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Celle: Prozess gegen Daniela Klette – Ex-RAF-Terroristin spricht von "Jagd"


Nach erstem Prozesstag gegen Daniela Klette
"Mich haben sie jetzt, aber die Jagd geht weiter"


Aktualisiert am 26.03.2025Lesedauer: 4 Min.
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Die 66-jährige lebte jahrelang im Untergrund (Quelle: reuters)
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Der Auftakt zum Prozess gegen die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette startete mit 40 Minuten Verzögerung und zog sich bis zum frühen Abend hin. Viele offene Fragen bleiben zurück.

Die Anklageschrift wirkt zunächst bedrückend. Vorgetragen wird sie von den beiden Staatsanwältinnen Katharina Sprave und Annette Marquardt aus Verden. Immer wieder werden Details zum Ablauf der insgesamt 14 Raubüberfälle auf Supermärkte und Geldtransporter im Norden und Westen der Republik ausgeführt, die Abläufe ähneln sich demnach: Während die mutmaßlichen Mittäter Burkhard Garweg und Ernst Volker Staub bei den Überfällen aktive Rollen eingenommen hatten, war Daniela Klette oftmals als Fahrerin der Fluchtwagen aktiv. Das geht aus der Anklageschrift hervor. Bei einigen Überfällen habe sie mit einer Panzerfaustattrappe gedroht.

Aufgrund der bandenmäßigen Durchführung, der Mitwisserschaft und Duldung der gemeinsam ausgeführten Taten sieht die Anklage eine volle Schuld bei der angeklagten Klette. Der schwerwiegendste Tatvorwurf: versuchter Mord. Grundlage dafür waren Schüsse, die Garweg beim Überfall am Real-Markt in Stuhr bei Bremen im Juni 2015 auf das Geldtransporter-Fahrzeug abgab und der Anklage zufolge den Fahrer nur knapp verfehlte.

Weit über eine Stunde dauert die Verlesung, die Klette aufmerksam, aber offenbar unbeeindruckt verfolgt.

Sicherheitscheck aufwändiger als am Flughafen

Klette sitzt hinter Panzerglas, zusammen mit ihrem dreiköpfigen Verteidungsteam, welches unmittelbar zu Verhandlungsbeginn bereits zum Gegenangriff überging. Zwei Justizbeamte, die aus Sicherheitsgründen mit im Glasverbau saßen, würden die uneingeschränkte Kommunikation der Verteidiger mit Klette beeinflussen. Ohnehin seien die Sicherheitsvorkehrungen fragwürdig für einen vornehmlichen Raubtaten-Prozess.

Zugegeben: Die Sicherheitsmaßnahmen suchen ihresgleichen. Aufgrund der Sicherheitsaspekte wurde der Prozess vom Verdener Landgericht bereits für die ersten Verhandlungstage in den Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichtes Celle verlegt. Journalisten, die hier reinwollen, brauchten aufgrund der großen Nachfrage zunächst das Losglück – und dann viel Geduld. Denn der Sicherheitscheck ist aufwändiger als am Flughafen, kein Handy, nicht mal die Smartwatch war erlaubt. Draußen vermummte und schwer bewaffnete Polizisten an jeder Straßenecke, an jedem Eingang. Ein Sicherheitsaufgebot, das im späteren Verlauf des Verhandlungstages noch eine Rolle spielen sollte.

Zeigte die Staatsanwaltschaft den Verlust jeglicher Distanz?

Nach Ende der langen Anklageverlesung kündigen alle drei Verteidiger Eröffnungsstatements an. Nach einer halben Stunde Pause geht es in die Fortsetzung – diesmal ohne Sicherheitsbeamte im Glaskasten: Richter Engelke zeigte sich einsichtig und befand die grundlegenden Sicherheitsmaßnahmen als ausreichend – die Beamten blieben draußen. Die Erklärungen der Verteidigung hatten es dafür in sich und zerlegten die Anklage der Staatsanwaltschaft bereits, bevor es überhaupt in die Hauptverhandlung ging.

