Bericht über Belästigungsvorwürfe "Kultur des Machtmissbrauchs" im EU-Parlament
Laut einer Recherche soll es im EU-Parlament deutlich mehr Fälle von sexueller Belästigung geben als bisher bekannt. Konsequenzen für die Täter sind selten.
Kurz vor der Europawahl häufen sich die Vorwürfe wegen Machtmissbrauch und sexueller Belästigung bei den europäischen Institutionen. Beim neu gegründeten Harassment Support Network sollen sich nur in der vergangenen Woche schon 20 Mitarbeiterinnen gemeldet haben. Laut einer Recherche von "Correctiv" und "Stern" soll es noch deutlich mehr Fälle geben.
Mitarbeiterinnen berichten von einer "Kultur des Machtmissbrauchs", von beklemmenden Aufzugfahrten und älteren Parlamentariern auf der "Jagd nach Frischfleisch". Das ganze System sei darauf ausgelegt, die Abgeordneten zu schützen, so eine Betroffene. So gebe es zum Beispiel viel zu wenig Anlaufstellen, um solche Fälle überhaupt zu melden.
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"Hochrangige Vergewaltiger werden geschützt"
Für Aufsehen hatte Anfang des Jahres der Fall von Malte Gallée gesorgt. Der bayerische Grünen-Abgeordnete musste zurücktreten, nachdem der "Stern" aufgedeckt hatte, dass es mehrere Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn gab. Doch laut der Recherche bleibt es eine Ausnahme, dass derartige Anschuldigungen Konsequenzen haben.
Wenn es Konsequenzen gebe, dann für die Täter aus der hinteren Reihe. "Die hochrangigen Belästiger und Vergewaltiger werden systematisch geschützt", sagte eine Insiderin, die anonym bleiben wollte, im Gespräch mit "Correctiv" und "Stern". Doch selbst bei einer gerichtlichen Verurteilung ist es vielen Abgeordneten wohl möglich, ihr Mandat zu behalten.
Sowohl das EU-Parlament als auch die Kommission bestreiten auf Nachfrage von "Stern" und "Correctiv", zu wenig gegen Missbrauch zu unternehmen. In einer Stellungnahme verweist die EU-Kommission darauf, dass jedes Jahr nur sehr wenige Fälle gemeldet würden, was aus ihrer Sicht beweise, "dass die Kommission ein sicheres und respektvolles Arbeitsumfeld bietet".