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Donald Trump und Twitter: Das Höllenmonster und sein Geschöpf


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Das Höllenmonster und sein Geschöpf
Nicht nur Trumps Ende naht

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

14.11.2022Lesedauer: 3 Min.
Donald Trump: Er hat in dieser Woche eine "große Ankündigung" versprochen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Er hat in dieser Woche eine "große Ankündigung" versprochen. (Quelle: Angela Piazza/imago-images-bilder)
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Es gibt derzeit Grund zu doppelter Freude, findet unser Kolumnist: Denn mit Trump und Twitter könnte es gleichzeitig zu Ende gehen.

Seit über fünf Jahren hallt mir diese Aussage im Kopf nach, diese Aussage vom Monster und dem zerrissenen "fabric of the society". "Wir wussten, dass wir etwas Fürchterliches geschaffen hatten", sagte damals Chamath Palihapitiya, ein früherer Facebook-Führungsmann, zuständig seinerzeit für das Wachstum der Facebook-Gemeinde, bei einem öffentlichen Auftritt, den man sich immer noch bei YouTube anschauen kann. "Wir hatten ein Tool geschaffen, das geeignet war, das soziale Gewebe einer funktionierenden Gesellschaft zu zerreißen."

"The fabric of the society" – das ist der Hauptfaden, das Gewebe, das unsere Gesellschaft bei allem Abrieb zusammmenhält. Wie bei einer Socke, bei der man nach langem Tragen den nackten Hauptfaden sieht, der sich noch über den schon durchlugenden großen Zeh legt.

Kolumnist Christoph Schwennicke
Kolumnist Christoph Schwennicke (Quelle: Antje Berghäuser)

Christoph Schwennicke ist Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren als politischer Journalist, unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Spiegel". Zuletzt war er Chefredakteur und Verleger des Politmagazins "Cicero".

Diese feste Faser haben die sogenannten sozialen Netzwerke beinahe zerrissen. Sie bringen das Rasende im Menschen zum Vorschein, belohnen den Berserker über ihre Algorithmen mit Aufmerksamkeit und bestrafen den Besonnenen durch Ausblenden. Sie holen mit Vorsatz das Schlechteste aus dem Menschen heraus. Alles rast und tost und tobt. Je länger ein Chat geht, umso unerbittlicher.

Nichts als Wut, Polemik, Provokation

Dabei ist Facebook das noch vergleichsweise harmlosere Monstrum. Die Höllenvariante heißt Twitter. Möglichst Extremes in 280 Zeichen. 280 Zeichen Wut, Polemik, Provokation. Gegen die 280 Zeichen bei Twitter nimmt sich das Gebell eines Straßenköters aus wie ein philosophisches Traktat.

Deshalb soll man zwar Mitgefühl haben mit den Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die der neue Twitter-Eigentümer Elon Musk über Nacht rausgeschmissen hat. Mit diesem überhasteten Massenrauswurf (hinterher mussten systemrelevante Mitarbeiter umgehend wieder eingestellt werden) der Hälfte der Belegschaft hat er ein Chaos angerichtet. Aber ein Grund zur Hoffnung ist es gesellschaftlich gesehen dennoch, wenn Musk zugleich verkündet, dass Twitter auch komplett pleitegehen, also: verschwinden, könnte.

"Potenziell gefährlicher als Kernwaffen" hat Musk einmal die Künstliche Intelligenz genannt auf einer dieser unzähligen Konferenzen im Silicon Valley, auf der er und andere Geldgeber wie Peter Thiel auf die Nerds und Genies der Szene treffen und das nächste heiße Ding finanzieren. Für das Funktionieren einer Gesellschaft und einer Demokratie stimmt das bereits eine Stufe früher: für die sogenannten sozialen Netzwerke und ihre unselig agierenden Algorithmen.

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Es entbehrt nicht der Ironie, dass einer der Sugar Daddys der digitalen Gründerszene 20 Jahre später eines der Geschöpfe aufkauft, das er damals mitgeschaffen hat. Die Väter fressen ihre Kinder. Und es entbehrt weiterhin nicht der Ironie, dass Musk als Ober-Twitterer in seiner berserkerhaft-sanguinischen Art Twitter den Todesstoß versetzen könnte. Ein wirklich funktionierendes Geschäftsmodell lag dem Gebrüll-Kanal nie zugrunde – im Unterschied zu Facebook. Deshalb ist die Vermutung (und Hoffnung) zulässig, dass auch der Versuch, den Massenkanal des Pöbels zu einem Bezahlmodell zu führen, zum Scheitern verurteilt ist.

Der nächste Kandidat wird nicht Trump heißen

Interessanterweise fällt der Augenblick, in dem Musk Twitter zu Tode rettet, zusammen mit dem beginnenden Untergang einer politischen Sumpfdotterblume, oder besser: eines Stinkwurz, der aus diesem Morast erwachsen war. Donald Trump, den die Welt eine Amtszeit als US-Präsident einigermaßen unbeschadet überstanden hat, ist ein Geschöpf dieses Kanals. Seine zu kurzen Gedanken passen perfekt zu diesen zu kurzen Nachrichten.

Er hatte sich so fest vorgenommen, nach dem Intermezzo des demokratischen Präsidenten Joe Biden wieder ins Weiße Haus einzuziehen. Und es sah auch bedrohlich lange so aus, als könne das klappen. Aber daraus wird nichts werden. Nach den Midterm-Wahlen und dem schwachen Abschneiden der Republikaner mag er seiner großmäuligen Ankündigung eine Ankündigung ("a big announcement") folgen lassen, es nochmals wissen zu wollen. Fakt ist aber, das sehen sie auch alle bei den Republikanern: dass sich die Kandidaten tödlich kontaminiert hatten und scheiterten, die auf Trumps Unterstützung im Wahlkampf gesetzt hatten. Der nächste Kandidat der Republikaner wird mit großer Sicherheit de Santis und nicht Trump heißen. Egal, was Trump diese Woche verkündet.

Der schmutzigste Kanal von Social Media: am Abgrund. Der Homunkulus, den er schuf und zum peinlichsten US-Präsidenten aller Zeiten machte: am Ende seiner Karriere. Es gibt sie offenbar doch noch, die guten Nachrichten. Die Welt ist besser dran ohne Trump und Twitter. Vielleicht ein erstes Zeichen dafür, dass der Mensch nach mehr als 20 Jahren den Umgang mit den sozialen Netzwerken endlich gelernt hat. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Grundfasern der Gesellschaft nicht endgültig von ihnen durchgescheuert und zerrissen sind wie die zarte Gaze über unserem Zeh in der alten Socke.

Verwendete Quellen
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