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HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Nach der Bundestagswahl: Mit wem koaliert Friedrich Merz?


Koalitionsbildung nach der Wahl
Er scheint sich verzockt zu haben

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 10.02.2025 - 06:43 UhrLesedauer: 3 Min.
Friedrich Merz (r) und Christian Lindner: Der CDU-Chef versucht, den Libaralen Wähler abzugraben.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (r.) und Christian Lindner: Der CDU-Chef versucht, den Libaralen Wähler abzugraben. (Quelle: Michael Kappeler)
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Die Union hofft darauf, dass keine der kleinen Parteien ins Parlament kommt. Denn sonst käme der neue Bundeskanzler nicht an einem Dreierbündnis vorbei. Will das irgendjemand?

Friedrich Merz wird Bundeskanzler, der zehnte seit 1949. Eine geringe Zahl, ein Zeichen der Stabilität für dieses Land, das sollten wir nicht gering achten. Italien bringt es auf 31 Regierungschefs im selben Zeitraum, Großbritannien auf 15.

Der Gegenwärtige, mit dem sich der Künftige gestern Abend ein ebenso lebhaftes wie zähes TV-Duell lieferte, wird dann Vergangenheit sein. Olaf Scholz gehört mit Ludwig Erhard (1963 bis 1966) und Kurt Georg Kiesinger (1966 bis 1969) zu den Kurzkanzlern der Nachkriegsrepublik.

Wie lange wir mit Friedrich Merz leben werden, hängt einerseits von ihm selbst ab, andererseits von der Koalition, die er bilden darf. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er säumig geblieben wäre. Der Hau-Ruck-Versuch, schärfere Immigrationsgesetze mithilfe der AfD durch den Bundestag zu jagen, schlug fehl, stürzte ihn aber nicht, wie befürchtet, unter 30 Prozent in den Meinungsumfragen. Der Zweck des Manövers bestand darin, der AfD übergelaufene CDU-Wähler abspenstig zu machen.

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Ein möglicherweise wahlentscheidendes Problem

Jetzt möchte Merz die FDP fleddern, die ziemlich sicher unter fünf Prozent bleiben wird. Mit einer gewissen Schnoddrigkeit empfiehlt er den liberalen Restwählern, ihre Stimmen doch bitte gleich der CDU zu geben, damit sie nicht verloren gehen.

Das Graben an anderen Parteien ist ebenso verständlich wie auch eine Verlegenheitslösung. Denn der Bald-Kanzler erfreut sich als Persönlichkeit keiner hinreichenden Popularität. Er zieht nicht freischwebende Wähler an, die jeder Kandidat dringend benötigt. Er ist nur unwesentlich beliebter als Olaf Scholz. Darin liegt ein großes, womöglich wahlentscheidendes Problem.

Es kommt also darauf an, ob er mit einer oder zwei Parteien eine Koalition bilden kann. Einem neuen Dreierbündnis fehlen sowohl Charme als auch Überzeugungskraft. Nach der Ampel will das niemand mehr. Wird Merz dazu gezwungen, ist sein Radius als Kanzler gering und der Binnenkonflikt in der Regierung programmiert. In Österreich ging dieses Experiment so schief, dass die FPÖ jetzt den Kanzler stellen kann.

Gerhad Spörl

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Die FDP kann man abschreiben

Merz' Möglichkeiten hängen also letztlich davon ab, wie viele Parteien im Bundestag vertreten sein werden. Die Höchstzahl wäre die Sieben (Linke/BSW/FDP/Grüne/SPD/AfD/Union). Die geringste Zahl wäre die Vier (Grüne/SPD/AfD/Union). Wonach sieht es derzeit aus?

Die FDP kann man getrost abschreiben. Christian Lindner scheint sich so gut wie sicher verzockt zu haben. Ihm kommt das Verdienst zu, seine Partei einst aus dem Nirwana zurück ans Licht geführt zu haben. Nun kehrt sie zurück ins Dunkle. Sie wird sich zur Rehabilitation neu erfinden müssen.

Das BSW hat seinen Höhenflug vielleicht schon hinter sich. Es wäre kein Wunder, denn Sahra Wagenknecht ist weniger eine Parteiführerin als eine Egomaschine. Sie versteht es blendend, ihre schlichten Botschaften – USA böse, Russland gut, Immigranten nicht gut – in Talkshows als Endlosschleife zu verbreiten.

Nur die SPD bietet sich an – nach Scholz

Gesetzt den Fall, es bliebe bei vier Parteien im Parlament, entsteht ein trickreiches Rechenexempel, unter welchen Umständen Union und SPD überhaupt eine Koalition bilden könnten. Denn dann müsste der Abstand zwischen CDU/CSU und AfD größer sein als der Abstand zwischen SPD und AfD. Nach der neuen Umfrage liegt Merz neun Prozentpunkte vor Weidel, die SPD aber nur sieben Prozentpunkte hinter der AfD. Nur unter diesen Umständen könnten Union und SPD gemeinsam regieren.

Auf ein Ergebnis dieser Art muss Friedrich Merz hoffen. Einzig die Nach-Scholz-SPD bietet sich ja zum Bündnis an. Die Grünen fallen aus Gründen, die nur Markus Söder versteht, als Option aus.

Aber da gibt es eine Partei, die das ganze schöne Vierer-Gebilde zum Einsturz bringen kann. Mit ihr hat eigentlich niemand mehr gerechnet. Sie war abgeschrieben, gerupft durch die Renegatin Sahra Wagenknecht, als Resterampe zurückgeblieben.

Plötzlich ist die Linke obenauf

Es handelt sich um die Linke, die gerade eine seltsame Wiederauferstehung feiert. Ihr laufen scharenweise neue Mitglieder zu. Sie hat in Heidi Reichinnek plötzlich eine Spitzenkandidatin, die Reden hält, die im Gedächtnis bleiben und auf TikTok viral gehen. Und da ist ja auch noch das Trio aus Silberlocken, das auf Rettungsmission ausschwärmt.

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Gregor Gysi (77), Bodo Ramelow (68) und Dietmar Bartsch (66) bemühen sich um drei Direktmandate, die ihre Partei auf jeden Fall in den Bundestag hieven würden. Ihre Auftritte sind amüsant, selbstironisch und egogetrieben, was denn sonst.

13 Tage noch bis zur Wahl. Viel kann da passieren. Ein neuer Anschlag, ein schwerer Fehler, ein Lachen am falschen Ort, weitere Krisenbotschaften aus Wirtschaft und Industrie. Aber auch ohne neuerlichen Erregungs- und Empörungszyklus sieht es nicht danach aus, als bekäme Deutschland die starke Regierung, die es dringend braucht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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