Weltklimakonferenz "Der Gipfel ist faktisch gescheitert"
Die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen im ägyptischen Scharm el Scheich ist zu Ende gegangen. Die Bilanz in Deutschland fällt ernüchternd aus.
Nach zähem Ringen um die Abschlusserklärung ist am frühen Sonntag der UN-Klimagipfel im ägyptischen Scharm el Scheich zu Ende gegangen. In Deutschland stößt das Ergebnis auf viel Kritik. "Der Ägypten-Gipfel ist nicht formell, aber faktisch inhaltlich gescheitert", sagte der Vorsitzende der Linken, im Bundestag, Dietmar Bartsch, t-online. Der COP27 werde sich "einreihen in unrühmliche Klimagipfel, die stets einem ähnlichen Muster folgen: große Ankündigungen, unzureichende Beschlüsse und kaum konkrete Umsetzung im Nachgang".
Bartsch warf den Industrienationen vor, ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. "Die finanziellen Zusagen an vom Klimawandel besonders betroffene Staaten werden schneller verdunsten als ein Glas Wasser am Sinai", sagte der Linken-Politiker: "Gleichzeitig schafft es diese Klimakonferenz nicht, Klimaschutz und Veränderungen positiv zu besetzen. Die Bürger lassen sich weder mit Gipfeln in Diktaturen noch mit apokalyptischen Horrorszenarien für den Klimaschutz gewinnen."
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"Wenn es konkret wird, wird es eng"
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch mahnte nach Ende des UN-Klimagipfels schnelles Handeln auch in Deutschland an. "Das Ergebnis der COP ist ein ehrliches Ergebnis, das uns die wahren Herausforderungen vor Augen führt: Abstrakt sind alle für Klimaschutz. Wenn es konkret wird, wird es jedoch eng", sagte Miersch t-online.
"Für Deutschland bedeutet es, etwa die vom Klimaschutzgesetz aufgezeigten Defizite jetzt schleunigst anzugehen und den maximalen Ausbau der Erneuerbaren durch ein völlig neues Planungs- und Genehmigungsrecht zu erreichen", forderte Miersch.
International brauche es Allianzen wie den Klimaclub, um zu zeigen, "dass der eingeschlagene Weg der Erneuerbaren, der nachhaltigen Mobilität und des Ressourcenschutzes wirklichen Mehrwert haben".
"Die fossile Lobby hat ihr hässliches Gesicht gezeigt"
"Sehr gemischte Gefühle" hat die Grünen-Politikerin Lisa Badum, Vorsitzende des Unterausschusses Internationale Klima- und Energiepolitik, angesichts der Ergebnisse von Scharm el Scheich. "Diese COP hat gezeigt, dass sie jahrzehntealte Gräben zwischen dem globalen Norden und Süden überwinden kann und was möglich wäre", sagte Badum t-online: "Aber sie war nicht stark genug, die fossilen Blockierer endlich final in die Schranken zu weisen."
Die COP27 sei "historisch, weil zum ersten Mal anerkannt wurde, dass es zusätzliche Finanzierung für die so ungerecht verteilten, verheerenden Klimaschäden im Hier und Jetzt geben muss". Dazu habe auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) entscheidend beigetragen.
"Bitter" sei aber, dass im Abschlussdokument nicht klargemacht werde, dass das 1,5-Grad-Limit mit der weiteren Ausbeutung von fossilen Energien niemals zu erreichen sei. Dazu zählten auch Öl und Gas. "Die fossile Lobby hat einmal mehr ihr hässliches Gesicht gezeigt", sagte Badum: "Das heißt jetzt erst recht: Jetzt müssen die Industriestaaten, die schon in Glasgow das Ende öffentlicher fossiler Finanzierung unterschrieben haben, umso glaubwürdiger handeln." Für Deutschland heiße das konkret, dass auch die Förderung neuer Gasfelder im Senegal nicht unterstützt werden dürfe.
"Jeder Fortschritt zählt"
Vorsichtig positiv äußert sich hingegen Andreas Jung, klimapolitischer Sprecher von CDU/CSU im Bundestag. "Jeder Fortschritt zählt. Deshalb ist eine Einigung mit kleinen Schritten besser als Stillstand und keine Einigung", sagte der CDU-Politiker. Dennoch seien bei der Weltklimakonferenz "wichtige Chancen vertan" worden. "Entscheidend ist nun die konkrete Ausgestaltung des Entschädigungsfonds", sagte Jung.
Bis zur nächsten Klimakonferenz müssten nun alle bedeutenden Emittenten (CO2-Verursacher) "ehrgeizige Klimaziele vorgelegt haben". Für Deutschland forderte Jung: "Ein glaubwürdiges Sofortprogramm muss jetzt vorgelegt werden. Das Klimaschutzgesetz muss eingehalten statt aufgeweicht werden. Die Ampelpläne zur Aushöhlung der jährlichen Verbindlichkeit müssen vom Tisch."
"Das ist extrem bitter"
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) äußerte sich derweil enttäuscht über die Beschlüsse der UN-Klimakonferenz. "Das Ergebnis der COP27 insgesamt bleibt hinter dem Notwendigen zurück", erklärte Lemke am Sonntag. "Das ist extrem bitter." Dass sich die Staatengemeinschaft auf die Einrichtung eines Fonds für den Ausgleich von klimabedingten Schäden in den ärmsten und verletzlichsten Ländern geeinigt habe, sei hingegen "ein wichtiger Schritt, um die Folgen der Klimakrise in Zukunft besser bewältigen zu können".
Auf der 27. Weltklimakonferenz sei zudem die Botschaft angekommen, dass Klimaschutz "auf den Schutz der Natur und auf intakte Ökosysteme angewiesen" sei, erklärte Lemke. Es sei trotz der insgesamt schwierigen Verhandlungen sehr erfreulich, dass natürlicher Klimaschutz und naturbasierte Lösungen wie Waldschutz wichtige Themen auf der COP27 gewesen seien und Eingang in die Abschlusserklärung gefunden hätten. "Das gibt mir Rückenwind für die Weltnaturkonferenz im Dezember in Montréal", so die Grünen-Politikerin.
"In Scharm el-Scheich haben wir darüber gesprochen, wie wir unsere Ökosysteme intakt halten, damit sie uns vor Sturmfluten, Starkregen, Hitze und Dürre schützen und uns helfen, beim Klimaschutz voranzukommen", führte Lemke aus. "Dabei hat sich auf der COP27 die Erkenntnis durchgesetzt, dass die drei existentiellen Krisen unserer Zeit – Klimakrise, Verschmutzungskrise und die Krise des Artenaussterbens – zusammenhängen und nur gemeinsam gelöst werden können."
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagentur AFP