Finale Forderung: Einstellung des gesamten Verfahrens und Aufhebung des Haftbefehls gegen Daniela Klette. Die Ausführungen der Verteidigung legten dar, dass die Anklageschrift sich in vielen Punkten eben nicht alleinig auf die anzuklagenden Überfallszenarien berief, sondern immer wieder klaren Bezug auf die mutmaßliche RAF-Vergangenheit von Klette und ihren Komplizen nahm. "Es liegt eine klare, öffentliche Vorverurteilung dadurch vor", so die Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft würde mit verfahrensfremden politischen Inhalten argumentieren.

Auch die Sicherheitsmaßnahmen wurden infrage gestellt: "Es geht hier nicht um ein Terror- oder ein Staatsschutzverfahren". Die mutmaßliche RAF-Vergangenheit habe die Staatsanwaltschaft genutzt, um das Gefahrenpotenzial in einem Raubtat-Prozess regelrecht eskalieren zu lassen. "Die Staatsanwaltschaft zeige den Verlust jeglicher Distanz und zieht nun alle Register", so Verteidiger Ulrich von Klingengräf.

Zuvor hatte Verteidigerin Undine Weyers bereits von "Spuren eines politischen Verfahrens gesprochen". Doch bevor der dritte Anwalt Lukas Theune sein Eröffnungsstatement abgibt, wird Daniela Klette selbst der Vortritt gelassen. Die Angeklagte hat eine mehrseitige Erklärung vorbereitet. Nach dem Ende der RAF sei man mit einer extremen öffentlichen Fahndung konfrontiert gewesen – in Klettes Augen eine Rache des Staats an der RAF nach deren Deeskalationserklärung. Sie kritisiert die Diffamierung und Hetze, der sie sich ausgesetzt fühle, und das, obwohl es ja um Geldraubaktionen gehe und nicht um die RAF. Die Lüge um die große Gefährdungslage werde öffentlich befeuert, der Prozess sei eine Abrechnung mit der RAF. "Ich bin mir meiner Lage bewusst, was soll ich erwarten", so Klette zum Abschluss ihrer Erklärung.

Unterstützung für Klette

Einzelnes Klatschen aus dem Zuschauerraum ebbt schnell wieder ab. Einige Sympathisanten waren im Publikum auszumachen, darunter auch Ariane Müller. Die Aktivistin hatte nach der Festnahme von Klette eine Solidaritätsdemo vor der JVA Vechta organisiert und war im weiteren Verlauf von ihrem Job bei einem Bremer Krankenhaus beurlaubt worden. Der Arbeitgeber Geno trennte sich schließlich von seiner Betriebsrätin Müller – einvernehmlich, wie es seinerzeit heißt.

Müller erzählt, wie sie Klette zunächst in der JVA besucht und später ein Besuchsverbot auferlegt bekommen habe, ihr Arbeitgeber zog schließlich die Reißleine. Den Prozess begleitet Müller nun als Journalistin für die linke Tageszeitung "Junge Welt".

Für das Datenproblem muss eine Lösung gefunden werden

Im abschließenden Statement des dritten Verteidigers Theune wird ein weiteres Problem der Anklage deutlich: "Die digitale Akte des Falls umfasst inzwischen 1,8 Terrabyte". Dem Verteidiger offenbar nicht nur zu viel, um die Daten des LKA zeitnah zu übermitteln, sondern auch menschlich schwer möglich, diese auszuwerten. Zunächst war die anwaltlich bereitgestellte Festplatte demnach erst einen Tag vor Prozessbeginn zurückgesandt worden, die darauf befindlichen Datenmengen seien menschlich nicht auswertbar: 41.500 Ordner mit 380.285 Einzeldateien.

Laut Theune habe die Polizei zur Auswertung eine KI-Software eingesetzt. Da man selber diese nicht nutze und deren Einsatz ohnehin infrage zu stellen sei, herrsche Chancenungleichheit. Bevor das Problem nicht gelöst sei, könne man nicht in die Hauptverhandlung gehen.

Die Staatsanwaltschaft hat nun bis zum nächsten Termin am 1. April nur eine Woche Zeit, um die harten Vorwürfe zu entkräften und eine Lösung für das Datenproblem vorzulegen. Der Prozess bleibt also höchstspannend und wird wohl zunächst weiter vor der Frage stehen, wie politisch ein Raubüberfall sein kann.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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