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Tschernobyl heute: Der Mensch ging, und die Tiere kamen


30 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe
Tschernobyl: Als der Mensch ging, kam die Natur

Von afp, t-online
Aktualisiert am 27.04.2016Lesedauer: 3 Min.
Wölfe streifen durch die Todeszone rund um den Reaktor in Tschernobyl.Vergrößern des Bildes
Wölfe streifen durch die Todeszone rund um den Reaktor in Tschernobyl. (Quelle: Reuters-bilder)

Elche, Wölfe und Bären – wer solche in Europa selten gewordenen Tiere in freier Natur sehen möchte, kann nach Tschernobyl kommen. In den 30 Jahren seit der Atomkatastrophe hat die Natur die Todeszone in der Ukraine zurückerobert.

"Als die Menschen gingen, kam die Natur", sagt Denis Wischnewski, der als Biologe im Sperrgebiet rund um den im Jahr 1986 havarierten Reaktor von Tschernobyl arbeitet.

Die 130.000 Menschen, die im Umkreis von 30 Kilometern um das Kernkraftwerk lebten, mussten ihre Häuser verlassen. Viele von ihnen wurden krank. Und auch die Natur schien schwer getroffen: Zehn Quadratkilometer Kiefernwald starben ab, zahlreiche Vogelarten, Nagetiere und Insekten verschwanden. Nun aber nehme die Zahl der Tiere und die Artenvielfalt enorm zu, sagt Biologe Wischnewski - trotz der nach wie vor hohen radioaktiven Belastung.

Seltene Tierarten siedeln sich in Tschernobyl wieder an

"Die Radioaktivität bleibt und hat negative Folgen", erklärt der Wissenschaftler. Beispielsweise haben die Tiere in der Region weniger Nachkommen und sterben früher. "Aber diese negativen Folgen sind nicht so bedeutend wie die Tatsache, dass der Mensch nicht mehr eingreift", sagt er.

Das Militär bewacht die Sperrzone, offiziell darf niemand mehr dort leben. 300 meist ältere Bewohner sind dennoch in ihre Häuser zurückgekehrt. Doch diese wenigen scheinen Flora und Fauna nicht zu stören. Anstelle des abgestorbenen Waldes ist ein neuer, gesunder gewachsen.

Selten gewordene einheimische Tierarten siedelten sich wieder an. Nur Tiere, die von den Feldern und Abfällen der Menschen leben, wie Weißstörche, Spatzen und Tauben, sind nicht mehr zu sehen.

Stattdessen sticht eine Herde Przewalski-Pferde ins Auge. (Foto: AFP) Sie sind Nachkommen einer Handvoll Pferde, die 1990 im Rahmen eines Experiments in das Sperrgebiet gebracht wurden. Und tatsächlich fasste die vom Aussterben bedrohte Rasse in der verstrahlten Zone Fuß. Inzwischen streifen rund 100 von ihnen über die einstigen Felder.

Und noch mehr Tiere haben sich die Todeszone zurückerobert:

Mehrere Wolfs-Rudel sind in der Sperrzone wieder heimisch geworden. (Foto: Reuters)

Gefundenes Fressen: Ein Seeadler landet auf dem Kadaver eines Wolfes. (Foto: Reuters)

Auch wildlebende Hunde sind in Tschernobyl unterwegs. (Foto: Reuters)

Elche ziehen durchs Unterholz. (Foto: Reuters)

In einem Fluss in der Nähe des Reaktors haben sich Otter angesiedelt. (Foto: Reuters)

Nicht zuletzt aufgrund des Waldsterbens verschwanden viele Vogelarten aus der Region um das Atomkraftwerk. Doch der Wald hat sich erholt und auch die Vögel kehren zurück, so wie dieser Specht. (Foto: Reuters)

Andere Wissenschaftler bremsen die Euphorie

Wischnewski spricht von einer "Renaissance der Natur". Andere Wissenschaftler sind weniger euphorisch. "Natürlich breiten sich einige Tiere aus, wenn man ein Gebiet abschottet", sagt der Biowissenschaftler Tim Mousseau, der mit seinem Team seit Jahren die Artenvielfalt in Tschernobyl und neuerdings auch im japanischen Fukushima untersucht. Aber das dürfe nicht über die fatalen Folgen der Verstrahlung hinwegtäuschen, sagt er.

Auch die Forscherin Marina Schkwyrja vom Zoologischen Institut Schmalhausen in Kiew warnt davor, das Sperrgebiet als Naturreservat zu idealisieren. "Die Zone ist einzigartig, aber trotzdem nicht gerade ein Paradies für die Tiere", sagt sie. Dazu gebe es viel zu viele Pirschjäger, Wilderer und auch Touristen.

Biologe Wischnewski ist dennoch zuversichtlich. Wenn der Wald sich erst einmal über die verlassenen Felder ausbreite, würden sich Flora und Fauna noch weiter vervielfältigen, prophezeit er. "Diese Tiere sind vermutlich die einzige gute Folge der schrecklichen Katastrophe."

Die atomare Gefahr an der Grenze zu Deutschland

Aktuell sind im Grenzgebiet zur Bundesrepublik noch 23 Reaktoren in elf Kraftwerken in Betrieb, wie die Karte von Statista zeigt. Davon werden nur die beiden Reaktoren in Fessenheim und der Reaktor im schweizerischen Mühleberg noch in diesem Jahrzehnt vom Netz gehen. In Deutschland selbst produzieren derzeit noch acht Meiler Strom.

Mehr spannende Grafiken bei Statista.

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