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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Danyal Bayaz Er hält, was die Grünen versprechen
Er ist erst 37 und seit vier Jahren Berufspolitiker. Trotzdem ist Danyal Bayaz nun Finanzminister von Baden-Württemberg. Seine Blitzkarriere ist ein Glücksfall – nicht nur für ihn, auch für die Grünen.
Wenn Politiker in Satiresendungen landen, endet das oft nicht sonderlich schmeichelhaft für sie. Meistens haben sie irgendetwas Dummes gesagt oder getan, um sich ihren Auftritt redlich zu verdienen. Oft genug beides zugleich.
Bei Danyal Bayaz war das zuletzt anders, wie so vieles gerade etwas anders ist bei ihm. Als er Ende des vergangenen Jahres mit zwei Kollegen bei Jan Böhmermann auftrat, war er dort so etwas wie der Sherlock Holmes des Bundestages. Der Mann, der mit seinem "parlamentarischen Detektivclub" (Böhmermann) den Wirecard-Milliardenskandal aufklärt. Und der ganz nebenbei Vizekanzler Olaf Scholz und Kanzlerin Angela Merkel im Untersuchungsausschuss die Stirn bietet.
Ein kleiner Held des oft wenig glamourösen politischen Alltags.
Künftig allerdings wird jemand anders den Helden im Wirecard-Skandal spielen müssen. Denn der Alltag von Danyal Bayaz wird etwas glamouröser. Der Grünen-Politiker ist gerade Finanzminister in seinem Heimatland Baden-Württemberg geworden. Und das im fast schon jugendlichen Politikeralter von 37 Jahren – nach nur knapp 4 Jahren als Berufspolitiker.
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer politischen Blitzkarriere, die nicht nur für Bayaz selbst, sondern auch für die Grünen insgesamt ein Glücksfall ist. Denn Bayaz verkörpert vieles von dem, wofür die neuen Grünen gerne stehen würden.
Der Mann aus der Beraterszene
Wer mit politischen Weggefährten über Bayaz spricht, der bekommt gerade viel Lob zu hören. Was auch sonst. "Danyal ist einer der klügsten Köpfe bei den Grünen", sagt etwa Franziska Brantner, Grünen-Abgeordnete, die wie Bayaz aus Baden-Württemberg stammt. "Er schafft es, komplizierte Dinge so zu erklären, dass sie jeder versteht und macht sie damit politisch."
Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir, auch aus dem Ländle, sagt über Bayaz: "Er ist hochkompetent, spricht die Sprache der Wirtschaft und weiß, wie die Menschen ticken."
Ein Grüner, der die Sprache der Wirtschaft spricht? Das nehmen einige in der Partei zwar schon länger für sich in Anspruch, zumindest seit sich die Grünen offensiv vom Image der Öko-Klientelpartei befreien wollen. Oft ist es dann aber bislang doch eher Wunsch als Wirklichkeit geblieben.
Bei Bayaz ist das anders. Vor seiner Karriere als Berufspolitiker, die erst 2017 mit dem Einzug in den Bundestag begann, hat Bayaz als Unternehmensberater gearbeitet. Nachdem er seinen Doktortitel mit einer Arbeit über die Finanzmärkte erworben hatte, war er unter anderem Praktikant bei Goldman Sachs und hat dann vor allem mehrere Jahre bei der Boston Consulting Group gearbeitet.
Wirtschaftsberater standen bisher nicht im Verdacht, den Grünen sonderlich nahe zu stehen. Und bei den Grünen wiederum gab es auch viele, für die die Beraterszene eher Schmuddelkram war. Jetzt aber, wo sich die Grünen anschicken, die Breite der Gesellschaft anzusprechen und abzubilden, sind es gerade diese Erfahrungen, die Bayaz' Karriere massiv beschleunigt haben.
Und die ihn so wertvoll für die Grünen machen.
Er hält, was die Grünen versprechen
Die Geschichte des Danyal Bayaz beginnt 1983 in Heidelberg, wo er als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters auf die Welt kommt. Sein Großvater war Botschafter der Türkei in Deutschland, sein Vater Journalist beim Süddeutschen Rundfunk. Er habe seine Wurzeln nie als etwas Besonderes erlebt, erzählte Bayaz der "FAZ" einmal.
Doch für die Grünen, die den Anspruch erheben, die Diversität der Gesellschaft in ihrer Partei abzubilden, ist der Aufstieg des Danyal Bayaz natürlich schon ein wichtiges Signal. Denn trotz diverser Bemühungen sind sie dann doch noch immer eine ziemlich weiße Partei.
"Baden-Württemberg hält das, was andere versprechen, beim Klimaschutz, aber auch was die Vielfalt in der Landesregierung angeht", sagt Cem Özdemir dazu. So viele prominente Beispiele, dass die Grünen mit der Vielfalt ernst machen und sie nicht nur versprechen, gibt es einfach bislang nicht. Besonders bei den Spitzenposten.
Mit Bayaz gibt es nun ein Beispiel mehr. Gut für die Grünen.
Keine leichte Entscheidung
Danyal Bayaz soll sich die Entscheidung, Minister in Baden-Württemberg zu werden, nicht leicht gemacht haben. In Berlin hätte er wohl bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen gute Chancen auf einen Posten als parlamentarischer Staatssekretär in einem Ministerium gehabt, heißt es. Das ist zwar längst nicht Minister, aber immerhin ein schönes Pöstchen. Und eben Bundespolitik statt Ländlepolitik.
Eine Rolle bei seinem zwischenzeitlichen Zögern soll aber auch das Privatleben gespielt haben. Bayaz ist mit der bayerischen Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze liiert. Die beiden erwarten ein Kind. Und Ministerämter haben bislang nicht gerade den Ruf, sonderlich familienfreundlich zu sein.
Allerdings ist Bayaz' neuer Arbeitsplatz Stuttgart immerhin näher an Schulzes Arbeitsplatz München, als es Berlin war. Und ohnehin wollen die Grünen ja vieles anders machen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Warum also nicht einfach mal bei den Ministern anfangen?
"Winfried Kretschmann hat ihm signalisiert, dass er volles Verständnis hat, wenn sich Danyal neben seiner fordernden Arbeit auch die Zeit für sein Kind nimmt", sagt Özdemir. "Wir brauchen solche Leute, die mitten im Leben stehen und wissen, was es heißt, Familie und Beruf zu vereinbaren."
Auch da will Bayaz also halten, was die Grünen versprechen.
Und was kommt dann?
Dass er seinen Job als Finanzminister im Kabinett von Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann gut machen wird, daran zweifelt eigentlich niemand. Obwohl auch in Baden-Württemberg das Geld knapp ist und er wohl wenige Wohltaten verteilen kann.
Und was kommt dann? "Danyal wird sicherlich auch weiterhin bundesweit von sich reden machen", sagt Özdemir. Ein weiterer Karriereschritt in Baden-Württemberg oder aber die Rückkehr in die Bundespolitik an führender Stellen sind später durchaus drin, heißt es in Grünen-Kreisen. Gute Leute mit Exekutiverfahrung, die hoch hinaus wollen, sind im Zweifel überall gefragt.
Oder wie es die Grünen-Politikerin Brantner sagt: "Ihm ist alles zuzutrauen in der Zukunft, im positiven Sinne."
- Eigene Recherchen und Gespräche
- "FAZ": Grüner Exot im Bundestag
- "taz": Im Südwesten jemand Neues