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Italien: Hitzewelle – aber 48 Grad? Darum ruderten Medien bei Angabe zurück


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Boden- oder Lufttemperatur?
Verwirrung um 48-Grad-Hitze in Italien


Aktualisiert am 16.07.2023Lesedauer: 5 Min.
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Hitze in beliebten Reisezielen: Diese Temperaturspitzen sind bald zu erwarten. (Quelle: t-online)
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"Spiegel" und "Tagesschau" korrigierten Texte zu Hitze in Italien, das neue rechtspopulistische Portal von Ex-Bild-Chef Julian Reichelt ätzte über die "heißeste Klimalüge des Jahres". Dabei war eine Nachricht zu 48 Grad in Italien eigentlich richtig.

Hitzige Diskussionen um die Berichterstattung zu möglichen neuen Rekordtemperaturen in Europa am Wochenende: Deutsche Medien verschlimmbesserten Berichte, nachdem ihnen in sozialen Medien und von "Alternativmedien" Häme und Spott wegen eines angeblichen Fehlers entgegenschlugen. Das reichte bis zu Vorwürfen, Medien würden plötzlich absurde Werte heranziehen, um Klima-Panik zu schüren. Tatsächlich beruhten die Ursprungsberichte nicht auf falschen Werten, sondern älteren Informationen. Die, die sich lustig machten, lagen dagegen völlig falsch.

Das wurde berichtet: Der "Spiegel" titelte, dass "bis zu 48 Grad in Südeuropa" erwartet würden, "in Italien könnten in den kommenden Tagen 48 Grad erreicht werden", schrieb die Tagesschau. Auch t-online griff die Zahl auf: "Fast 50 Grad auf Ferieninsel – Hitzerekord naht". Gemeint war in den Berichten: die Lufttemperatur, standardmäßig in einer Höhe von zwei Metern über dem Boden gemessen. Quelle für die Artikel war eine Mitteilung der europäischen Weltraumagentur Esa. Diese Nachricht wurde auch vielfach verbreitet, um damit die Klimakrise deutlich zu machen. Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang twitterte den Artikel und schrieb dazu: "(...) bis zu 48 Grad erwartet. Diese Hitze gefährdet unsere Gesundheit. Wer jetzt noch behauptet, dass man sich beim Klimaschutz Zeit lassen könne, ignoriert die Realität."

Das löste die Verwirrung aus: In dem Originaltext der Esa stand, dass "Europa eine große Hitzewelle bevorsteht mit erwarteten Temperaturen bis 48 Grad auf den Inseln Sizilien und Sardinien". Ein Detail davon wird später noch einmal wichtig. Doch dann wurde es verwirrend: Die ESA erklärte im Text auch, dass mit Radiometern der beiden Sentinel-3-Satelliten Daten von Meeres- und Landoberfläche gewonnen werden, aus denen die Temperaturen dort abgeleitet werden könne. Eine eindrucksvolle Karte zeigte auch die ermittelten Temperaturen in Europa an der Erdoberfläche: 46 Grad in Rom. Erläuterung dazu: "Dieses Satelliteninstrument misst die tatsächliche Energiemenge, die von der Erde abgestrahlt wird." Die dargestellte Temperatur zeige die der Landoberfläche, die höher ist als die Lufttemperatur.

Stimmung mit der Bodentemperatur

Das war der Trugschluss: Nutzer unterstellten Medien und denen, die die Esa-Nachricht verbreiteten, sie würden mit der Bodentemperatur Stimmung machen. Der Boden heizt sich regelmäßig deutlich stärker auf als die Luft, auch in Deutschland wird Asphalt in der prallen Sonne weich, was bei etwa 50 Grad beginnt. Der Aufenthalt über derart heißem Untergrund kann zwar durchaus eine Qual sein. Es ist aber natürlich etwas ganz anderes als eine so hohe Lufttemperatur. Eine Verwechslung beider Werte wäre peinlich.

Tatsächlich verbreiteten Nutzer Gegenüberstellungen der Karte mit den Oberflächentemperaturen einerseits und den deutlich niedrigeren Lufttemperaturen andererseits. 48 Grad Bodentemperatur wären kein Rekord in Europa, ein offizieller Rekord für Bodentemperaturen ist auch bisher gar nicht festgehalten. Deshalb sagt der Wert von 48 Grad Bodentemperatur auch kaum jemandem etwas, es ist kein geeignetes Argument, um auf die Gefahren des Klimawandels hinzuweisen.

Das waren die Reaktionen: Jörg Kachelmann kritisierte auf Twitter, es sei "Wasser auf die Mühlen der Klimawandelleugner" und "unwissenschaftlicher Schwachsinn", Temperaturen der Erdoberfläche mit der Lufttemperatur zu vergleichen. "Spiegel" und "Tagesschau" wurde es selbst zu heiß, sie bearbeiteten ihre Texte. Damit bestätigten sie aber den Eindruck, dass es mit den 48 Grad ein Problem gibt.

