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Schiedsrichter-Influencer Pascal "Qualle" Martin über Gewalt im Fußball


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Gewalt auf dem Fußballplatz
"Schiedsrichter haben keinen Bock mehr"

InterviewVon Amir Selim

Aktualisiert am 03.03.2024Lesedauer: 4 Min.
Fair Play ist ein wichtiges Thema im Jugendfußball - nicht nur für die Spieler, sondern auch für Zuschauer und Trainer.Vergrößern des Bildes
Ein Spieler fällt zu Boden (Symbolbild): Immer wieder kommt es zu Gewalt auf Fußballplätzen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Gewalttaten im Fußball lösen immer wieder Empörung aus. Vor allem Schiedsrichter sind oft auf sich allein gestellt.

Als Schiedsrichter hat man es nicht leicht: Spieler, Trainer und Fans fühlen sich schnell benachteiligt, wenn Entscheidungen gegen ihr Team fallen. Gerade im Amateurbereich sind die Unparteiischen häufig auf sich allein gestellt. Wie fühlt sich das an? Woher kommt die Gewalt? Und ist es ratsam für Jugendliche, mit dem Pfeifen anzufangen? Schiedsrichter-Influencer Pascal Martin, besser bekannt unter seinem Künstlernamen "Qualle", hat im Interview mit t-online darüber gesprochen.

t-online: Qualle, wie aggressiv geht es auf dem Fußballfeld zu?

Qualle: Die Aggressivität hat stark zugenommen. Ich persönlich erlebe sie aber nicht mehr, wenn ich auf dem Feld stehe. Nicht weil ich ein besserer Schiedsrichter bin als andere, sondern weil die Leute "Qualle" kennen. Ich weiß aber, dass viele meiner Kollegen und Kolleginnen so was auf dem Platz erleben müssen.

Woher kommt die Aggressivität?

Im Jugendbereich liegt das größtenteils an Menschen, die nicht auf dem Platz stehen. Spielabbrüche werden in den seltensten Fällen von Spielern verursacht. Stattdessen kommen unangenehme und ekelhafte Beiträge von außen. Schlimmer geworden ist es, seitdem mehr Eltern, aber auch Zuschauer oder junge, übermotivierte Trainer dabei sind, die sich vom Spielfeldrand einmischen oder die Kinder anschreien. Ich habe noch nie ein Spiel gepfiffen, in dem ich mit den Spielern größere Probleme hatte. Unangemessenes Verhalten kam immer von außen.

(Quelle: imago-images-bilder)

Zur Person

Pascal Martin (22) ist Schiedsrichter und TikTok-Star. Auf der Plattform hat er als "Qualle" fast eine Million Zuschauer. Er setzt sich als Redner bei Vereinen, Schulen und Unternehmen für mehr Respekt auf dem Fußballplatz ein.

Wie gehen Sie damit um? Welche Lösungen gibt es?

Mir persönlich sind solche Beiträge und Reaktionen egal. Andere Schiedsrichter hören auf und haben keinen Bock mehr. Wer stellt sich denn freiwillig auf den Platz, um sich beleidigen zu lassen? Es gibt aber Schiedsrichter, die wie ich darüberstehen. Im Zweifel lassen sie die Leute von außen einfach machen. Aber nicht alle haben die Eigenschaften und die Erfahrung, um das einfach wegzustecken.

Wie lassen sich Schiedsrichter in diesen Situationen besser schützen? Wie machen Sie es?

Ich bin durch meine Kamera geschützt. Ich mache mir keine großen Gedanken darüber. Wenn etwas auf dem Platz passiert, habe ich das im Kasten. Am Ende des Tages kann ich Vorfälle zeigen. Aber natürlich ist nicht jeder Schiedsrichter mit einer Kamera auf dem Platz. Deshalb haben wir sehr schlechte Karten, wenn es darum geht, uns selbst zu schützen. Wir können uns verteidigen. Das gelingt aber nur, wenn man die richtige Aura und Ausstrahlung hat. Oder wir gehen in die Kabine und hoffen, dass die Leute mit ihrer Gewalt, ihrer Unverschämtheit aufhören.

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Meinen Sie, die Lage kann sich auch wieder verbessern?

Die größte Hoffnung, die ich weiterhin sehe, ist, wie viele Jugendliche und Vereine eigentlich gar nicht so schlimm sind. Es gibt immer ein, zwei Kandidaten, die aus der Reihe tanzen und die für die Probleme verantwortlich sind. Ich habe gemerkt, dass in jedem Verein, bei dem ich war, meine Message ankam. Ich möchte andere motivieren, in ihrem Verein Schiri zu werden. Das glückt oft und das gibt mir Hoffnung. Ich merke immer, egal wie weit ich fahre, dass sich die Gespräche lohnen. Die Leute machen sich dann Gedanken. Auch solche, die sonst wohl Probleme schaffen. Das ist eine der größten Motivationen für mich.

Haben Sie an ein konkretes Beispiel?

Es nehmen viele Leute an meinen freiwilligen Workshops teil, darunter viele Fußball spielende Kinder. Es gab auch schon einige, die zu mir sagten: 'Qualle, nur wegen deiner Videos bin ich Schiedsrichter geworden.' Das krasseste Beispiel war, als gleich zwölf Leute nach einem Spiel mit mir als Schiri angefangen haben. Das war für mich einer der größten Beweise, dass ich einen guten Job mache.

Wie kamen Sie selbst auf die Idee, Schiedsrichter zu werden?

Ich bin Schiedsrichter geworden, weil ich keinen Fußball spielen kann (lacht). Das ist die Wahrheit. Ich habe auch irgendwann die Lust am Spiel verloren. Aber ich hatte die Idee, mal der Neutrale auf dem Feld zu sein. Das hat mir dann richtig Spaß gemacht.

Warum sollten Jugendliche Schiedsrichter werden?

Sie können damit Geld verdienen. Das ist ein richtig gutes Taschengeld. Sie kommen umsonst in Stadien hinein, auch wenn die großen Vereine spielen. Aber das beste Argument: Es ermöglicht eine wahnsinnige Persönlichkeitsentwicklung. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich irgendwann auf die Bühne vor viele Menschen stellen und problemlos offen sprechen kann. Aber durch die Tätigkeit als Schiedsrichter habe ich viel Selbstbewusstsein gewonnen. Denn auf dem Fußballplatz sind alle gegen dich. Du musst aber trotzdem an dich glauben und deine Entscheidungen durchsetzen. Das ist gerade für Jugendliche eine wichtige und lehrreiche Erfahrung.

Und das trotz der Gewalt? Warum sollten sich junge Menschen nicht davor fürchten, Schiedsrichter zu sein?

Sie sollten keine Angst haben, weil sie nicht allein sind. Wir Schiedsrichter unterstützen uns gegenseitig. Trotzdem muss ich klar sagen: Ich kann nicht versprechen, dass nichts passiert. Natürlich können Schiedsrichter geschlagen oder beleidigt werden. Diese Sicherheit kann ich nicht geben. Jungen Leuten muss klargemacht werden, dass so etwas passieren kann.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Qualle
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