr Rechte im Betriebsverfassungsgesetz sei rechtswidrig gewesen.
Der Streikforscher Jörg Nowak sagte dem ZDF jedoch, dass die Interpretation des Freiburger Urteils als ein generelles Verbot politischer Streiks durchaus umstritten sei. So habe es auch nach 1952 politische Streiks in Deutschland unter Beteiligung von Gewerkschaften gegeben – beispielsweise gegen den Nato-Doppelbeschluss. In anderen EU-Staaten wie Frankreich und Italien kommen sie aber noch wesentlich häufiger vor.
Diese Partei kämpft für eine Legalisierung
Im November 2022 startete die Linke einen Anlauf, politische Streiks zu legalisieren. Auch Gewerkschaften wie die IG Bau, Verdi oder die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) setzten sich in der Vergangenheit für eine Legalisierung ein.
Aus der Linksfraktion hieß es, sie wolle Arbeitnehmern mehr Möglichkeiten bieten, sich zu wehren. Politische Streiks seien eine direkte Maßnahme gegen die zunehmende Politikverdrossenheit. "Will man ein wirkliches Gegengewicht schaffen, bleibt nur der Rückgriff auf den politischen Streik", hieß es in einem Antrag der Partei.
Die Frage nach der Zulässigkeit von politischen Streiks gewinne durch mehrere Umstände in Deutschland wieder an Gewicht, etwa durch den Krieg in Europa, die Klimakrise und explodierende Lebensmittel- und Energiepreise, argumentierte die Fraktion.
BDA-Chef Kampeter zeigt sich jedoch weiterhin von dem Verbot überzeugt. Er argumentiert: "Streiks sind zulässig, um Tarifverträge zu erreichen, die Arbeitsbedingungen regeln." Demonstrationen könnten auf ganz unterschiedliche Ziele gerichtet sein. "Wer aber Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele miteinander vermischt, gerät schnell auf ein Spielfeld jenseits unserer Tarifautonomie."
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- bundesregierung.de: "Generalstreik - Rechtliche Bedingungen und Streikkultur im Vergleich"