Die "Tagesschau" schrieb, "in Italien könnten in den kommenden Tagen 48 Grad am Boden erreicht werden", beim "Spiegel" wurde aus der Nachricht nun "Bis zu 48 Grad Bodentemperatur in Südeuropa erwartet" und wies auf die Änderung noch hin. Damit verschlimmbesserten sie die Texte. Beim "Spiegel" kam hinzu, dass der Text zuvor die 48 Grad vermischt hatte mit anderen Werten von der Esa, die sich tatsächlich auf Bodenwerte bezogen hatten: die Prognose von 48 Grad Lufttemperatur in Sizilien, mit gemessenen 46 Grad Bodentemperatur in Rom und 47 in Sevilla. Ricarda Lang löschte ihren Tweet kommentarlos.

Von wegen Klimalüge

Dann tauchte die reißerische Schlagzeile von der "heißesten Klimalüge des Jahres" auf. So schrieb es die neue Internetseite des früheren "Bild"-Chefredakteurs Julian Reichelt, die maßgeblich von einem Milliardär getragen wird. Hier hatte die Redaktion aber noch weniger verstanden: Die Medien hätten berichtet, dass bis zu 48 Grad auf Sizilien gemessen worden seien, behauptete die Seite – dabei ging es ja um eine Vorhersage. Außerdem verbreitete das Portal, die Esa erkläre im Tweet, dass sich die angegebenen Temperaturen auf den Boden beziehen. Das stand dort aber nie, sondern war die – falsche – Interpretation.

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Daher kommen die 48 Grad: In der Meldung der Esa waren Boden- und Lufttemperatur vermischt: Bei den 48 Grad ging es tatsächlich um die erwartete Lufttemperatur auf Sizilien, während sich alle anderen Werte im Text auf von den Satelliten gemessene Bodenwerte bezogen. Die Esa merkte wohl selbst, was dieses Durcheinander ausgelöst hatte und änderte den Text minimal: Vor "Temperaturen bis 48 Grad" wurde noch zur Verdeutlichung "Luft-" ergänzt.

Vorhersage stammte vom Montag

Allerdings hätte man sich das vorher schon erschließen können. Auf ihrer Internetseite hatte die Esa einen Link dazu gesetzt, dass Temperaturen bis 48 Grad erwartet werden. Quelle für diese Aussage war nicht die Esa selbst, sondern ein Artikel des englischen "Guardian". Und dort sagte Luca Mercalli, Präsident der Meteorologischen Gesellschaft Italiens, so etwas: Nachdem es schon 2021 48,8 Grad auf Sizilien gegeben habe, könnten wir dem Rekord nahekommen. Nun werde es Temperaturen über 40 oder über 45 Grad geben.

Das ist trotzdem das Problem mit den 48 Grad: Italiens bekanntester Meteorologe hat tatsächlich gesagt, dass Lufttemperaturen bis an den Rekordwert erreicht werden könnten. Allerdings erschien der Artikel des "Guardian" bereits am Montag um 16 Uhr. Die Vorhersage, die die Esa am Donnerstag verbreitet hatte und die Medien zum Teil am Freitag aufgriffen, stammte also bereits vom Montag. Das ist eigentlich ein Problem, sie könnte sich seither noch deutlich verändert haben. Und bei "La Stampa" war zu lesen, dass die Werte von bis zu 48 Grad für den vergangenen Mittwoch erwartet wurden. Derart hohe Temperaturen wurden aber gar nicht gemessen.

Dass auch in aktuellen Wettervorhersagen diese Werte nicht auftauchen, muss nicht unbedingt heißen, dass einzelne Stationen ihr nicht doch nahekommen. Das zeigt das Beispiel des bisherigen Rekordhalters: Als am 11. August 2021 in Floridia auf Sizilien der Rekordwert von 48,8 Grad gemessen wurde, war es an einer anderen Messstelle der Insel 14 Grad kühler.

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Und die Hitzewelle mit Werten von deutlich über 40 Grad ist noch nicht vorbei: Mercalli hatte bereits angekündigt, dass sie zehn Tage anhalten werde. Das hat sich bestätigt: Nur im Norden Italiens lässt sie leicht nach, in zentralen und südlichen Teilen Italiens setzt sie sich noch fort.

Mercalli sagte aber auch der Agenzia Italia, dass die Frage nach einem neuen Rekord in Italien gar nicht so zentral sei: Die wirkliche Neuigkeit sei, dass global neue Rekorde erreicht wurden: "An vier aufeinanderfolgenden Tagen zwischen dem 3. und dem 6. Juli haben wir alle globalen Durchschnittstemperaturrekorde gebrochen. Es sind die vier heißesten Tage in der Geschichte des Planeten Erde, seit es Temperaturaufzeichnungen gibt."

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